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Bonalumi, Giovanni - Die Geiseln




Bonalumi, Giovanni - Die Geiseln

Beitragvon mombour » 05.03.2011, 11:52

Giovanni Bonalumi: Die Geiseln

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Im Jahre 2010 wurde erstmals ein Prosawerk des im Tessin geborenen Autors Giovanni Bonalumi ins Deutsche übertragen: „Die Geiseln“, sein Romanerstling, veröffentlicht im Jahre 1954, gilt als sein bestes Werk. Das andere Werk ist bisher dem deutschen Sprachraum verschlossen geblieben. „Die Geiseln“ sind die Geiseln Gottes in einem Priesterseminar. Dass dieser Roman autobiographisch gefärbt ist, können wir im ausführlichen Nachwort von Danielle Benzonelli lesen, darin wir wir auch einen Einblick in das Leben des Autors bekommern, mit zahlreichen Schwarzweißfotografien. Ein editorisch sehr gelungener Bücherschatz des Verlages Huber, der sich um „bemerkenswerte literarische Texte aus der mehrsprachigen Schweiz“ (so der Verlag) bemüht.

Erzählt wird die Geschichte Jungen, der nach dem Tod seines Vaters, mit elf Jahren in ein Priesterseminar eintritt, seine Mutter damit eigennütziges verbindet, kann sie doch später in das Haus eines Priesters einziehen, wenn Emilio Pfarrer geworden ist, damit ihre Zukunft gesichert ist. Die Fäden werden so gesponnen, dass Emilio ein Treffen mit seinem Pfarrer des Dorfes hat, der ihm ins Ohr legt, Gott suche
Bonalumi hat geschrieben:...von Zeit zu Zeit unter seinen Getreuen eine Seele aus und erhebt sie über alle anderen.

Es wird ihm nahe gelegt, ins Priesterseminar einzutreten, natürlich müsse er noch mit seiner Mutter sprechen, außerdem wurde er im Seminar eine höhere Schule besuchen, in der Freizeit könne er Fußballspielen. Hier sieht man doch schon, wie der Junge mehr oder weniger überrumpelt wird, Emilio keine Ahnung hat, was ihm im Priesterseminar erwartet, er schließlich Ja und Amen sagt, obwohl seine Gedanken ganz woanders sind. Ein spielerischer gesunder Junge wird in die Soutane gepresst und dem Priesterseminar ausgeliefert. Emilio sich immer wieder die Frage gegenwärtigt, warum er sich für diesen Weg entschieden hat.
Bonalumi hat geschrieben:Eine Präfektenstimme löcherte im Halbdunkel unsere Trommelfelle...

Bonalumi hat geschrieben:Der Präfekt stieg zwischendurch von seinem Podest, ging zwischen den Bänken auf und ab. Und schon hagelte es Ohrfeigen. Warum wußte eigentlich niemand
.
Emilio bekommt die Diktatur im Priesterseminar zu spüren, erlebt Demütigungen, Ausgrenzung und Einsamkeit. Die Erziehung ist erschreckend Körperfeindlich, die Sexualunterdrückungsmaschinerie läuft, und man fragt sich immer wieder, warum Menschen so etwas durchmachen müssen (oder wollen?).
Bonalumi hat geschrieben:Warum soll ich das verdrängen, worauf ich verzichten muß.

Ein Roman wird meist lesbar erst durch seine Prosa. Bonalumi schreibt in kurzen Sätzen, dabei er verschiedene Vorkommnisse nur andeutet. Dazu möchte ich zwei Beispiele anführen: Dem Jungen wird nicht sofort gesagt, sein Vater sei gestorben. Der Leser ahnt das nur, und der Autor lässt eine Ungewissheit und gedrückte Stimmung über Emilio schwelen, die sich auf den Leser überträgt. Bonulimo schafft es in gleich gekonnter Art und Weise, eine homoerotische Beziehung zwischen Seminaristen anzudeuten. Dadurch wird Spannung erzeugt, Plattheiten werden verhindert und Bonalumi's erster Roman wird als eine gute Leseempfehlung durchgehen.

:stern: :stern: :stern: :stern:

Liebe Grüße
mombour
Thomas Hardy: Herzen in Aufruhr
Fernando Pessoa: Buch der Unruhe
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von Anzeige » 05.03.2011, 11:52

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