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Banville, John - Die See




Banville, John - Die See

Beitragvon Pippilotta » 30.01.2008, 20:02

Der Kunsthistoriker Max Morden kehrt an jenen Ort zurück, mit dem er aufregende und unbeschwerte, tiefschürfende und sehr prägende Erinnerungen verbindet: das Haus am Meer.
Er hat erst vor kurzem seine geliebte Frau Anne nach einem Jahr des Kampfes gegen den Krebs verloren. Um die Trauer zu bewältigen, den unendlichen Verlust zu verarbeiten ruft er Kindheitserinnerungen wach, in denen vor allem die etwas unkonventionelle Familie Grace eine große Rolle spielt. Doch mit dieser Reise in die Vergangenheit werden auch alte Wunden aufgerissen.

Herausragend – weil unbeschreiblich kunstvoll, ergreifend und wortgewaltig – ist der Stil dieser Erzählung. Banville jongliert mit verschiedenen Zeitebenen, lässt detailreiche Beschreibungen und kurze Momentaufnahmen von Landschaften, Gerüchen, Gefühlen und Personen einfließen, ohne auch nur an einer Stelle in Sentimentalitäten oder Gefühlsduseleien zu verfallen und fügt so das Lebensbild des Max Morden im Laufe der Erzählung mosaikartig zusammen. Max Morden ist keine sympathische Figur, er ist ich-bezogen, eitel und starrköpfig. Und doch bringt man Verständnis für ihn auf und begleitet ihn gerne auf seinem Weg zu einer Erkenntnis, die auf den letzten Seiten offenbart wird.
Nicht zuletzt vermitteln die wunderbaren Beschreibungen des Meeres anhand vieler Metaphern die Vergänglichkeit des Lebens, die Bedeutung von Gegenwart und Vergangenheit, das Zusammenspiel von Liebe und Leiden.

Ein ruhiges Buch, ein stimmiges Buch, ein Buch, das den Leser sehr nachdenklich zurücklässt. Äußerst empfehlenswert!

Der Ire John Banville, geb. 1945, erhielt für diese „meisterhafte Studie über Trauer und erinnerte Liebe“ (Jury) den Man Booker Prize 2006.

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:


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von Anzeige » 30.01.2008, 20:02

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Beitragvon Krümel » 30.01.2008, 22:02

Ich setze es ins Blog :D
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Beitragvon wolves » 31.01.2008, 09:24

Ich verfolge mit ganz großem Interesse eure Leserunde. Das Buch scheint ein echter Tipp zu sein. Ach wenn man nur alles lesen könnte, was einen interessiert. "Die See" ist auf meine Wunschliste gelandet.
Liebe Grüße
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Beitragvon tom » 01.02.2008, 13:52

John Banville – Die See

Spaetherbst an einer Kueste. Max Morden ist nach dem Tode seiner Frau Anna hierher gekommen und erinnert sich rueckblickend an die hier verbrachte Zeit in der Kindheit, die ihn mit der geheimnisvollen, etwas exotischen Grace-Familie in Kontakt brachte: Erfahrungen von Sehnsuechten und Neigungen, bis hin zu einem jaehen und doch auch schon das ganze Buch hindurchschimmernden dramatischen Ende. Gleichzeitig – und vielleicht sieht man erst gar nicht die Verbindung – erzaehlt er auch insbesondere das letzte Jahr mit seiner Frau, von der Unheilsverkuendigung bis zum schmerzhaften Alleinsein.

Ja, was fuer eine Schreibe dieser Mann hat! Wie er mit den Erzaehlebenen jongliert mag anfaenglich verwirrend erscheinen, und setzt sich doch nach und nach zusammen zu einem Bild, das bis zur letzten Seite ergaenzt und erweitert wird. Bliebe man bei einem Element seines Erzaehlens stehen, koennte man zu frueh laut aufschreien: Jetzt habe ich ihn! So ist dieser Max! Oder die anderen, die doch stets mehr und anders sind als dies eine Element.
Von der beschreibenden Sprache und dem Stil koennte man schon viel Beindruckendes sagen, doch da sind auch die zahlreichen Bemerkungen ueber Trauer, Distanz und Naehe, Sehnsuechte und vor allem das Erinnern, von denen man sich einige merken moechte.

Mein erster Banville. Und er ueberzeugt mich total.

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

Broschiert: 224 Seiten
Verlag: Goldmann TB (März 2008)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3442463815
ISBN-13: 978-3442463817
tom
 

Beitragvon wolves » 01.02.2008, 14:03

Heute morgen habe ich bei Amazon Marketplace zugeschlagen :D Bei dieser einheitlichen Begeisterung für dieses Buch, konnte ich einfach nicht mehr widerstehen :wink:
Liebe Grüße
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Beitragvon Salome » 03.02.2008, 12:06

John Banville wird oft die Kälte seiner Prosa vorgeworfen. Ein unglaublicher Vorwurf, den ich in keinem Fall bestätigen kann. Selten habe ich ein ehrlicheres und emotionaleres Buch gelesen. Max ist ein Mensch mit allen Schwächen, Ecken und Kanten, die ein Mensch nunmal so hat. Er ist kein Sympathieträger, kein Held. Und gerade dadurch schafft es Banville mit dieser Figur den Leser zu erreichen.
Zugegeben der Anfang des Romans ist schwierig. Banville spinnt verschiedene Handlungsstränge und verschiedene Zeitebenen erst nach und nach zu einem ganzen zusammen. Es lohnt sich aber etwas Geduld und Gehirnschmalz in die Geschichte zu investieren, denn man wird mit einem wundervollen Lesegenuss belohnt. Und ja, die Ehrlichkeit und Tiefe in diesem Roman geht bis zur Schmerzgrenze, kann einen also durchaus terrorisieren. Das ich darüber hinaus mehr als erfreut war dieses Buch gelesen zu haben kann man wohl durchhören. Klassenziel also erreicht, Herr Banville.

Die See ist ein stilles Buch, ein Buch, dass einen auch nach einiger Zeit noch beschäftigt und bewegt. Ein absolut rundes und stimmiges Werk und sprachlich herrausragend. Einen Ehrenplatz in meinem Regal ist ihm sicher.

Meine Bewertung daher :
:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
Salome
 

Beitragvon Nerolaan » 12.01.2009, 18:14

Ich knirsche gerade ein wenig mit den Zähnen: hätte ich das Buch nicht im Rahmen des SLW gelesen, würde ich wohl eher gar nichts schreiben. :oops: Aber so sollte ich ja doch wenigstens einen Kommentar abgeben...

Ich kann mich der allgemeinen Begeisterung nicht wirklich anschließen. Ich stehe dem Buch mit sehr gemischten Gefühlen gegenüber.

Auf der einen Seite habe ich das Buch alleine auf Grund des Schreibstiles sehr gerne gelesen. Díesen fand ich sehr präzise, stimmungsvoll und fast ein wenig poetisch.

Mit der eigentlichen Geschichte hingegen hatte ich so meine Probleme und ich kann leider noch nicht mal genau sagen wieso.
Banville jongliert sehr gekonnt mit den 3 verschiedenen Erzählebenen; das muss ihm erst mal jemand so gut nachmachen.
Allerdings fand ich es - auf Grund der kürze des Buch - fast zu viele Ebenen, weil doch vieles nur episodenhaft angeschnitten werden konnte. Natürlich, es reicht um einen Mann zu zeigen, der auf der Suche nach sich selbst ist und dabei eher in der Vergangenheit als in der Gegenwart sucht.
Und dennoch hatte ich an einigen Stellen das Bedürfnis mehr zu erfahren und fand die kurz beschriebenen Ereignisse dann doch eher unbefriedigend.
Unterm Strich muss ich sagen, dass mir irgendwie etwas gefehlt hat. Leider kann ich nicht genau bennen was es ist.

Ich werde allerdings doch noch mal was anderes von Banville lesen, denn irgendwas hat der Mann....

Da ich in meinen Gefühlen zu den Buch doch sehr zwiegespalten bin, verzichte ich auf eine Sternchenbewertung.
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Beitragvon Pippilotta » 12.01.2009, 18:41

@Nerolaan: ich kann deine "Zweifel" absolut nachvollziehen (auch wenn ich das Buch anders empfunden habe). Ich finde, du hast deine zwiegespaltenen Gefühle zum Buch sehr, sehr gut beschrieben. Es klingt jetzt vielleicht ein bisschen zu klischeehaft oder zu flapsig, aber vielleicht bist du einfach noch ein paar Jährchen zu jung. Ich glaube, dass man dieses Buch im "Alter" anders liest
...
sagt Pippi, die jetzt hofft, nicht falsch verstanden zu werden, die sich absolut nicht alt fühlt (und auch Salome und Tom als nicht alt bezeichnet) und auch den erhobenen besserwisserischen Zeigefinger gleich wieder einsteckt :mrgreen:
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Beitragvon Nerolaan » 12.01.2009, 20:04

Pippi, dass mag ich noch nicht mal abstreiten.
Und wie gesagt: ich fand es ja nicht schlecht, aber auch nicht gut :mrgreen:
Mal sehen, vielleicht nehm ich in mir in 3 oder 4 Jahren noch mal vor einfach nur um zu testen, ob sich mein Blick für das Ganze geändert hat.
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Beitragvon Krümel » 12.01.2009, 20:19

Das ist eben oft so, dass man mit dem Alter auch Bücher anders liest. Und ich sage immer wieder, dass sich die Jüngeren hier nicht auf den Schlips getreten fühlen müssen, weil wir Alten auch nach und nach diesen wundervollen, phatasiereichen Zugang zu Büchern abhanden kommt. :wink:
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Re: Banville, John - Die See

Beitragvon Krümel » 02.02.2011, 11:57

Den Kunsthistoriker Max Morden zieht es zurück an den Ort seiner Kindheit. Er hat jüngst seine Frau verloren, und flüchtet an die See, zu einem Leben außerhalb seiner Ehe. Der Autor berichtet von Erinnerungen, die nicht zur momentanen Situation zu passen scheinen, erst ganz zum Schluss lichtet sich da ein Geheimnis. Schon allein daran erkennt man die Zerrissenheit des Protagonisten, die sprachlich auch sehr gut herausgearbeitet wird.

Und dennoch! Das Buch wird überall gelobt und angepriesen, der Autor beherrscht auch sein Metier, aber mich hat das Geschwafel um den heißen Brei herum genervt. Dieser Bewusstseinsstrom eines Egomanen hat mich nie in seinen Bann gezogen, alle Klischees dieser Persönlichkeit besitzt Max Morden, aber eins darf man dabei nicht erwarten, dass er dem Leser den Umgang mit seiner Frau und ihrem Tod, generell seine Gefühle näher bringt. Was der Klappentext so großartig verspricht, wird nicht gehalten. Die andere Geschichte, von der berichtet wird, hat mich aus diesem Grund nie interessiert und somit auch nicht erreicht.

So fällt mein Fazit zu diesem Buch folgendermaßen aus: Künstlerisch gelungen, emotional lag es nicht auf meiner Bahn.

John Banville, 1945 geboren, gehört zu den bedeutendsten zeitgenössischen Autoren Irlands. Sein umfangreiches literarisches Werk wurde mehrfach, auch international, ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Dublin.

Bewertung: :stern: :stern: :stern: *
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