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Akhtar, Ayad - Himmelssucher




Akhtar, Ayad - Himmelssucher

Beitragvon Karthause » 09.01.2013, 19:46

Milwaukee, Ende der 1970er Jahre. Ayad Akhtar erzählt die Geschichte des 10-jährigen Hayat, Sohn pakistanischer Einwanderer. Die Eltern haben sich äußerlich weitgehend dem amerikanischen Lebensstil angepasst. Nach der Flucht Minas, der Jugendfreundin der Mutter, fand sie im Haus von Hayats Eltern ein Heim. Schnell entwickelt sich zwischen ihr und dem 10-Jährigen eine enge Beziehung. Mina bringt ihm den Islam nahe. Er will begreifen und wird dadurch in den Zwiespalt zwischen den Regeln des Korans und dem Leben seiner Eltern gezogen. Als Mina sich dann noch in den Juden Nathan Wolfsohn verliebt, gerät Hayats Welt aus den Fugen.

Nach dem Tod seiner Tante Mina, Hayat ist längst ein reifer, erwachsener Mann, erzählt er rückblickend seine Geschichte. Dabei schildert er die Geschehnisse immer aus der Sicht eines 10-jährigen Jungen. Eine Wertung durch den erwachsenen Hayat habe ich ein wenig vermisst. Die Konflikte, in die der Junge geriet, waren die eines Kindes, dem ein echtes Zugehörigkeitsgefühl fehlt. Die Eltern lebten ihr (amerikanisches) Leben, Mina unterwies ihn im Koran. Er war hin- und hergerissen und wusste nicht mehr, was und wem er glauben sollte. Somit ist der im Klappentext beschriebene Verrat eher die Folge der inneren Zerrissenheit des Jungen und keine vorsätzliche Tat. Zwar spielt eine gewisse Eifersucht auch eine Rolle, aber die Folgen seines Handelns konnte Hayat noch nicht abwägen. Er wurde von ihnen förmlich überrollt. Hayat ist in einem gewissen Sinne Sympathieträger, wenn auch kein strahlender Held. Er hat einen groben Fehler begangen, der ihm zeitlebens nachhängt.
Mit dieser Romanhandlung hat der Autor grundlegende religiöse Bezüge verknüpft. Er gibt einen Einblick in das religiöse Leben der pakistanischen Einwandererfamilie und spannt den Bogen vom Islam hin zum Judentum und Christentum. Dieser Roman wird sicher die Gemüter ob des großen Raums, der religiösen Fragen eingeräumt wird, spalten. Immer wieder werden Suren aus dem Koran zitiert. Dabei ist der Autor keineswegs unkritisch, er glorifiziert nicht. Ich hätte mir an dieser Stelle jedoch ein wenig mehr Tiefgang gewünscht. Durch die Erklärungen Minas versucht der Autor zwar die Sicht eines Erwachsenen zu verdeutlichen, kommt dabei über das Niveau eines guten Jugendbuches nicht hinaus und das meine ich keineswegs despektierlich.
Sehr gut und eindringlich beschrieb er die Situation der Frau im Islam. Er thematisiert die Anwendung von Gewalt gegenüber Frauen und bezieht dazu Stellung.
Schaut man in die Biografie des Autors, von der der Verlag nur sehr wenig preisgibt, kann man schon einige Parallelen zum Protagonisten erkennen. Ayad Akhtar weiß, wie sich ein Einwandererkind fühlt, dass in einer neuen Kultur Fuß fassen muss und hat dies auch hervorragend in seinem Roman zum Tragen gebracht.
Für mich öffnete sich mit diesem Buch wieder einmal ein Fenster in eine mir nicht so vertraute Welt. Allerdings halte ich Vergleiche zu Husseinis „Drachenläufer“, wie es sie auf dem Umschlagtext zu lesen gibt, für zu weit hergeholt. Jeder Roman sollte für sich gesehen und gelesen werden.
Mir hat dieser Roman gut, aber nicht sehr gut, gefallen. Er hat mich auf der emotionalen Ebene nicht so angesprochen, wie ich es von einem sehr guten Roman erwarte. Er war aber flüssig zu lesen, vermittelte einiges an Informationen für mich und wird mir in Erinnerung bleiben. Auf weitere Werke des Autors warte ich gespannt.

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