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Gavalda, Anna - Zusammen ist man weniger allein




Gavalda, Anna - Zusammen ist man weniger allein

Beitragvon Krümel » 24.08.2007, 08:50

Zusammen ist man weniger allein von Anna Gavalda

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Vier außergewöhnliche Charakteren, die man so leicht nicht mehr vergisst!

Der Roman beginnt mit der 83 jährigen Paulette, die als Witwe allein in ihrem kleinen Häuschen auf dem Lande wohnt. Ihre zunehmende Demenz macht ihr zuschaffen, denn sie kann ihren heißgeliebten Garten nicht mehr mit ihrer gewohnten Sorgfalt pflegen, und in der letzten Zeit fällt und stößt sie sich fortwährend. Die davon resultierende blauen Flecke versucht sie zu vertuschen, denn ihre größte Angst ist es, dass man sie in ein Alten bzw. Pflegeheim unterbringt. Doch dann kommt der Tag an dem sie sich einen Oberhalsschenkenbruch zulegt, und ins Krankenhaus gebracht wird.

Ihr Enkel Franck kümmert sich eigentlich rührend um sie, jedoch hat er nur den Montag Zeit für seine “Omi”. Denn er arbeitet als Koch in einem Sterne-Restaurant, und muss von Dienstags bis Sonntags, vormittags sowie ab den frühren Abend bis in die Nacht hinein arbeiten. Letztendlich kommt es dazu, dass Paulette … im Altenheim landet.

Franck wohnt bei der wohl ungewöhnlichsten Figur im Roman “Philibert” zur Untermiete. Dieser entspringt einer alten traditionellen Adelsfamilie mit Landgut, allerdings finanziell ruiniert. Seine Erziehung ist 200 Jahre verjährt, und in der Gegenwart findet sich Philibert nur schwer zurecht. Er ist ein Dichter, ein Denker und ein Träumer, doch mit seiner naiven Art wird er von den Figuren im Buch, sowie vom Leser direkt ins Herz geschlossen. Er ist der Sympathieträger des Romans.

Und dann ist da noch Camille; die von Philibert gerettet wird, und das Leben der anderen auf den Kopf stellt. Sie ist die antreibende Schlüsselfigur, die ihre Umwelt aufrührt und umwälzt, und selber das große Rätsel bleibt.

Gavaldas Stil hebt sich sprachlich stark von der gewöhnlichen Unterhaltungsliteratur ab. Sie lässt Innen und Außenwelt ineinander verschmelzen, manchmal ohne dass sie es erkenntlich macht, und erreicht dadurch, dass die Figuren plastisch wachsen.
In sehr kurzen Episoden beschreibt sie die Welten der auftretenden Personen, und erreicht so ein hohes Maß an Lebendigkeit; die Figuren leben alle sehr lebhaft und ihre individuellen “Macken” kommen dadurch stark zum Tragen.
Mir persönlich hat diese plakative Art sehr gut gefallen. Es hatte einen besonderen Reiz, denn so musste man sich einfach intensiver mit den Personen auseinander setzen. Allerdings ist die Figur Camille etwas auf der Strecke geblieben; viele hundert Seiten beschreiben ausführlich außergewöhnliche Charakteren, und die Schlüsselfigur ist dabei zu kurz gekommen. Das finde ich bedauerlich.
Ansonsten ist dies ein gelungener Roman, den ich gerne weiterempfehlen kann!

Bewertung: :stern: :stern: :stern: :stern:
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von Anzeige » 24.08.2007, 08:50

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Beitragvon Pippilotta » 29.08.2007, 18:11

Die Geschichte selber, der "Plot" sozusagen finde ich ausgesprochen interessant, die Ausgangssituation - 4 skurrile Personen mit allen Macken und Neigungen in einer WG - umwerfend! Der Aufbau des Buches, die wechselnde Perspektive, Rückblenden verwoben mit Gegenwärtigem ist ebenfalls sehr innovativ und bemerkenswert. Und dazu ein Buchcover, das ansprechend und einladend ist.

Leider scheitert das Buch an der Ausführung. Die Charaktere bleiben flach, Hintergründe werden uns vorenthalten, auf psychologische Zusammenhänge - die in diesem Buch enorm interessant wären - wird gar nicht eingegangen. Ich hätte mir gewünscht, die Person des Philibert näher kennen zu lernen, er verkümmert irgendwie zu einer Karikatur. Dazu eine sehr eigenartige Sprache - ich habe den Verdacht oder hoffe einfach nur, dass die Übersetzung einfach unglücklich gelungen ist. Stellenweise gleitet das Buch in absolut kitschigen Phrasen ab, vom Happy-End ganz zu schweigen.

Aufgrund der vielen Dialoge, der ständig wechselnden Szenen schreit es geradezu nach einer Verfilmung und ich kann mir vorstellen, dass in diesem Fall der Film ausnahmsweise besser ist als das Buch.

Mein Fall war es leider nicht, aber vielleicht entwickelt sich die Autorin noch, denn die Grundidee finde ich klasse!

:stern: :stern: :stern:
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Beitragvon tom » 01.05.2008, 09:21

Ich hatte mir das Buch für die Bahnfahrt nach Hause eingesteckt und tatsächlich auch über die Hälfte an einem Tag gelesen. Es hat mich sehr gut unterhalten, was bei DIESEM Buch wohl an erster Stelle stand. Dennoch fand ich den Ausgangspunkt auch sehr nachdenklich stimmend: Eigentlich vereinsamte Figuren, die in ihrer jeweiligen Situation isoliert dastehen, gefangen durch eine Vergangenheit... Dass sich solche Menschen finden, anfangen sih zu respektieren und miteinander auszukommen ist schon eine Hymne an den MÖGLICHEN Frieden. Ob das nun etwas zu rosig ist interessierte mich bei diesem Buch irgendwie garnicht: es passte doch!

Auf Französisch ist die Sprache sehr originell. Sie hat etwas Flapsiges, Leichtes, und es liest sich ausgesprochen gut. Hinter dieser Leichtigkeit steckt aber - wenn ich das richtig verstehe - bei Frau Gavalda eine große Arbeit.

Für Spaß beim Lesen gibt es von mir
:stern: :stern: :stern: :stern:
tom
 

Beitragvon Siebenstein » 01.05.2008, 10:09

Ich habe das Buch vor ein, zwei Jahren gelesen und mochte es sehr. Ein gutes Beispiel dafür, dass man den Kopf beim Lesen getrost mal Kopf sein lassen sollte. Mir käme bei diesem Buch nie in den Sinn mich zu fragen, was die Autorin mit diesem Buch bezweckt, welches ihre Beweggründe sind etc. Vielleicht hat sie es einfach aus einer tiefen Sehnsucht heraus geschrieben (@Tom, Dein Bild des "möglichen Friedens" gefällt mir gut :wink: ) und trifft uns deshalb mit dieser Geschichte mitten in Herz - wer weiß, wirklich wichtig ist es eigentlich nicht. Ich fand das Buch einfach nur schön und wohltuend, Balsam für die Seele eben. :wink:

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Beitragvon Krümel » 01.05.2008, 10:51

Siebenstein hat geschrieben: Mir käme bei diesem Buch nie in den Sinn mich zu fragen, was die Autorin mit diesem Buch bezweckt, welches ihre Beweggründe sind etc. Vielleicht hat sie es einfach aus einer tiefen Sehnsucht heraus geschrieben


War das jetzt gemünzt auf die Diskussion, Siebenstein?

Diese Fragen frage ich nie! Das kann doch keiner beantworten, außer der Autor selber. Ich frage wenn: Wie macht der Autor das, dass es so wirkt und rüberkommt. Ich schaue mir wenn seine technischen Mittel an. Das sind zwei ganz verschiedene Fragestellungen, man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen :idea:
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Beitragvon Siebenstein » 01.05.2008, 19:11

Krümel hat geschrieben:
War das jetzt gemünzt auf die Diskussion, Siebenstein?



Ja, mir erschien gerade dieses Buch sehr passend als Beispiel.

Ich hatte Dich schon so verstanden, dass Du auch nach den Beweggründen des Autors fragst. Ist doch völlig in Ordnung, wenn Dich das interessiert oder meinetwegen auch seine technischen Mittel. Mich interessiert das weniger, ich möchte ein Buch eher "erfühlen", mehr wollte ich gar nicht zum Ausdruck bringen. :wink:

Liebe Grüße
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Beitragvon oczitania » 01.05.2008, 20:57

@ Pippilotta
Deine Aussage betreffend Verfilmung finde ich interessant. Kürzlich habe ich mich mit einer der Bibliotheksfrauen unterhalten und ihr erklärt, dass ich einfach nicht in das Buch reinkomme.
Sie meinte, dass ihr das auch so ergangen sei, ihre Tochter habe dann geraten, den Film zu schauen. Die Bibliothekarin fand ihn so gut, dass er nun in unserer Dorfbibliothek auszuleihen ist.

Ich denke, das Buch werde ich mit in die Herbstferien nehmen. Da habe ich mehr Zeit und Musse zu lesen. Diese zweite Chance soll es haben...
oczitania
 

Re: Gavalda, Anna - Zusammen ist man weniger allein

Beitragvon Krümel » 21.02.2010, 15:30

Ich habe mir soeben die Verfilmung angeschaut, welche mir richtig gut gefallen hat. Die Amerikaner übertreiben meist alles, die Deutschen können ziemlich gut verkitschen, aber die Franzosen können richtig gute Filme machen :wink:
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Re: Gavalda, Anna - Zusammen ist man weniger allein

Beitragvon Coco » 21.02.2010, 17:35

Ja, ich habe den Film vor ein paar Wochen gesehen - das Buch kenne ich leider nicht - und er hat mir sehr gut gefallen.

Ich liebe französische Filme, neben den englischen, schaue ich sie wirklich am liebsten. Niemand sonst schafft es Atmosphäre so dicht in einen Film zu packen wie die Franzosen.
Liebe Grüsse
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Re: Gavalda, Anna - Zusammen ist man weniger allein

Beitragvon Siebenstein » 21.02.2010, 20:05

Ich fand das Buch toll, den Film dann leider etwas enttäuschend (ich gehöre aber auch zu denjenigen, die mit "Der wunderbaren Welt der Amélie" wenig anfangen konnten... :roll: ). Vor allem meine Lieblingsfigur Camille hatte ich mir beim Lesen ganz anders vorgestellt, eher wie ein zerrupftes, aus dem Nest gefallenes Vögelchen. Audrey Tatou konnte das für mich so gar nicht rüberbringen.

Liebe Grüße
Siebenstein :wink:
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Re: Gavalda, Anna - Zusammen ist man weniger allein

Beitragvon Susannah » 22.02.2010, 10:01

Krümel hat geschrieben:... aber die Franzosen können richtig gute Filme machen :wink:

Ja, das unterschreibe ich! Auch diese Verfilmung hat mir sehr gut gefallen. Aber Audrey Tautou ist ja ohnehin ein Qualitätsgarant. (Diese Dan Brown-Verfilmung mal ausgenommen, aber für die schlechte story kann sie ja nichts... :? )
Nichts ist schöner und nichts erfordert mehr Charakter als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein!
(Kurt Tucholsky)
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