Taschenbuch: 96 Seiten
Verlag: Rowohlt Tb
ISBN-13: 978-3499241550
Seit über 50 Jahren sind Alice und Jules verheiratet, liebgewonnene Rituale haben sich in dieser Zeit eingeschlichen. So steht zum Beispiel Jules früh auf, bereitet das Frühstück und Alice genießt in ihrer halben Stunde noch die Wärme des Bettes. Erst wenn der Kaffeeduft bis zu ihr dringt, steht sie auf. So ist es auch an diesem von Diane Broeckhoven beschriebenen Tag, aber doch ist alles anders. Es hat geschneit und Jules sitzt bewegungslos am Fenster. Eine Weile dauert es, bis Alice realisiert, Jules ist tot. Sie ruft nun aber nicht nach ihrem Sohn, nach dem Notarzt oder dem Bestattungsinstitut, sie will diesen letzten Tag noch mit ihrem Mann verbringen. Es gibt Dinge, die sie nach Jahren endlich einmal aussprechen möchte, sie nimmt Abschied auf ihre Art und Weise.
Dann um zehn Uhr kommt der autistische David zum täglichen Schachspiel zu Herrn Jules. Alice hatte vor der Reaktion des Jungen ein wenig Angst, aber er reagiert anders als erwartet, sieht nur noch Herrn Jules Hülle.
Eigentlich sollte dieses knapp 100 Seiten dünne Büchlein nur eine Zwischenlektüre zwischen zwei Büchern sein, ein Lückenfüller sozusagen. Es wurde aber viel mehr. Auf diesen wenigen Seiten gelang es der Autorin den Ablauf eines Tages zu schildern. Dabei entstanden trotz des ruhigen gefühlvollen Stils von Diane Broeckhoven keine Längen. An keiner Stelle kam Rührseligkeit auf. Trotz der Thematik des Todes und des Abschiednehmens, den tiefen Gedanken und der Trauer war das Buch sehr leicht zu lesen und vor allem nachzuempfinden. Diane Broeckhoven hat wieder einmal den Beweis erbracht, um Tiefe und Emotionalität zu erzeugen bedarf es nicht vieler Seiten, sondern nur einfühlsamer, unspektakulärer und sachlicher Worte. Aber meisten beeindruckte mich, wie sie es schaffte, den Leser zum Ende des Buches nicht in Trauer, sondern recht hoffnungsvoll zurückzulassen.
Elke Heidenreich nannte Ein Tag mit Herrn Jules „ein liebenswertes Buch“, dem kann ich mich in meiner Bewertung nur anschließen.
Inzwischen ist die Fortsetzung dieses Buches unter dem Titel Eine Reise mit Alice erschienen.
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