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Pirandello, Luigi - Mattia Pascal




Pirandello, Luigi - Mattia Pascal

Beitragvon Katia » 13.02.2008, 21:58

[center]Luigi Pirandello - Mattia Pascal
(OT: Il fu Mattia Pascal)[/center]


Luigi Pirandello, Sizilianer, Nobelpreisträger 1934, bekannter Dramatiker schrieb mit "Mattia Pascal" einen Entwicklungsroman der besonderen Art. Der Originaltitel verrät es ein wenig: "Il fu" heißt "der verblichene". Die Hauptperson ein Toter? Ja und nein:
Mattia, aufgewachsen in vermögenden Verhältnissen, durch Misswirftschaft des Verwalters arm geworden, in einer unglücklich Ehe steckend ergreift die Flucht: weg aus dem heimatlichen sizilianischen Dörfchen, nach Monte Carlo, wo er eine Menge Geld gewinnt. Wieder auf dem Nachhauseweg fällt ihm eine Zeitung mit einem Bericht über einen Selbstmord in die Hand: seinem eigenen. Und er entscheidet sich diesen fatalen Fehler auszunutzen; ein neues Leben auf Wanderschaft zu beginnen, ohne Geldsorgen, ohne die Frau und die verhasste Schwiegermutter.
Doch schon bald muss er feststellen, dass ein Dasein als lebender Toter gar nicht so einfach ist, auch in Italien gibt es eine Meldepflicht und in Rom, wo er schließlich lebt, sich verliebt, diskutiert, nachdenkt, an Seancen teilnimmt, überwältigt ihn dieses Gefühl irgendwann. Er will zurück in sein Leben, wieder Mattia Pascal sein! Zurück auf Sizilien warten nicht nur auf seine Familie, die ihn tot glaubt, eine Überraschung, sondern auch auf Mattia.

Ich hatte diesen Roman als "Nachlektüre" für meine Sizilienaufenthalt letztes Jahr gekauft. Dafür taugt er überhaupt nicht - lieber "Il Gattopardo" lesen ;-), er spielt nicht auf Sizilien, da ist der Klappentext einfach falsch.
Nicht Pirandellos Fehler und ich bin auch in keiner Weise enttäuscht, dass diese Erwartung nicht eintraf. Belohnt wurde ich stattdessen mit einem intelligenten Roman mit einer ungewöhnlichen Handlung. Ein Roman, der sich mit Fragen der Identität, gesellschaftlichen Konventionen und philosophischen Fragestellungen beschäftigt. Nachdenklich-Besinnliches wechselt sich mit komischen Szenen ab, bedingt auch durch einige Charakterköpfe wie dem theosophischen Vermieter Anselmo, der "klassischen" Schwiegermutter und Tante Scholastica, die immer durchgreift, wenn nötig.

Den Dramatiker spürt man hinter der etwas episodenhaften Erzählweise, was mir es manchmal etwas schwer macht "am Ball zu bleiben". Um ein Fazit zu ziehen: eine lohnende, nachdenklich-stimmende Lektüre mit italienischem Temperament!

:stern: :stern: :stern: :stern: (:stern:)


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Katia
Zuletzt geändert von Katia am 14.02.2008, 19:29, insgesamt 1-mal geändert.
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von Anzeige » 13.02.2008, 21:58

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Beitragvon alwin03 » 14.02.2008, 08:04

Danke @Katia für die Rezi, dass Buch hat sich ganz heimlich auf meinen Amazon-Wunschzettel geschummelt :wink:

Find den Inhalt der Geschichte sehr interessant und daraus lässt sich sicher was schönes "spinnen"

Danke :!:
Ich lese zur Zeit:

--------------------------------------- ???


wENN nUr meinE sCHleChte recht(s)SchreIbunG nICHT wÄr :cry:
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Beitragvon alixe » 22.01.2009, 18:04

Sein drittes Leben verbringt Mattia Pascal in einer entweihten Kirche und er soll hier alte und verrottete Bücher ordnen und bewachen, Bücher die genau wie Mattia Pascal niemanden interessieren. Mattia Pascal wird vom Kustos der Bibliothek gebeten die Geschichte seiner zwei vorherigen Leben niederzuschreiben, doch Mattia Pascal meint:

„Die Zeit scheint mir nicht mehr danach, Bücher zu schreiben, nicht einmal zum Spaß. Ich muss, auch was die Literatur betrifft, das gleiche sagen, was ich über alles andere zu sagen pflege: Verflucht sei Kopernikus.“

Mit humorvollen philosophischen Überlegungen stellt Mattia Pascal den Sinn des Lebens so wie die Bedeutung des Einzelnen für die Weltgeschichte in Frage, bevor er seine eigentliche Geschichte erzählt…

Mattia Pascal, ein um sein Reichtum gebrachter Sizilianer, in einer tristen Ehe gefangen und den Bösartigkeiten seiner Schwiegermutter ausgeliefert, flieht bis nach Monte Carlo und kommt im Casino zum Reichtum. Voller Gewissensbisse tritt er die Rückreise zur verhassten Familie zurück, doch unterwegs stößt er zufällig auf eine Anzeige, die seinen Tod verkündet. Nach der ersten Erschütterung sieht er diesen Irrtum als die große Chance ein neues Leben unter einer neuen Identität zu beginnen, als freier Mensch mit erdichteter Vergangenheit… Doch so einfach, wie Mattia Pascal zu Adriano Reis wird, ist das neue Leben mit der neuen Identität keineswegs…

„Identität“ ist zweifelsohne das Hauptmotiv dieses Romans und reich an Humor und abstrusen Ereignissen, fern der derzeitigen, egozentrisch geprägten Thematisierung
.
Geistreich wird auch das Thema "Freiheit" behandelt. Mattia Pascal wird so frei, wie selten ein Mensch es werden kann und bevor er diese vollkommene Unabhängigkeit genießen kann, wird er sich auch prompt den unüberwindbaren Barrieren, welche diese neue Freiheit ihm eigentlich öffnen sollte, bewusst.

Ein durchaus gelungener Roman, das Ende zieht sich etwas, doch Pirandellos oft überraschende Wendungen und Überlegungen heben diese Schwäche auf.

herzlichst: alixe
Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand. (Erasmus von Rotterdam)


gerade am Lesen: Thomas Wolfe - Schau heimwärts, Engel!
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