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Babtschenko, Arkadi - Die Farbe des Krieges




Babtschenko, Arkadi - Die Farbe des Krieges

Beitragvon Karthause » 07.09.2009, 18:43

"Ich habe immer gedacht, der Krieg sei schwarzweiß. Aber er ist bunt. - ... Die Farben sind grell, die Bäume grün, und der Himmel ist hellblau dort, wo Menschen getötet werden. Das Leben blüht und gedeiht, die Vögel zwitschern, und die Bäume treiben junges Grün. - Tote Menschen liegen im Gras und sind überhaupt nicht schrecklich, sie gehören in diese bunte Welt. Man kann danebenstehen und lachen, sich unterhalten. Die Menschheit erstarrt nicht und verliert nicht den Verstand beim Anblick der Leichen. - Sehr seltsam, dass der Krieg bunt ist."

1995. Junge Männer, Soldaten, werden nach Tschetschenien geschickt, um dort zu kämpfen. Der Leser begleitet den Ich-Erzähler in den Krieg und muss erst einmal in einem Zwischenlager Station machen. So wird über den Soldatenalltag in der russischen Armee berichtet, über Untätigkeit, Hunger, Misshandlungen durch dienstältere Soldaten und Mangel. Nur an einem mangelt es nicht, an den Leichen, die mit Flugzeugen aus dem Kriegsgebiet zurückgeführt werden. Aber das Grauen ist noch steigerungsfähig, dass erfahren die Soldaten mit ihrem Fronteinsatz. Tschetschenische Partisanenangriffe, friendly fire, Verstümmelungen, nicht wieder erkennbare Tote, Massaker und deren Vergeltungen prägen nun ihr Dasein.
10 Jahre später – wieder Tschetschenien – immer noch Krieg. Die Kriegsführung hat sich kam geändert. Nur der Hass auf die Gegner wurde tiefer, dem entsprechend wurde die Wahl der Mittel auch grausamer. Um sich zu betäuben, griffen die Soldaten zu Alkohol und Drogen. So konnten sie für kurze Zeit in eine Traumwelt fern jeder Realität abtauchen und von einer friedlichen Heimat träumen.
Arkadi Babtschenko schildert den Tschetschenienkrieg aus russischer Sicht. Eine Sicht, die mir bisher unbekannt war, ebenso wie die erschreckenden Zustände in der Armee. Und Babtschenko schreibt eigene Erlebnisse auf. Er war als 18jähriger selbst Soldat in Tschetschenien und hat die geschilderten Erfahrungen am eigenen Leib gemacht. Sprachlich gesehen ist dieses Buch kein Glanzstück. Es weiß durch seine Authentizität zu überzeugen. Nur wenige Bücher haben mich bisher so erschüttert und mitgenommen. Selbst beim Schreiben bekomme ich noch Gänsehaut und einen Kloß im Hals. Arkadi Babtschenko prangert Politiker und Generäle an, legt die Sinnlosigkeit und Unmenschlichkeit des Krieges kompromisslos offen, beschreibt unmissverständlich die Gräuel und setzt allen Gefallenen mit diesem Buch ein Denkmal. Dieses Buch wird oft mit den ganz großen Werken der Antikriegsliteratur in einem Atemzug genannt und das völlig zu Recht. Allerdings sollten die Leser nicht all zu sensibel sein, denn der Autor nennt die Dinge beim Namen, er beschreibt präzise und detailliert Zustände und Begebenheiten. Dieses Buch ist eine Anklage.


Über den Autor (www.amazon.de)
Arkadi Babtschenko, 1977 in Moskau geboren, wurde mit achtzehn Jahren zum Militärdienst einberufen und 1996 nach Tschetschenien versetzt. Anschließend studierte er in Moskau Jura und schrieb für verschiedene Zeitungen. 2001 wurde sein Zyklus Zehn Bilder vom Krieg mit dem Preis der literarischen Zeitschrift Debüt ausgezeichnet. Heute lebt Babtschenko als freier Journalist und Autor in Moskau.

Gebundene Ausgabe: 256 Seiten * Verlag: Rowohlt, Berlin * ISBN-13: 978-3871345586

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Viele Grüße
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von Anzeige » 07.09.2009, 18:43

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Beitragvon Krümel » 07.09.2009, 19:55

Kann diese Rezi ins Blog? (Chip braucht auch "Füllstoff" :wink: wenn ich im Urlaub bin.)
BildLiebe Grüße,
Krümel



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Beitragvon Karthause » 07.09.2009, 21:06

Ja, sie kann. (als "Füllstoff") 8)
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