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Eugenides, Jeffrey - Middlesex




Eugenides, Jeffrey - Middlesex

Beitragvon Pippilotta » 24.09.2006, 18:49

aus dem Klappentext:

In einem griechischen Bergdorf fängt alles an. Ein junger Mann und eine junge Frau, Bruder und Schwester, fliehen vor den Türken nach Smyrna und, als die Stadt brennt, weiter nach Amerika. Es ist das Jahr 1922. Auf dem Schiff, weit weg von allem, heiraten sie, verbringen ihre Nacht in einem Rettungsboot. In Detroit, der Stadt der Autos, lassen sie sich nieder. Jahrzehnte später, nach abenteuerlicher Reise eines Gens, entpuppt sich die Enkeltochter als Junge, und eine neue Odyssee beginnt.

Meine Meinung

Die Geschichte wird erzählt von Calliope, dem Enkelkind der damaligen Auswanderer. Neben der angesprochenen Themen (Auswanderung, Wurzelnschlagen in einem neuen Land, Arbeit finden, etc.) geht es vor allem um die inzestiösen Auswirkungen der Verbindung der beiden. Während in der ersten Generation sich keine unmittelbaren Folgen bemerkbar nachen, sind doch in der zweiten Generation (im Fall von Calliope) Auswirkungen feststellbar.

Es geht um die sexuelle Identifikation, um Hermaphroditos und Selbstfindung. Um das alte Thema genetische Veranlagung und Einflüsse der Erziehung. Es geht aber auch um Rassenunruhen, Rassendiskriminerung, Vorurteile, das Amerika in der Zeit von 1922 bis zur Jetztzeit, Generations- und Religionskonflikte und vieles mehr.

Ich breche jetzt nicht in Begeisterungsstürme aus, ich habe schon bessere Bücher gelesen. Die Thematik hat mich wohl fasziniert, viele Dinge waren mir neu und deshalb auch sehr interessant. Auch der Stil hat mir eigentlich zugesagt, die Erzählerperspektive mit zuweilen direkter Ansprache der Leserschaft. Auch die Einblendungen der Gegenwart machten das Buch interessant und man wurde neugierig auf das Ende. Der Leser wird somit über 700 Seiten an der Stange gehalten.

Das Buch weist im Mittelteil doch einige Längen auf und für mich einige durchaus entbehrliche Handlungsstränge.Kapitalismus, Marxismus, usw. Für mich persönlich sind es zu viele Themen, die gestreift werden und deshalb nur oberflächlich behandelt werden.

Ich hätte mir gewünscht, dass das Buch gerade in Bezug auf Calliopes geschlechtlicher Identifikation tiefer geht. Seine/Ihre Gefühle, die Beweggründe, Ängste und Gedanken - auch während der "Umwandlung", die ja nicht von heute auf morgen vor sich geht - bleiben im Großen und Ganzen verborgen. Überhaupt stehen diese - doch für die Story so wichtige Szenen, wie ich finde - umfangmäßig in keinem Verhältnis zu weniger wichtigen Handlungssträngen.

Ich kann es nur eingeschränkt weiterempfehlen!

:stern: :stern: :stern: ( :stern: )

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Herzliche Grüße
Pippilotta


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Re: Eugenides, Jeffrey - Middlesex

Beitragvon Katia » 08.06.2010, 18:27

Ich denke ich geh' da einen Stern höher und gebe :stern: :stern: :stern: :stern: (:stern:) und eigentlich kann ich gar nicht genau sagen, warum es kein "Fünf-Sterner" ist.

Cal als teilweise allwissende Erzählerin (oder Erzähler) hat mir ausnehmend gut gefallen, gerade auch in den "kritischen" Passagen, als ihre geschlechtliche Identität sich beginnt festzulegen - dort wird aus dem "ich" plötzlich ein "er/sie" und ich konnte spüren wie fremd Cal sich fühlt und auch nach Jahren diese Fremdheit noch nicht völlig abgelöst hat.
Eingeflochten ist noch eine kleine Liebesgeschichte, die in der Jetztzeit (2001) spielt, während der Rest des Romans die Jahre 1922 bis 1975 abdeckt. Tatsächlich sind es vielleicht eher zwei Bücher als eines: neben der Geschichte Cals, ist es die Geschichte einer griechischen Familie in Detroit, ihrer Assimilierung, über drei Generationen hinweg. Pippi schrieb schon, dass dieser Abschnitt sehr viel länger ist, als er für Cals Hintergrundgeschichte nötig gewesen wäre. Mich hat das nicht gestört, weil ich auch diesen Teil sehr gerne gelesen habe.

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