Krümels-Bücherwelt ...

... ein Literaturforum der anderen Art

Glavinic, Thomas - Die Arbeit der Nacht




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Glavinic, Thomas - Die Arbeit der Nacht

Beitragvon Pippilotta » 03.08.2006, 06:42

Ein Artikel in der heutigen Tageszeitung machte mich auf Thomas Glavinic aufmerksam. Sein neuer Roman "Die Arbeit der Nacht" erscheint in wenigen Tagen.
Thomas Glavinic wird als äußerst vielversprechender Jungautor beschrieben und in einem Atemzug mit Daniel Kehlmann und Arno Geiger genannt.

amazon.de schreibt über das Buch:

Jonas ist allein. Zuerst ist es nur eine kleine Irritation, als die Zeitung nicht vor der Tür liegt und Fernseher und Radio nur Rauschen von sich geben. Dann jedoch wird Jonas klar, dass seine Stadt, Wien, menschenleer ist. Ist er der einzige Überlebende einer Katastrophe? Sind die Menschen geflüchtet? Wenn ja, wovor? Jonas beginnt zu suchen. Er durchstreift die Stadt, die Läden, die Wohnungen und bricht schließlich mit einem Truck auf, um nach Spuren der Menschen suchen. Mit wachsender Spannung erzählt Thomas Glavinic davon, was Menschsein heißt, wenn es keine Menschen mehr gibt.

Bei Amazon gibt es auch eine Leseprobe.

Bild
Herzliche Grüße
Pippilotta


T.C. Boyle - Wenn das Schlachten vorbei ist

Life is what happens to you while you are busy making other plans (Henry Miller)
Benutzeravatar
Pippilotta
Superkrümel
Superkrümel
 
Beiträge: 4894
Registriert: 19.04.2006, 16:52
Wohnort: ... im Himmel ...

von Anzeige » 03.08.2006, 06:42

Anzeige
 

Beitragvon Pippilotta » 23.10.2006, 14:38

Kurzbeschreibung von amazon.de

Jonas ist allein. Zuerst ist es nur eine kleine Irritation, als die Zeitung nicht vor der Tür liegt und Fernseher und Radio nur Rauschen von sich geben. Dann jedoch wird Jonas klar, dass seine Stadt, Wien, menschenleer ist. Ist er der einzige Überlebende einer Katastrophe? Sind die Menschen geflüchtet? Wenn ja, wovor? Jonas beginnt zu suchen. Er durchstreift die Stadt, die Läden, die Wohnungen und bricht schließlich mit einem Truck auf, um nach Spuren der Menschen suchen. Mit wachsender Spannung erzählt Thomas Glavinic davon, was Menschsein heißt, wenn es keine Menschen mehr gibt.

Meine Meinung

Ich bin mit sehr großen Erwartungen an dieses Buch herangegangen, vielleicht mit zu großen. Thomas Glavinic wird momentan als großer österreichischer Nachwuchsschriftsteller gefeiert und dementsprechend befindet sich dieses Buch momentan in aller Munde bzw. auf den Bestsellerlisten.

Meinen Erwartungen wurde nicht entsprochen.

Würde ich in der Früh aufwachen und feststellen, dass niemand - absolut niemand, kein Mensch und kein Tier – anwesend wäre, ich vollkommen alleine wäre, würde ich diesen Zustand anfangs wohl einmal genießen. Wien für mich alleine, ganz Österreich für mich alleine zu haben, ohne Stau, ohne Verkehr, ohne Lärm, das wäre schon verlockend!
Nicht aber der Protagonist dieses Buches. Ab dem Zeitpunkt geht er nur mehr bewaffnet aus der Wohnung, leidet unter Verfolgungswahn und hat das dringende Bedürfnis, Stätten seiner Kindheit aufzusuchen.
Langsam aber sicher entwickelt er eine Paranoia, glaubt, Geräusche zu hören und Schatten zu sehen. Er beginnt, die leeren Straßen zu filmen, stellt überall in ganz Wien (und später in ganz Europa) Kameras auf und filmt sich selber im Schlaf.

Leider wiederholen sich auf den 400 Seiten immer wieder dieses Handlungsstränge. Er filmt sich und die Welt, er fährt durch Österreich (später durch Europa), besucht fremde Wohnungen und Geschäfte. Die Spannung und das flaue Gefühl, das zu Beginn aufgebaut wir, können leider nicht gehalten werden, und so wird das Buch ab der Hälfte eigentlich nur mehr langweilig.
Die in den Rezensionen bei Amazon erwähnte Unlogik mancher Dinge (von einem Moment auf den anderen verschwinden alle Menschen und Tiere ohne dass ein Chaos hinterlassen wird, manche Geschäfte sind geöffnet, manche geschlossen, Strom- und Elektrizität funktionieren einwandfrei, etc) hat mich eigentlich nicht so gestört.
Auch mit dem Schluss bin ich nicht zufrieden, es gibt keine Auflösung der Situation, auch keine Erklärung


Wie schon erwähnt kann ich die Begeisterung, die um dieses Buch herrscht, nicht teilen.

:stern: :stern: ( :stern: )

Bild
Herzliche Grüße
Pippilotta


T.C. Boyle - Wenn das Schlachten vorbei ist

Life is what happens to you while you are busy making other plans (Henry Miller)
Benutzeravatar
Pippilotta
Superkrümel
Superkrümel
 
Beiträge: 4894
Registriert: 19.04.2006, 16:52
Wohnort: ... im Himmel ...

Beitragvon schnecke » 10.04.2007, 09:05

Ich bin fertig und ziemlich gespalten, was dieses Buch betrifft.

Das Szenario habe ich als gegeben hingenommen: außer Jonas, dem Protagonisten, ist kein lautgebendes Lebewesen auf Erden mehr da. Pflanzen scheinen aber weiter zu wachsen, also die Natur lebt, und somit hätte der Müll überall bald mal furchtbar zu stinken beginnen müssen. Aber darum gehts ja nicht, es stellt sich die Frage: wie ist das, komplett allein auf Erden aber trotzdem auf unsere momentane Zivilisation konditioniert zu sein?

Das war anfangs ein interessantes Gedankenspiel für mich, und vieles hätte ich ganz anders angegangen als er, andererseits weiß man natürlich nicht, wie man es dann wirklich aushalten würde, und Glavinics Ansatz, den Abstieg in den Wahnsinn zu beschreiben, ist ein glaubwürdiger Weg.
Trotzdem leider ein fad beschriebener, das letzte Drittel des Buches war schwer zu lesen, weil sich eben das Zwanghafte immer mehr ausgebreitet hat und immer monotoner wurde.

Das Ende interpretiere ich so (schad, dass es hier keine Spoilerfunktion gibt)
Er hat sich umgebracht, um Marie wenigstens so näher zu kommen.
Eigentlich eh folgerichtig, aber nicht mehr spannend.


Alles in allem: das Buch hat mich beunruhigt, nachdenklich gemacht aber trotzdem gelangeweilt. Meine Empfehlung wäre: lieber ausborgen als kaufen.
schnecke
 

Re: Glavinic, Thomas - Die Arbeit der Nacht

Beitragvon chip » 26.08.2011, 14:15

Jonas wacht morgens auf und stellt fest, dass er alleine ist. Kein Lebewesen auf Erden, außer ihn. Die unheimliche Stille führt zu Paranoia. Er kommt auf den Gedanken, sich nachts zu filmen und ertappt sich hierbei als aktiver Schlafwandler. Klingt spannend? Nicht aus Glavinics Feder. Selten hab ich mich so gelangweilt wie mit diesem Buch. Dabei störten mich weder die Ungereimtheiten noch der Stillstand der Story, sondern der nichtssagende, nutzlos aufgeblähte Erzählstil. Jede Handlung wird hier niedergeschrieben, lesbar wie die Zubereitungsanleitung auf der Pizzaschachtel.
Wie fühlt sich ein Mensch, der einsam auf der Welt ist? Wie geht man mit der Sonderstellung um? Wo liegt der Sinn des Lebens, wenn keine Handlung weder für Dritte von Nutzen ist noch von Dritten wahrgenommen wird? Was macht ein Leben in Isolation lebenswert? Das Buch hätte einen philosophischen Diskurs darstellen können, aber die Hauptfigur denkt nicht, sie erinnert sich gelegentlich zurück an die Kindheit, wird quasi selbst zum Kind. Er wird nicht einmal deprimiert, hat alle Hände voll zu tun, indem er Kameras in den Straßen Wiens aufstellt. Aber nie wird aufgeklärt, welche Arbeit nachts verrichtet wird, während er schläft. Keine Gedanken, keine sinnvolle Handlung, kein angenehmer Schreibstil. Welcher Grund liegt also vor, dieses Buch geschrieben zu haben? Und vor allem, welcher Grund besteht, es zu lesen? Ich mach es wie der Autor und bleib ohne Antwort.
:stern:
chip
Ehrendoktor
Ehrendoktor
 
Beiträge: 868
Registriert: 16.10.2008, 08:45

Re: Glavinic, Thomas - Die Arbeit der Nacht

Beitragvon Pippilotta » 26.08.2011, 20:47

Sehr gut beschrieben, chip! Ein absolut nichtssagendes, unnötiges Buch, dabei wäre die Grundidee ja wirklich keine schlechte! Inzwischen hab ich aber "Der Kameramörder" von Glavinic gelesen, und das fand ich sehr originell. So ganz abgeschrieben habe ich Glavinic noch nicht.
Herzliche Grüße
Pippilotta


T.C. Boyle - Wenn das Schlachten vorbei ist

Life is what happens to you while you are busy making other plans (Henry Miller)
Benutzeravatar
Pippilotta
Superkrümel
Superkrümel
 
Beiträge: 4894
Registriert: 19.04.2006, 16:52
Wohnort: ... im Himmel ...

Re: Glavinic, Thomas - Die Arbeit der Nacht

Beitragvon chip » 28.08.2011, 04:35

Die Idee ist klasse, eine radikale Straffung hätte der Geschichte gut getan. Die ersten 20 Seiten, die letzten 20 Seiten und ein paar Sätze aus der Mitte in eine Erzählung gepackt und es hätte ein interessantes nachdenkliches Fragment werden können. Bei 400 Seiten aber erwarte ich mehr.
Hmmm, da muss mich aber wirklich jemand zu überzeugen wissen, bevor ich noch einmal was von ihm lese. :D
chip
Ehrendoktor
Ehrendoktor
 
Beiträge: 868
Registriert: 16.10.2008, 08:45



Ähnliche Beiträge


Zurück zu Zeitgenössische-Literatur

Wer ist online?

0 Mitglieder

cron