Kennt jemand noch Ernst Wiechert?
Wenn man bedenkt, daß er in den zwanziger/dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts ein richtiger Bestsellerautor war, wohl relativ wenige.
Nachdem ich vier Erzählungen ("Missa sine nomine", "Das heilige Jahr", "Hirtennovelle", "Der weiße Büffel") aus "Sämtliche Werke, Bd. 6" gelesen habe, wundere ich mich auch ein wenig, daß er wohl gut von der Schriftstellerei leben konnte und sogar Lesereisen in`s europäische Ausland und Amerika unternommen hat. Seine Sprache möchte ich nämlich als ziemlich gehoben und anspruchsvoll beschreiben.
Aber zunächst noch ein wenig über den Autor:
- 1887 in Ostpreußen geboren
- 1930-1933 Schuldienst in Berlin
- 1938 Verhaftung in Berlin (Wiechert hat Schülern geraten, nicht
aufzuhören, kritisch gegenüber der Politik zu sein)
einige Monate Konzentrationslager Buchenwald, von dort schwerkrank
entlassen und bis Kriegsende unter Gestapoaufsicht.
- 1950 in der Schweiz verstorben
Zugegeben, ein von mir sehr kurz wiedergegebener Lebenslauf. Wer sich für mehr interessiert, wird im Internet sehr schnell fündig. Ich habe nur die Daten wiedergegeben, in denen seine Werke entstanden sind, die ich hier vorstellen möchte.
Gerade mit der Vergangenheitsbewältigung des Naziregimes befasst er sich in seinem letzten und meinen ersten gelesenen Roman, "Missa sine nomine". Drei adelige Brüder, zusammen mit dem "Gesinde" von ihrem Landsitz im Osten vertrieben, versuchen, jeder auf seine Art, im "Neuen Leben" Fuß zu fassen und mit dem Geschehenen in`s Reine zu kommen.
"Das Heilige Jahr" besteht aus fünf Kurzgeschichten. Fünf starke Persönlichkeiten berichten über ihr Schicksal.
Die "Hirtennovelle" greift die alte biblische Geschichte des Hirtenjungen auf, der trotz seiner geringen Abstammung und Ausbildung am Ende über allen steht.
"Der weiße Büffel" hat mich am Stärksten berührt, da ich mich gerne mit den beiden Hauptcharakteren identifizieren würde. Oder anders gesagt: Unsere Welt sähe besser aus, gebe es mehr solche Menschen.
Ein junger Inder lehrt einen Fremdherrscher Demut über seinen Tot hinaus.
Eines haben alle Erzählungen gemeinsam: eine tiefe Liebe zu den Menschen und der Natur gepaart mit einer relativ großen Dosis ev. Religionslehre aus der alle Protagonisten Kraft und Stärke ziehen.
Eine Ausnahme bezüglich der Religion bildet "Der weiße Büffel". Aber auch hier zeigt Wiechert, daß ein wahrhaft Gläubiger und standhafter Mensch durch nichts, auch nicht durch den Tot, in`s Wanken gerät und dadurch werden letztendlich Herrscher gestürzt. Der Roman erschien übrigens 1937. Ansonsten kann ich nur noch sagen, daß man Wiechert viel intuitiv verstehen kann und soetwas sagt mir zu. Lest aber die Romane mit Pausen zwischendurch. Sonst wird diese eigentümliche Sprache vielleicht doch etwas viel.
Viele Grüße
Leseratte