von Voltaire » 25.09.2007, 14:03
Der Autor John Boyne wurde 1971 in Dublin, Irland, geboren. Dort lebt er auch heute noch. Er studierte Englische Literatur und Kreatives Schreiben in Dublin und in Norwich.
Auf der Titelseite wird das Buch als „Eine Fabel“ klassifiziert. Laut Wikepedia versteht man unter einer Fabel folgendes:
„Die Fabel bezeichnet eine in Vers oder Prosa verfasste kurze Erzählung mit belehrender Absicht, in der vor allem Tiere, aber auch Pflanzen und andere Dinge oder fabelhafte Mischwesen, menschliche Eigenschaften besitzen (Personifikation) und handeln (Bildebene).“
Wenn dieses Buch eines sicher nicht ist, dann ist es eine Fabel.
Es handelt von dem neunjährigen Bruno, der mit seiner Familie von Berlin nach „Aus-wisch“ umzieht, weil sein Vater dort seinen „Arbeitsplatz“ hat und der „Furor“ ihn dort haben wollte. Mir ist nicht ganz klar, warum der Autor hier nicht klar von „Auschwitz“ und dem „Führer“ gesprochen hat, als ein eventueller satirischer Seitenhieb wirkt es nur peinlich und völlig deplaziert. Denn es ist klar, dass sich dieses Buch mit der Verfolgung der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger während der Zeit des Dritten Reichs beschäftigt.
Brunos Vater erinnert an Rudolf Höss, den Kommandanten von Auschwitz. Ob der hier allerdings für die Figur des Vaters von Bruno Pate gestanden hat, kann ich nicht beantworten, will es auch gar nicht.
Boyne schreibt nicht als Ich-Erzähler aus der Sicht eines Neunjährigen, er erzählt zwar über einen neunjährigen Jungen, und seine Erzählweise soll wohl dem Leser suggerieren, hier würde die Geschichte so geschildert, wie sie vielleicht ein neunjähriger Junge erzählen würde.
Da ist aber eine ganze Menge in diesem Buch schief gelaufen. Die Naivität, die einem Neunjährigen durchaus zugestanden werden muss, wirkt hier nicht authentisch sondern lediglich aufgesetzt und oberflächlich. Die Person des Bruno erreicht nicht die Tiefe, die sie hätte haben müssen, um diese Geschichte zu einem wirklich tiefen, eindrucksvollen Leseerlebnis zu machen. Man merkt, das Boyne ein Nicht-Zeitzeuge ist, er verwendet viele Klischees und nimmt seiner Geschichte so eine Menge Luft, die sie zum Atmen dringend nötig gehabt hätte. Zudem verwickelt er sich vor einem ganz konkreten Hintergrund in eklatanten Fantastereien. Das was Boyne erzählt, hätte in dieser Form ganz einfach so nicht passieren können.
Das Buch befasst sich mit einer Zeit, in der es für die betroffenen Menschen nicht einmal den Silberstreif am Horizont gab, Boyne streift dieses Grauen aber nur, vielleicht hat er Angst davor, wirklich konkret zu werden, vielleicht hat er Angst davor grausam zu sein, wo man ganz einfach grausam sein muss. Das Verschweigen, das Nichterwähnen von Dingen nutzt niemanden und schadet nur. Schonung da wo sie angebracht ist, hier war sie nicht angebracht.
Zudem ist das Thema absolut nicht geeignet für irgendwelche satirischen Seitenhiebe. Die Menschen, die zu Tode gekommen sind, taugen nicht als Bestandteil für eine Satire, ihr Tod war real und ihr Lebenswille existent.
John Boyne ist an diesem sehr sensiblen Thema gescheitert, ein Thema, dass ein paar Nummern zu groß für ihn war.
Trotzdem ein sehr lesenswertes Buch, ein Buch das ohne Frage polarisiert und über das sicher noch so manche Diskussion geführt werden wird. Die euphorischen Bewertungen des GUARDIAN „Ein kleines Wunder von einem Buch“ und des WALL STREET JOURNALS „Tief bewegend und von karger Schönheit“ wirken eher peinlich als das sie zuträfen. Das Buch ist weder ein kleines Wunder noch ist es von karger Schönheit, es ist vielleicht sogar eher als „Rohrkrepierer“ einzustufen.
Wie müssen sich jüdische Menschen fühlen wenn sie dieses Buch gelesen haben?