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Barbal, Maria - Wie ein Stein im Geröll




Barbal, Maria - Wie ein Stein im Geröll

Beitragvon Wirbelwind » 03.10.2008, 22:58

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Inhalt (Cover):
Conxa ist gerade dreizehn, als ihre Eltern, arme Bauern in den katalanischen Pyrenäen, sie zu einer kinderlosen Tante bringen. An Arbeit mangelt es nicht, und für Gefühle kennt die Tante keine Worte, aber das Mädchen ist zumindest versorgt. Als sie einige Jahre später ihre große Liebe Jaume heiratet, erlebt Conxa sogar ein bescheidenes Glück. Doch der hereinbrechende Bürgerkrieg macht auch vor dem abgelegensten Gebirgsdorf nicht Halt - und verändert Conxas Leben für immer.

Autorin:
Maria Barbal , 1949 in Tremp (Pyrenäen) geboren, lebt heute in Barcelona. Sie gilt als eine der wichtigsten katalanischen Autorinnen der Gegenwart und wurde mit zahlreichen bedeutenden Literaturpreisen ausgezeichnet.
Ein weiterer Roman "Inneres Land" ist gerade in deutscher Übersetzung erschienen.

Mein Kommentar:
An die Sprache dieses Buches musste ich mich erst gewöhnen. Sensibel, aber oft emotionslos und spröde erscheint sie mir zunächst. Im Nachhinein begreife ich jedoch, dass sie genau das Erscheinungsbild liefert um den Leser in das Geschehen hineinzuversetzen. Sie läßt die Armut, die Abgeschiedenheit, den eintönigen Alltagstrott, die abgewaschene Kleidung, die rauen Hände, die verhärmten Gesichter und den Hunger auf Menschen wie uns wirken, die in der warmen Wohnung, im gemütlichen Sessel und gefülltem Bauch in diese vergangene (?) Welt blicken, erzeugt ein wenig Bescheidenheit und eine Art Zufriedenheit solch einem harten Leben entgangen zu sein. Kurz sie macht empfindsamer, aufnahmefähiger.
Conxa von klein auf an arbeitsreiche Tage gewöhnt, wird aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen und zur Tante gebracht. Ihre Familie hat einen Esser weniger durchzubringen, drum wagt sie keinen Widerspruch. Die Tante trägt ihre Gefühle nicht auf der Zunge, aber Conxa erkennt bald an vielen kleinen Gesten ihre Zuneigung, sie ist keine herzlose Person. Doch harte Arbeit gibt es auch hier zu Genüge.
Dann lernt sie eines Tages den ewig lachenden Jaume kennen und lieben, erlebt trotz Entbehrungen des Alltags eine bisher unbekanntes Gefühl der Leichtigkeit, das sie ein Leben lang in ihrem Herzen behalten wird.
Jubelnd begrüsst Jaume die ausgerufene Republik, erhofft und verspricht sich Besserung auf alles, aber der Bürgerkrieg verschlingt ihn und läßt ihn nie wieder auftauchen. Conxa kann nicht einmal vor seinem Grab trauern, steht nun mit ihren Kindern einer Welt gegenüber, die ihr fremd erscheint. Vieles versteht sie nicht. Sie ist jetzt Spanierin, alles katalanische ist verboten, soll ausgelöscht sein.
Als Bonusmaterial findet man ein Interview mit der Autorin. Conxa trägt Züge ihrer Grossmutter.
Das Nachwort von Pere Joan Tous vertieft das Gelesene, zieht Bilanz, erklärt nochmals Bürgerkrieg und anschließende Militärdiktatur, begrüßt und unterstützt Maria Barbals damals verbotene, heute wiedererwachte Tradition Katalaniens.
Ein einfaches, aber nachdenklich machendes Buch von einer starken Autorin, deren weitere Bücher an mir nicht ungelesen vorbeigehen werden. Lesenswert!!!

:stern: :stern: :stern: :stern:

Liebe Grüsse
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Ein Buch ist ein Sprengsatz, um die Phantasie freizusetzen. (Alan Bennett in "Die souveräne Leserin")
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Beitragvon nanu?! » 04.10.2008, 14:48

Vor ein paar Tagen bin ich bei Amazon über dieses Buch gestolpert und ich fand es hörte sich interessant an. Aber jetzt, mit deiner tollen Rezi, landet es gleich auf meinen Wunschzettel ganz weit oben.
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Beitragvon Wirbelwind » 04.10.2008, 16:51

Ich hatte das Buch schon länger auf meiner Wunschliste. Nun ist es als Taschenbuch erschienen und so mußte ich zuschlagen und es hat sich gelohnt! Klein, aber fein.

Liebe Grüsse
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Beitragvon Karthause » 18.02.2009, 14:32

Dieses nur 125 Seiten umfassende Buch ist wieder einmal der Beweis dafür, dass auf gut einhundert Seiten mehr gesagt werden kann als auf tausend. Kein Wort ist zuviel, trotzdem ist es authentisch. Maria Barbal ist mit „Wie ein Stein im Geröll“ ein bittersüßes Buch gelungen. Ganz ruhig schildert sie die große Armut, in der Conxa aufwächst, wie die Tante ihre Liebe, für die sie keine Worte findet, aber durch kleine Gesten im Alltag genau dieses Gefühl ausdrücken kann. Die Sprache der Autorin ist klar und schnörkellos, oft emotionslos, aber am Ende des Buches wurde klar, Emotionen konnte man sich zu der Zeit kaum leisten, es geht nur um das kleine Glück und das zu erreichen ist schwer genug. Freundlichkeit und Lachen zieht erst in das Buch ein, als Jaume in die Handlung eingreift. Die Kapitel sind recht kurz gehalten, aber mich hat das nicht gestört. Beleuchtete doch die Autorin so die verschiedenen Facetten des Alltagslebens. Dramatisch wird die Geschichte als sich die politischen Verhältnisse ändern und Conxa plötzlich Spanierin wird, katalanisch ist nun nicht mehr erlaubt. Sie fühlt sich nur noch als Stein im Geröll.Aus dem beigefügten Bonusmaterial ist ersichtlich, dass die Protagonistin Conxa Züge der Großmutter der Autorin trägt.

Mein Fazit: „Wie ein Stein im Geröll“ ist ein ruhiges, eindringliches Buch, eine einfache Geschichte, die mir sehr gefallen hat. Es berührt und macht nachdenklich. Elke Heidenreich sagte dazu: “So ein schmales, ruhiges Buch – und es enthält nicht nur ein ganzes Leben, es enthält eine ganze verschwindende Welt.“ Mehr muss zu diesem Buch eigentlich nicht gesagt werden.

:stern: :stern: :stern: :stern: / :stern:
Viele Grüße
Karthause

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