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Bennett, Alan - Die souveräne Leserin




Bennett, Alan - Die souveräne Leserin

Beitragvon Wirbelwind » 03.10.2008, 23:05

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Inhalt:
Zweifellos waren die Hunde schuld. Bei einem Gartenspaziergang mit der Queen rennen sie plötzlich los, über die Terasse, um die Hausecke, in einen der Höfe. Als die Queen die kläffende Meute erreichte, sah sie einen Lieferwagen, der nach Spedition aussah.Es handelte sich um den Bücherbus der Bezirksbibliothek der City of Westminster. Der Fahrer klebte gerade ein Etikett auf ein Buch. Einziger Ausleiher war ein rothaariger Junge.Beide erfurchtsvoll erstarrt als sie die Besucherin erkannten. Diese wollte sich eigentlich nur für den Lärm entschuldigen, aber wie sich aus der Affäre ziehen. Aus Höflichkeit leiht sie sich ein Buch, lernt dabei den Küchenjungen Norman kennen, bespricht fortan ihre gelesenen Bücher mit ihm, befördert ihn.......

Autor:
Alan Bennett, 1934 in Leeds geboren, bekannt durch TV Comedys, populärer Dramatiker, schrieb Theaterstücke und schreibt seit den neunziger Jahren auch Prosa.

Mein Kommentar:
Welch ausgefallene Story - die Queen erlebt per Zufall ihre erwachende Vorliebe fürs Lesen und dabei werden ihr alle möglichen Steine in den Weg gelegt.
Das allein schon würde mir genügen um das Buch unbedingt zu lesen, aber die Art und Weise wie Alan Bennett das bewerkstelligt, kann man nur als very british bezeichnen. Obwohl frech und manchmal fast respektlos, gelingt es ihm die Queen von einer ganz unbekannten, liebenswerten Seite zu zeigen. Fast tut sie mir leid ihres strengen Tagesprotokolls wegen, das sie immer wieder vom Lesen abhält. Verwicklungen wie Unpünktlichkeit, unabgesprochenen Gespräche mit Staatsoberhäuptern und sonstigen hohen Besuchern, ein mürrischer Ehemann und sogar ein Bombenalarm. Mein Vergnügen besteht aus lauten Lachsalven, leisem Gekichere und Grinsen.
Doch was wäre englischer Humor ohne Zynismus - er gibt dem Ganzem Pfeffer.
Ein Buch, das man nicht überbewerten sollte, aber dessen unschlagbarem Humor und Komik man schnell verfällt von einem Autoren, der auch privat ein recht schräger Vogel zu sein scheint, denn wer führt schon ein Schwein spazieren (siehe Foto). Einziger Kritikpunkt ist die Kürze - man sitzt zum Schluß fast wehmütig davor. Ein kleiner Trost bleibt - bei nur 118 Seiten kann man es auch ein zweites Mal lesen und entdeckt dabei sicher so manche Pointe, die beim ersten Mal vielleicht nicht so ganz zum Tragen kam.

:stern: :stern: :stern: :stern:

Liebe Grüsse
Wirbelwind

lese gerade:
Tatiana de Rosnay, Sarahs Schlüssel
Ein Buch ist ein Sprengsatz, um die Phantasie freizusetzen. (Alan Bennett in "Die souveräne Leserin")
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von Anzeige » 03.10.2008, 23:05

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Beitragvon Siebenstein » 04.10.2008, 22:35

Ich habe das Büchlein zwischenzeitlich auch gelesen und schließe mich Wirbelwinds Ausführungen gerne an. Ich hatte beim Lesen großen Spaß - Freunde des leisen, trockenen Humors werden voll auf ihre Kosten kommen. Das Buch hat aber durchaus auch anrührende Seiten, z.B. wenn beschrieben wird, wie die Queen durch Bücher innerlich reift und aufmerksamer in Bezug auf andere Menschen wird. Oder auch als sie mit Betroffenheit feststellt, dass sie keine "Stimme" hat. Diese Stellen mochte ich sehr, zeigen sie uns doch recht deutlich, wie das Lesen die Menschen zum Positiven hin verändern kann.

Herzliche Grüße
Siebenstein :wink:
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Beitragvon Casoubon » 23.12.2008, 13:56

Ich habe das Buch gestern abend ausgelesen und fand die Lektüre sehr erheiternd und unterhaltsam. An den Humor von Bennett kann ich mich auf jeden Fall gewöhnen :D .

Neben dem Stil hat mir auch sehr gut die "Auseinandersetzung" mit der Literatur bzw. dem Hobby Lesen an und für sich gefallen - auch wir nicht-royalen Leser müssen unser Hobby (Leidenschaft?) mit unseren Alltag vereinbaren und haben sicher schon Situationen erlebt, in denen wir lieber in dem spannenden Buch weitergelesen hätten, als z.B. an einem langweiligen Kaffeetrinken teilzunehmen :wink: .

Die Entwicklung der naiven Leserin, die alles in sich aufsaugt, bis zur anspruchvollen Leserin, die sich Notizen und Gedanken über das Gelesene macht, fand ich sehr gelungen.

Das Werk hat Lust auf mehr von Alan Bennett gemacht und so werde ich bald wieder ein Buch von ihm lesen.

LG,
Casoubon.
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Beitragvon marilu » 25.12.2008, 13:03

Ich konnte "Die souveräne Leserin" im November in der Bibliothek ergattern und stürzte mich sofort in die Lektüre. Es hat mir auch sehr gut gefallen. Ebenso wie Casaubon gefiel mir der Ansatz, sich mit den guten wie auch schlechten Vorurteilen auseinanderzusetzen. Einerseits soll Lesen bekanntlich bilden, andererseits wird es aber auch als inaktive Tätigkeit empfunden - ein Zwiespalt mit dem die Queen umzugehen lernen muss! Die Dünkel ihres Beraters und seine Finten, um ihr Lesen zu verhindern - genial ausgedacht! Und die Reaktionen der königlichen Familie auf die nachlassende Kontrollsucht der Queen lassen vermuten, wie restriktiv ein Leben im Rampenlicht ist. Welche Auswirkungen ein solches Hobby doch auf eine Person und die Umgebung haben kann, kommt gut zum Vorschein.
Mein Fazit ist: very british, very amusing!
:stern: :stern: :stern: / :stern:

Ich habe das Buch letzte Woche von meiner Freundin zum Abschied geschenkt bekommen, weil sie nicht wusste, dass ich es schon kenne. Momentan ist es noch bei meinen Eltern, aber wenn ich meine restlichen Sachen nach England hole, kommt es mit und dann wird es Zeit für eine Zweitlektüre! Auf die anderen Romane des Autors bin ich zudem sehr gespannt und werde 2009 wohl noch das ein oder andere von ihm lesen.
Scharfsinnig bin ich von Montag bis Freitag. Übers Wochenende leiste ich mir den Luxus der Dummheit.
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Beitragvon Krümel » 02.01.2009, 12:27

Eine erheiternde Lektüre für zwischendurch!

Durch einen dummen Zufall, nämlich dass die Königin ihre Hunde bändigen möchte, die im Hof ganz schrecklich kläffen und sie den Büchereibus sieht, kommt es dazu, dass sie sich ein Buch ausleiht, und sie zur Leseratte mutiert.
Ab sofort ist sie von Büchern so besessen wie wir wohl alle. Sie vernachlässigt ihre Staatsgeschäfte, und witmet sich in jeder freien Minute nur noch ihrer Lektüre. Selbstverständlich stößt das nicht überall auf Beifall, und einige Probleme stellen sich ein.

Die souveräne Leserin hat mir deshalb gut gefallen, weil Bennett ein paar Begleiterscheinungen aufzählt, die jeder Bücherwurm kennt. Dazu zählt vorweg einmal, dass wir nach ein paar Büchern eine Liste erstellen mit Büchern, die dann folgen sollen. Dass diese Liste und auch der SuB (Stapel ungelesener Bücher) schneller anwächst, als man die Bücher lesen kann. Ferner dass man erkennt wie endlich das Leben ist und wie viele Bücher es gibt. Diese Erkenntnis stimmt jeden Leser ein wenig traurig.
Aber auch, dass man seine Einstellung von Buch zu Buch und mit dem Leben wandelt, man mitfühlender wird, offener für das Du und die Welt. Ja, dass man im Grunde damit erst anfängt wirklich zu leben, und über dieses nachdenkt.

Die fiktive Geschichte rund um die Queen fand ich sehr humorvoll, und nachvollziehbar. Besonders als Jane Austen erwähnt wurde, und ich jetzt das Gefühl habe, dass die Queen von England, die gleiche Meinung zu Austen hat wie ich :lol:

Bewertung: :stern: :stern: :stern: :stern:
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Beitragvon Pippilotta » 17.05.2009, 21:08

Ich habe das Buch auch sehr gerne gelesen, es entführt in die Welt des Lesens, es ist eine Liebeserklärung an die Bücher!

Voller Humor, voller Zynismus und "very british" wird die Entwicklung von der "naiven" Leserin, die sich ohne Vorbehalte auf jedes nur greifbare Buch stürzt bis zur "bewussten" Leserin, die ihe Lektüre gezielt auswählt und sich sogar Notizen zum Gelesenen macht, beschrieben. Und wie Krümel es schon so treffend erwähnte, findet sich jeder begeisterte Leser in diesem Buch wieder!

Die richtige Investition für einen gelungenen Sonntagnachmittag!

:stern: :stern: :stern: :stern:
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Re: Bennett, Alan - Die souveräne Leserin

Beitragvon chip » 28.02.2011, 19:22

Ich kann mich der Begeisterung nicht anschließen. Sicherlich, das Buch entspricht einer Liebeserklärung an das Buch. Auch die angenehmen Nebenwirkungen sind bildhaft beschrieben worden und es vermittelt dem Leser ein beruhigendes Gefühl, weil Lesen einen Sinn erkennen lässt.
Aber genauso werden die negativen Begleiterscheinungen erwähnt, nämlich dass das Lesen kein TUN ist, keine aktive Rolle im Leben spielt. Die Queen verhält sich stellenweise wie ein Junkie, der ohne tägliche Dosis mies drauf ist. Wenn sie sie dann schließlich bekommt, wird alles andere zur lästigen Nebensache. Sie fährt durch Kanada und hebt nicht einmal den Kopf. Es ist eine traurige Bilanz, die mir hier aufgetragen wird. Lesen oder Leben, das schien mir fast schon die Quintessenz des Buches zu sein. Das Buch bot mir keine Alternative, kein Kompromiss. Als könne man diese beiden Tätigkeiten nicht miteinander kombinieren. Für mich überwog diese Beschreibung der passiven Rolle eines Lesers, die damit entschuldigt wurde, dass es doch auch diese positiven Eigenschaften gibt. Nun ja, um Einfühlungsvermögen zu beweisen, muss man die Wohnung verlassen. Das Buch hat mir vermittelt, Lesen töte das aktive Leben ab, womit ich jedoch nicht einverstanden bin. Und deshalb Sternabzug.
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Re: Bennett, Alan - Die souveräne Leserin

Beitragvon Krümel » 28.02.2011, 22:05

chip hat geschrieben: Das Buch hat mir vermittelt, Lesen töte das aktive Leben ab, womit ich jedoch nicht einverstanden bin. Und deshalb Sternabzug.


Wieso? Das ist doch so :grübel1:
Du entziehst dich doch mit dem Buch dem aktiven Leben. Diese Lebensflucht wird doch überall schon tausend Mal beschrieben, in den Foren und in anderen Büchern. Okay ich sage dann immer, das Lesen sei meine Strategie gegen Langeweile, aber ich könnte auch andere Dinge tun :wink:
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Re: Bennett, Alan - Die souveräne Leserin

Beitragvon mombour » 01.03.2011, 06:58

Hallo,

Warum sollte ich ein Buch in den Himmel hochloben, wenn ich Schrullen der Leser als Leser selbst kenne? Darum hat das Buch kaum neues zu bieten, nur denjenigen evtl., die nicht lesen.

Natürlich habe ich gelacht, schöne komische Stellen und warum Portnoys Beschwerden im Bücherstapel ganz unten versteckt wird, habe ich auch verstanden, verstehe es andererseits nicht, weil sich niemand wegen dieses hervoragenden Werkes schämen braucht. Trotzdem, mir reicht es nicht. Wenn man schon über übliche Schrullen von Leseratten schreiben will, so hätte meiner Ansicht nach diese Erzählung, um noch interesssant bleiben zu können, als vollverrückte Groteske geschrieben werden müssen. Alan Bennett ist mir einfach zu brav.

Liebe Grüße
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Re: Bennett, Alan - Die souveräne Leserin

Beitragvon chip » 01.03.2011, 11:24

Genau mombour, es erzählt mir eigentlich nichts Neues und dieses Wenige dann auch noch unattraktiv. Für wen ist es eigentlich geschrieben worden? Für den Leser, der sich bestätigt fühlen will, oder für den Neuling, der sich abgeschreckt fühlen wird, weil der Lesehype fast schon wie eine Krankheit beschrieben wird?
Dann erzählt die Queen von ihren neuen Errungenschaften wie dem Einfühlvermögen. Jetzt erinnern wir uns an ihrem Schützling, den sie aus dem Bus kennt, der eines Tages gefeuert wurde und sie nach Jahren während eines Banketts auf ihn trifft. Er bleibt distanziert und kühl, schaut beleidigt, sie fragt sich wieso und sucht ihn nicht einmal auf, um sich zu erklären. Wo bitte ist dieses gewonnene Mitgefühl? Es zeigt sich, Lesen macht aus dem Leser keinen besseren Menschen.
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Re: Bennett, Alan - Die souveräne Leserin

Beitragvon Siebenstein » 01.03.2011, 12:51

chip hat geschrieben: Für wen ist es eigentlich geschrieben worden?


Für Leute, die etwas für feine Ironie übrig haben. :wink:

Liebe Grüße
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Re: Bennett, Alan - Die souveräne Leserin

Beitragvon chip » 01.03.2011, 13:16

die ist aber schon sehr fein :D
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