Krümels-Bücherwelt ...

... ein Literaturforum der anderen Art

Hosseini, Khaled - Drachenläufer




Beitragvon Pippilotta » 20.01.2008, 15:26

Dieses Buch habe ich sehr gerne gelesen, ich konnte es kaum aus der Hand legen. Einerseits wegen der doch so fremden Kultur und Geschichte des an sich - abgesehen von den Schlagzeilen in den Nachrichten - fremden Landes, anderseits weil der Autor ein genialer Erzähler ist. Gebannt verfolgt man die problematische Beziehung des Amirs zu seinem Vater, die Hassliebe zu Hassan im Hintergrund der politischen Umwälzungen.

Insgesamt gesehen hätte ich mir gewünscht, objektiver und detaillierter über das Leben und die Gesellschaft Afghanistans zu erfahren. Ebenfalls bemängeln muss ich den doch vorhersehbaren und etwas platten Schluss, der eher einem Schinken à la Hollywood näher kommt als einem ernsthaften Abriss der afghanischen Kultur, Politik und Gesellschaft.

Aufgrund der tollen Erzählweise vergebe ich trotz schwächerem - weil zu sehr konstruierten - 2. Teil insgesamt

:stern: :stern: :stern: :stern:
Herzliche Grüße
Pippilotta


T.C. Boyle - Wenn das Schlachten vorbei ist

Life is what happens to you while you are busy making other plans (Henry Miller)
Benutzeravatar
Pippilotta
Superkrümel
Superkrümel
 
Beiträge: 4894
Registriert: 19.04.2006, 16:52
Wohnort: ... im Himmel ...

von Anzeige » 20.01.2008, 15:26

Anzeige
 

Beitragvon Monika » 17.06.2009, 10:01

Mir hat das Buch nicht besonders gefallen. Es lässt sich flüssig lesen, aber die literarische Konstruktion ist viel zu deutlich erkennbar und stark auf den amerikanischen Geschmack zugeschnitten. Es geht um eine moralische Geschichte mit den bei Amerikanern so beliebten Themen wie Schuld, Wiedergutmachung und ausgleichende Gerechtigkeit. Alles ist hier Fügung, die Geschehnisse sind bedeutungsvoll aufeinander abgestimmt und am Schluss greifen Anfang und Ende wieder schön säuberlich ineinander. Bis auf den Protagonisten und allenfalls noch seinen Vater sind alle Figuren entweder schwarz-weiß gezeichnet (der edelmütige Hassan, der fiese Assef) oder haben so gut wie gar kein Profil. Mich stört enorm, dass es mal wieder nicht ohne das Thema "Kindesmissbrauch" abgeht. Problematisch finde ich es auch, dass die Taliban durch einen Psychopathen repräsentiert werden. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, enthebt aber den Autor der Aufgabe, sich etwas genauer mit dem Talibanregime auseinanderzusetzen.

Den ersten Teil, der Amirs problematische Beziehung zu seinem Vater, seine ambivalente Freundschaft zu Hassan und seine inneren Konflikte schildert, fand ich noch am besten, danach flacht das Buch ab. Die Zeit in Amerika ist eigentlich nur ein Zwischenspiel, die Rückkehr nach Afghanistan zielt zu stark auf die dramatische Wirkung ab und ist mir teilweise zu kitschig. Über das Land selbst – ein Vielvölkerstaat mit einer charakteristischen Stammeskultur - erfährt man nicht allzu viel. Das friedliche Afghanistan des ersten Teils wird aus Sicht eines Protagonisten geschildert, der wie sein Autor zur privilegierten Klasse gehört und von den Lebensbedingungen der ärmeren Bevölkerungsschichten nicht viel mitbekam. Und auch der dritte Teil liefert kein differenzierteres Bild. Im Grunde wird nur das beschrieben, was man ohnehin schon aus dem Fernsehen kannte: Taliban, die mit einer Kalaschnikow auf dem Schoß im Auto durch die Stadt rollen, von Kopf bis Fuß vermummte Frauen, ein völlig zerstörtes Land, Hinrichtungen in Fußballstadien. Mir scheint, dass Afghanistan in diesem Roman eher den Stimmungshintergrund für eine melodramatische Geschichte abgeben soll. Ich vergebe wohlwollende :stern: :stern: :stern: .
Gruß Monika


Sigrid Damm - Ich bin nicht Ottilie
Jean-Luc Bannalec - Bretonische Verhältnisse
Jung Chang - Wilde Schwäne

Benutzeravatar
Monika
Buchstaplerin
Buchstaplerin
 
Beiträge: 831
Registriert: 19.01.2009, 10:35
Wohnort: Italien

Beitragvon Krümel » 18.06.2009, 10:00

Empfand ich ganz genauso Monika :D
BildLiebe Grüße,
Krümel



:lesen3: Klaus Mann - Mephisto
Gedankenwelten
Benutzeravatar
Krümel
Chefkrümel
Chefkrümel
 
Beiträge: 13522
Registriert: 18.04.2006, 23:00
Wohnort: Ostfriesland

Beitragvon Coco » 18.06.2009, 18:21

... ohne jetzt nachplappern zu wollen ....

Ich gebe Dir zu 100% recht - mir ging es genau so!
Liebe Grüsse
Coco

-----------

:studie:

Charlotte Bronte - Villette
Gerhard Henschel - Abenteuerroman
Benutzeravatar
Coco
Susi Sunshine
Susi Sunshine
 
Beiträge: 4718
Registriert: 04.04.2007, 07:44
Wohnort: Darmstadt

Beitragvon Nerolaan » 23.06.2009, 09:04

Was darf eine Freundschaft?

Kabul 1975: Amir und Hassan sind die besten Freunde und verbringen viel Zeit miteinander. Doch ihre Freundschaft wird immer wieder auf die Probe gestellt, denn gesellschaftlich bewegen sich die beiden auf unterschiedlichen Stufen.
Doch das stört die beiden Jungen nicht und so nehmen sie gemeinsam in einem Winter am Drachenläuferwettbewerb teil, den sie unbedingt gewinnen wollen.
Was beide aber noch nicht ahnen: dieser Tag wird ihr Leben und ihre Freundschaft für immer verändern...

Rein „technisch“ gesehen könnte ich einige Dinge an diesem Buch bemängeln, aber rein emotional gesehen kann ich nur sagen: Ich liebe dieses Buch!

Von der ersten vis zur letzten Seite konnte ich mich mit den Figuren identifizieren, mit ihnen fühlen und leiden.
Ich habe aufgeregt ihre Entwicklung verfolgt und fühlte mich bei aufkommenden Schwierigkeiten fast selbst betroffen.
Für mich war dieses Buch sehr aufwühlend und emotional, dass durch den für mich exotischen Schauplatz Afghanistan und den flüssigen und wohlüberlegten Schreibstil des Autors abgerundet wurde.

Bemängeln könnte und müsste man vielleicht auch, dass man über Afghanistan, seine Probleme und Besonderheiten, nicht viel erfährt. Das Land, seine Kultur und seine Leute dienen lediglich als Hintergrund für die eigentliche Handlung, die man mehr oder minder auch in jedes beliebige Land hätte überspielen können.
Wer also einen Roman erwartet, der einem Afghanistan näher bringt, ist hier an der falschen Stelle.

Dennoch: mein Bauchgefühl sagt mir eindeutig, dass ich ein einfach tolles Buch gelesen habe!

Daher gibt es von mir die volle Punktzahl!

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
Benutzeravatar
Nerolaan
Weltenwandlerin
Weltenwandlerin
 
Beiträge: 2975
Registriert: 08.11.2007, 18:41
Wohnort: Aachen

Vorherige


Ähnliche Beiträge


Zurück zu Belletristik/Unterhaltungsliteratur/Erzählung

Wer ist online?

0 Mitglieder

cron