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Pears, Tim - Land der Fülle

07.10.2008, 17:32

In der englischen Stadt Northtown übernimmt der junge, ehrgeizige Charles Freeman die Fabrik seiner Eltern. Er hat eine gute Hand bei der Führung seines Unternehmens, er trifft zur rechten Zeit die richtigen Entscheidungen und hat aus der kleinen Metallfabrik schnell ein florierendes Unternehmen gemacht. Er kauft ein großes Haus und heiratet Mary, mit der er im Laufe der Jahre vier Kinder bekommt. Aber die Familie ist nicht so glücklich, wie es scheint. Mary leidet an Depressionen, Charles herrscht über die Seinen. Die Kinder suchen ihre Nischen und versuchen später alles, um den vom Vater auferlegten Zwängen zu entkommen. Über 40 Jahre konnte ich die Freeman’s begleiten. Von 1952 an lernte ich schließlich drei Generationen dieser Familie kennen.

Tim Pears schrieb eine Familiengeschichte, aber was für eine. Diese hebt sich deutlich von den unzähligen anderen Veröffentlichungen ab. Sie ist wohl die beste, die ich bisher las.

Pears hat seinen Protagonisten nicht nur einen fein gezeichneten Charakter gegeben, er gab ihnen auch ein Gesicht. Manchmal hatte ich das Gefühl den ziehenden Schritt von James, auf dem der eigentliche Fokus der Handlung liegt, zu hören. Alle Personen hatten ihre guten und schlechten Seiten, waren mal mehr und mal weniger sympathisch. Aber ich konnte mit ihnen fühlen und ihre Empfindungen teilen.

Es wird aber nicht nur eine Familiengeschichte erzählt, der Autor zeigt mit viel Liebe fürs Detail, dass alle Kinder ihrer Zeit sind. Das gelingt ihm unter anderem mit Verweisen auf damals aktuelle Musiktitel und in den Kinos laufenden Filmen. Er berichtet aber auch von der Hippiezeit, der Emanzipationsbewegung und der politischen und wirtschaftlichen Umgestaltung des Landes unter Margaret Thatcher. So entsteht gleichzeitig ein Zeit- und Sittenbild Englands in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. All das wird von Tim Pears in einer äußerst angenehmen Sprache präsentiert, die mich an das Buch fesselte. Er ist ein großartiger Erzähler. So wechseln sich nachdenklich machende Momente mit witzigen ab, bizarre mit Augenblicken der Normalität.

Mein Fazit: „Land der Fülle“ ist für mich ein einzigartiges Buch, geschrieben von einem einzigartigen Erzähler. Tim Pears hat mir nicht nur ein Fenster zur Welt der Freeman’s geöffnet, sondern eine große Tür. Ich hatte das Gefühl dazuzugehören und konnte gleichzeitig in eigenen Erinnerungen schwelgen. Dieses Buch wird von mir uneingeschränkt empfohlen. Ich wünsche ihm viele Leser, die ebenso begeistert sind wie ich.

Gebundene Ausgabe: 699 Seiten * Verlag: Blanvalet * ISBN-13: 978-3764500306


:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

Bild

07.10.2008, 17:32

07.10.2008, 18:31

Steht ja schon auf meiner Wunschliste :wink:

Ich nehme diese Rezi ins Blog auf okay?

07.10.2008, 18:39

@Krümel

Du kannst auch mein Buch lesen, wenn du möchtest.

Das mit dem Blog ist ok.

07.10.2008, 19:40

Karthause hat geschrieben:Du kannst auch mein Buch lesen, wenn du möchtest.


Nö, das gibt es gebunden schon für 1,60 €, da sind die Portokosten zu teuer :wink:

08.10.2008, 20:50

Was bleibt mir bei so viel Begeisterung übrig als das Buch sofort auf meine Wunschliste zu setzen. :D
Danke, Karthause!

Liebe Grüsse
Wirbelwind

12.10.2008, 09:41

Danke für die schöne Rezension! Du hast mir richtig Lust gemacht, "Land der Fülle" erneut zu lesen. Bei mir liegt die Lektüre schon 7 Jahre zurück und habe ihn noch in bester Erinnerung! Damals bin ich so richtig abgetaucht.

Karthause hat geschrieben:Dieses Buch wird von mir uneingeschränkt empfohlen. Ich wünsche ihm viele Leser, die ebenso begeistert sind wie ich.

:ja:

12.10.2008, 09:48

Ja, marilu, das Buch lag viel zu lange auf meinem SuB.

Re: Pears, Tim - Land der Fülle

27.09.2011, 07:42

Ich liebe Familiengeschichten die von mehreren Generationen erzählen!

Aber mit "Land der Fülle" bin ich irgendwie nicht so richtig warm geworden. Das lag weniger an den einzelnen Personen dieser Familie als darin, wie mir von ihnen erzählt wurde. Letztendlich blieben sie flach, die Charktere wurden alle angerissen, aber nicht zu Ende gezeichnet. Gerade James, der Haupt-Protagonist, blieb mir sehr fremd. Es wurde viel über ihn erzählt, aber es war mir unmöglich, in seine Gefühlswelt einzutauchen. Noch stärker fiel es mir bei seinem Vater, Charles, auf. Der Starke, der Berg von einem Mann, der ein ganzes Imperium schafft, heiratet, Kinder bekommt und am Ende alles wieder verliert - zu keiner Zeit kam ich diesem Mann nahe.

Zudem störte mich der ständige, abrupte Szenenwechsel, der leider immer dann kam, wenn man einer Person näher kam.

Schade, daher nur:

:stern: :stern: :stern: / :stern: :stern: :stern: :stern:

Re: Pears, Tim - Land der Fülle

27.09.2011, 08:01

Immer wieder finde ich es erstaunlich, wie unterschiedlich verschiedene Leser ein Buch empfinden. Ich habe dieses Buch immer noch sehr gut in Erinnerung und auch James ist mir noch sehr nah, wenn ich bedenke, wann ich dieses Buch gelesen habe. Schade, dass es dir nicht so gefallen hat Coco. :-(
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