Amerika im Jahr 2007. Owen Brick erwacht in einem dunklen Erdloch. Wie er dort hineingeraten ist, weiß er nicht mehr. Der ihn befreiende Uniformierte erteilt ihm den Auftrag, in die nächste Stadt zu gehen und jenen Mann zu erschießen, der den momentan tobenden amerikanischen Bürgerkrieg verursacht hat. Owen Brick sieht sich in einem Amerika, das er nicht kennt. Es gab kein 9/11, es gibt keinen Irak-Krieg. Stattdessen herrscht innerhalb der Staaten ein zermürbender Bürgerkrieg. Und jener Mann, der als Urheber dieses Bürgerkriegs bezeichnet wird, ist niemand anderer als der Schriftsteller August Brill, der in seinen schlaflosen Nächten die Figur des Owen Brick und die Geschichte jenes utopischen Amerikas erfunden hat. Der Kreis schließt sich, Fiktion und Realität verweben sich immer mehr. August Brill ist 72, verwitweter Literaturkritiker, lebt mit seiner Tochter Miriam und seiner Enkelin Katya im Haus seiner Tochter. Seit seinem Autounfall sitzt er im Rollstuhl bzw. ist er ans Bett gefesselt. Seine Frau Sonia starb vor einigen Jahren an Krebs, seine Tochter wurde nach vielen Jahren Ehe von ihrem Mann Richard verlassen, Katyas Lebensgefährte Titus ist verstorben. Auf welche (grausame) Art, erfährt man am Ende des Buches. Alle drei haben Schicksalsschläge zu verarbeiten, Fehltritte zu bereuen und Verluste zu beklagen, jeder der drei macht dies auf seine eigene Art. Während August in seinen schlaflosen Nächten Geschichten wie die obige erfindet, (um die Gedanken an die Vergangenheit zu vertreiben), zieht sich seine Enkeltochter einen Film nach dem anderen rein (um in ihrem Kopf herumgeisternde Bilder zu übertünchen) und investiert seine Tochter ihre ganze Aufmerksamkeit in das Schreiben einer Biografie über die Frau von Nathaniel Hawthorne (um zu beweisen, dass man auch im Alter seinem Leben noch Sinn geben kann).
Man kann zu den „alten Herren“ Amerikas (ich denke da an Roth, Auster, Updike, Irving, etc.) stehen wie man will: Ihr Handwerk verstehen sie! Genial, wie die Parallelwelten ineinanderfließen, wie sich reale Personen in der von August Brill erfundenen Geschichte wiederfinden, die Vergangenheit und die momentane Situation bewältigt werden und zugleich Kritik an Amerikas Innen- u. Außenpolitik geübt wird. Berührend die Beziehung zu seiner Tochter und seiner Enkelin, die ebenfalls große Verluste zu bewältigen haben und auf ihre Art versuchen, damit fertig zu werden. Das Lesen dieses Buches gleicht einer Achterbahnfahrt der Gefühle, hin- und hergerissen zwischen todtraurig, hoffnungsvoll-tröstend, unheimlich liebevoll, bewegend und dann wieder grausam-schockierend, erzählt mit einer unfassbaren Leichtigkeit. Ein Buch, das mich tief berührt und bewegt hat, ein geniales Buch.