Krümels-Bücherwelt ...

... ein Literaturforum der anderen Art

Gunzig, Thomas - Tod eines Zweisprachigen




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Gunzig, Thomas - Tod eines Zweisprachigen

Beitragvon Salome » 16.04.2007, 09:46

[center]Bild
[/center]
Man nehme eine Prise Krimi, ein wenig Krieg, vermengt mit gnadenloser
Gesellschaftskritik, ein Quäntchen Fiktion, einige skurrile, verschrobene, aber liebenswerte Charaktere und eine Portion feinsinnigen, subtilen Humor; und lasse all diese Zutaten von einem sehr begabten, belgischen Nachwuchsautoren zu einer ausgeklügelten, komischen, aufwühlenden Satire zubereiten.
Et voilà: Man erhält Thomas Gunzigs Roman "Tod eines Zweisprachigen"

In einem Krankenhaus erwacht ein schwer verletzter, gelähmter und stummer Mann, ein Söldner, der sein Gedächtnis verloren hat.
Nach und nach beginnt er sich an sein Leben zu erinnern.

Im Jahre 1978 herrscht in einem europäischen, nicht näher benanntem Land Krieg. Man erfährt nur, es ist ein Krieg gegen Terroristen. Der arbeitslose und perspektivlose Mann, der auch vor Gefälligkeitsmorden nicht zurückschreckt, um seinen leeren Bauch zu füllen, beginnt ein fatales Verhältnis mit Minitrip, der Frau des skrupellosen, zwielichtigen Friedens-Liebesschnulzen-Sängers Jim-Jim Slater. Nicht zufällig ähnelt Jim-Jim Slater allerdings eher einem Mafiaboss, als einem Sänger.
Das Verhängnis des Erzähler beginnt mit einem bösen Streit zwischen ihm und seiner Geliebten, bei der er in Rage ihr die Zähne einschlägt. Diese kehrt postwendend und reumütig zu dem Sänger zurück. Es dauert naturgemäß nicht lange bis der Erzähler von Jim-Jim Slaters Männern in dessen Wohnung gebracht wird. Der Sänger bietet ihm an, ihn am Leben zu lassen, wenn er einen Auftragsmord für ihn ausführt. Er soll die ungeliebte Konkurrentin Friedenstäubchen Caroline Lemonseed umbringen, denn diese verdrängt den immer erfolgloseren Sänger vom Markt. Aus Mangel an Alternativen nimmt der Erzähler an. Er wird in die Elitetruppe eingeschleust, die sich während einer Fronttournee der Lemonseeds um deren Sicherheit kümmern soll.

Der Krieg in Thomas Gunzigs Roman ist ein reines Medienspektakel geworden, er wird live im Fernsehen übertragen. Teilweise sind mehr Kameraleute und Techniker am Werke, als Soldaten im Einsatz. Auf den Uniformen prangt ein Logo des Sponsors "Kellogs" und "Snikers", die Soldaten werden kameragerecht geschminkt und die Einsätze teils in Szene gesetzte Gaukeleien, teils von den Medien einschaltquotenträchtig uminterpretiert und /oder ausgeschlachtet.

Gunzigs Roman überrascht, ja er überwältigt förmlich mit seiner subtilen Brillianz und seiner filigranen Sezierung unserer gesellschaftlichen Strukturen.
Teils ist die Geschichte sehr schockierend und dennoch, oder gerade deshalb, eine grandiose Satire und für mich ein weiteres Highlight in diesem Jahr! Toll!


Thomas Gunzig: Tod eines Zweisprachigen
Original:Mort d´un parfait bilingue
Roman. Aus dem Französischen von Ina Kronenberger
Dtv Premium. 218 Seiten
Salome
 

von Anzeige » 16.04.2007, 09:46

Anzeige
 

Beitragvon schnecke » 16.04.2007, 11:15

Deine Rezension macht Lust auf dieses Buch, abgesehen davon, dass ich zu dtv sowieso großes Vertrauen hege.
Ganz interessant finde ich auch, dass beide Amazon - Kritiken bis jetzt so unterschiedlich ausgefallen sind. Das wirbt auf ganz eigene Weise.
schnecke
 

Beitragvon Salome » 16.04.2007, 15:03

@ schnecke: Schön, dass Dich das Buch interessiert! :D

Besonders das angeführte Argument in der negativen Rezension, dass die Übersetzung so schlecht sein soll, kann ich nicht nachvollziehen.
Ist der Satz :"Sie werden hier noch ein paar Tage bleiben, bis sie wieder auf die Füße kommen, diese können Sie nutzen, um all Ihre Fragen zu stellen." wirklich unverständlich :?:
Der Erzähler kann nach langer Zeit wieder reden, viel ist passiert. Er soll aus medizinischer Sicht aber noch im Krankenhaus bleiben und die Zeit dafür nutzen die angehäuften Fragen zu stellen...
Salome
 

Beitragvon Coco » 16.04.2007, 20:48

Ach herrje - wann soll ich nur all die Bücher lesen, die ich durch Euch kennenlerne ???

Salome, Deine Rezi klingt als wäre dieses Buch sehr humorig, am liebsten würde ich gleich loslaufen und es besorgen ..... aber ich kann doch nicht ständig neue Bücher kaufen .... ach herrje, was soll ich nur tun ??????

Coco
Liebe Grüsse
Coco

-----------

:studie:

Charlotte Bronte - Villette
Gerhard Henschel - Abenteuerroman
Benutzeravatar
Coco
Susi Sunshine
Susi Sunshine
 
Beiträge: 4718
Registriert: 04.04.2007, 07:44
Wohnort: Darmstadt

Beitragvon Salome » 17.04.2007, 05:55

@ coco: Wie gut ich das kenne! :wink:
Ich habe inzwischen mehr ungelesene Bücher, als gelesene... :roll:
Salome
 



Ähnliche Beiträge


Zurück zu Zeitgenössische-Literatur

Wer ist online?

0 Mitglieder

cron