Krümels-Bücherwelt ...

... ein Literaturforum der anderen Art

Freytag, Gustav - Soll und Haben




Freytag, Gustav - Soll und Haben

Beitragvon Krümel » 15.05.2010, 12:30

Bild

Ein guter Schmöker!

Anton Wohlfahrt, der Sohn eines Staatsbeamten, verliert sehr jung seine Eltern und wird bei der Kaufmannsfamilie Schröter in Breslau aufgenommen. Dort hatte sein Vater zu Lebzeiten eine Lehre für ihn arrangiert. Der junge Mann macht sich auf den Weg zur Hauptstadt und trifft dabei seinen ehemaligen Klassenkameraden Itzig, der auch auf der Wanderschaft ist um eine Lehre zu erhalten. Die Lebensläufe beider Jünglinge verspinnen sich im Werk miteinander. Obwohl sie sehr unterschiedlicher Auffassungen sind, wird ein durchsichtiges Netz um sie gespannt, und man erkennt direkt, dass sie die Konträrfiguren im Roman sind, und dass der Autor anhand ihrer uns etwas verdeutlichen möchte.

Unser Held lebt sich bei den Kaufleuten sehr gut ein, man mag ihn, hat Gefallen an seinem Charakter, der unbeugbar ehrlich ist und an seiner ruhigen Art.
Im Haushalt Schröters weilt auch der adlige von Fink, der Antons bester Freund wird (Komplementärfigur). Diese beiden Figuren ergänzen sich so gut, dass der Leser ihre Freundschaft als real empfindet, und an ihren Knebbeleien großen Spaß hat.

“Es war nicht der Rede wert, gnädige Frau” … “ich wollte nur untersuchen, wie sich Master Wohlfart beim Ertrinken benehmen würde. Ich warf ihn ins Wasser, und er wäre um ein Haar auf dem Grunde liegengeblieben, weil er es für indiskret hielt, mich durch seine Rettung zu belästigen. …”

Anton lernt direkt zu Beginn des Werkes das junge Fräulein Leonore, eine Baroness, kennen, die ihn mit frischen Erdbeeren aus ihrem Garten lockt und derer er stets zu Diensten ist. Ihr Vater, der Freiherr, verschuldet sich bei den jüdischen Kaufleuten bis über beide Ohren und muss sein Gut verlassen. Seine neue Heimat findet er in Polen, welches sich mit den Deutschen im Krieg befindet. Fink und Anton helfen der Familie aus Itzigs Händen heraus.

„Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der NS-Geschichte wurde Freytag in den 70er Jahren öfters vorgeworfen, in Soll und Haben rassistische Stereotype Juden verwendet zu haben.“ Wiki zu „Soll und Haben“

Zu Beginn des Wälzers empfand ich das auch arg, diese Gegenüberstellung von Anton und Itzig ist schon sehr deutlich und spricht Bände. Aber spätestens als der Sohn von Ehrenthal, ein jüdischer Kaufmann, auch wegen moralischen Bedenken stirbt, verebbt diese antisemitische Anschuldigung. Freytag ist ganz klar ein Kind seiner Zeit, ob er ein Antisemit war, vermag ich nicht zu sagen.
Die Motive >Ehre und Moral< werden im Werk bis aufs Äußerste ausgequetscht, das ist der einzige Kritikpunkt, den ich anbringen möchte, aber auch der fällt in diese Zeit.

„Soll und Haben“ liest sich sehr flüssig und angenehm. Trotz seiner Länge ist er nicht langatmig, ein guter Schmöker halt. Die Figuren sind klassische Konstellationen jener Zeit, wie sie auch bei Fontane u. a. zu finden sind, und geben dem Roman ein festes Gerüst. Das Hauptthema ist brandaktuell, Leergeschäfte und sonstige kaufmännische Betrügereien damals wie heute. Von mir eine Empfehlung!

Gustav Freytag http://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Freytag

Bewertung: :stern: :stern: :stern: :stern:
BildLiebe Grüße,
Krümel



:lesen3: Klaus Mann - Mephisto
Gedankenwelten
Benutzeravatar
Krümel
Chefkrümel
Chefkrümel
 
Beiträge: 13522
Registriert: 18.04.2006, 23:00
Wohnort: Ostfriesland

von Anzeige » 15.05.2010, 12:30

Anzeige
 


Ähnliche Beiträge


TAGS

Zurück zu Weltliteratur/Klassiker

Wer ist online?

0 Mitglieder

cron