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Adorján, Johanna - Eine exklusive Liebe




Adorján, Johanna - Eine exklusive Liebe

Beitragvon Karthause » 21.06.2010, 19:01

Vera und István haben als ungarische Juden den Holocaust überlebt. Infolge des ungarischen Aufstandes im Jahre 1956 flohen sie nach Dänemark. Dort zogen sie gemeinsam ihre Kinder groß und als István dann 1991 schwer erkrankte planten sie den gemeinsamen Tod. Als am 13. Oktober 1991 der Tag dann gekommen war, brachte Vera den Hund zu Freunden, denen sie von einer Reise erzählte, räumte die Wohnung auf und kümmerte sich ein letztes Mal um die Rosen. Tage später fand man die beiden, die miteinander alt wurden und sich so liebten, dass der Tod sie nicht scheiden konnte, Hand in Hand in ihrem Bett.

„Davon sprechen wir nicht.“ Damit verdrängten Vera und István ihre Erlebnisse aus den Zeiten des Holocaust und der Zeit als Kommunisten im Ungarn der Nachkriegszeit. „Davon sprechen wir nicht.“, beschloss auch die Familie der beiden nach ihrem Tod. Aber 16 Jahre danach brach Johanna Adorján ihr Schweigen und setzte sich mit dem gemeinsamen Sterben ihrer Großeltern auseinander. Minutiös rekonstruierte die Autorin den letzten Tag ihrer Großeltern und versuchte weiße Flecken in deren Leben durch die Befragung von noch lebenden Bekannten und Freunden Veras und Istváns mit Wissen zu färben. So entstand die Geschichte der Liebe eines außergewöhnlichen Paares, dass sich aus großem Respekt voreinander ein Leben lang siezte. Eine Liebe, die so außergewöhnlich, so exklusiv war, dass sich darin nur Platz für die Eheleute fand.

Am Anfang hatte ich ein paar Bedenken, da die Schilderungen der Zeitzeugen doch zum Teil sehr oberflächlich waren, dass nicht wirklich klar wird, warum beide den gemeinsamen Tod wählten. Schließlich war Vera an die 10 Jahre jünger als ihr Mann, immer noch eine schöne Frau und für ihr Alter recht gesund. Die Vielzahl der Befragungen schuf jedoch ein wirklich rundes und nachvollziehbares Bild des Ehepaares. Vieles, was erst schwer verständlich erschien, wurde nach und nach greifbar. Manches blieb für immer verloren.

In verschiedenen, abwechselnden Erzählperspektiven berichtet die Autorin ohne zu moralisieren oder zu werten, sie hinterfragt und analysiert die ihr vorliegenden Fakten und rekonstruiert so den letzten Tag im Leben ihrer Großeltern. Sie klärt damit aber auch ihre eigenen Identitätsfragen und sucht nach ihren Wurzel.

Die Sprache von Johanna Adorján ist von angenehmer Leichtigkeit, nüchtern und trotz der Thematik oft mit leisem Humor gespickt.

Beim Lesen bekam ich häufig eine Gänsehaut, so berührte mich das Buch. Ich war beeindruckt von der Tiefe der Gefühle und der Eindringlichkeit der Sprache. Trotz einiger offen gebliebener Fragen, weil ja über vieles nicht gesprochen wurde, ist mir dieses ruhige Buch ans Herz gewachsen.

Mein Fazit: „Eine exklusive Liebe“ ist das außergewöhnliche Liebesgeschichte eines faszinierenden Paares, das einander so nah war, dass sie im Tod nicht getrennt sein wollten.

Über den Autor (Quelle: amazon.de)
Johanna Adorján, 1971 in Stockholm geboren, studierte in München Theater- und Opernregie. Seit 1995 arbeitet sie als Journalistin, seit 2001 in der Feuilleton-Redaktion der »FAS«. »Eine exklusive Liebe« ist ihr erstes Buch.

Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
Verlag: Luchterhand Literaturverlag
ISBN-13: 978-3630872919

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Viele Grüße
Karthause

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