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Fleischhauer, Wolfram - Schule der Lügen




Fleischhauer, Wolfram - Schule der Lügen

Beitragvon Karthause » 06.10.2006, 18:57

528 Seiten
Verlag: Piper
ISBN: 3492048463

Kurzbeschreibung von Amazon
Es ist keine Seltenheit, daß der junge Student Edgar von Rabov seine Abende in der Berliner Eldorado-Bar zubringt. Doch diese kühle Februarnacht des Jahres 1926 ist anders, mit ihr beginnt für Edgar etwas Neues: Eine bemerkenswert schöne junge Inderin erregt sein Interesse. Immer wieder scheint auch sie Edgars Blick zu suchen. Als sie das Eldorado in Begleitung eines mysteriösen älteren Herrn verläßt, steckt sie Edgar eine Notiz zu: »Übermorgen hier. Ich erwarte Sie.« Edgar, Erbe einer Farbenfabrik und Sohn einer norddeutschen Adelsfamilie, kann sich dem exotischen Zauber der jungen Frau nicht entziehen - und begibt sich damit auf eine verstörende Reise in die Vergangenheit seiner Familie, die ihn bis nach Indien führen wird. Wolfram Fleischhauer zählt zu den besten und meistgelesenen deutschen Erzählern. Sein großer Familienroman aus den politisch und philosophisch bewegten Tagen der Weimarer Republik handelt von Verführung und Täuschung, Intuition und Intrige. Es ist eine Schule der Lügen und die Suche eines jungen Mannes nach sich selbst.

Der Autor (vom Umschlagstext)
Wolfram Fleischhauer, geboren 1961 in Karlsruhe, studierte Literatur in Deutschland, Frankreich, den USA und Spanien. Für seine Arbeit als Konferenzdolmetscher pendelt er zwischen Brüssel und Berlin, wo er mit seiner Frau und seinem Sohn lebt. Wolfram Fleischhauer, der u.a. die Romane "Drei Minuten mit der Wirklichkeit" und "Das Buch in dem die Welt verschwand" veröffentlichte, gehört zu den wenigen deutschen Autoren, deren Bücher auch international erfolgreich sind.

Meine Meinung
Wie habe ich mich auf dieses Buch gefreut. Es war der zweite Fleischhauer, den ich lesen wollte und mit entsprechenden Erwartungen bin ich an sein neuestes Werk gegangen.

Dem Roman wurde ein Zitat von Juan Rulfo vorangestellt. „Die Literatur ist eine Lüge, die die Wahrheit sagt.“ Das fand ich sehr schön und vor allem passend zu dem Buch.

Der norddeutsche Fabrikantensohn Edgar von Rabov ist in Berlin, um Chemie zu studieren. In den Hörsälen ist er allerdings nur selten anzutreffen. Er studiert lieber das Leben in Kneipen, Bars, Theatern und anderen Etablissements. Berlin im Jahr 1926 bietet viele Ablenkungen für den 23-jährigen Adeligen. Die goldenen Zwanziger sind in vollem Gange. Seine Familie ist über seinen Lebenswandel nicht glücklich, schließlich soll er später die Farbenfabrik des Vaters übernehmen. Die reiche Familie hat jedoch Bedenken, dass Deutschland nach dem verlorenen Weltkrieg dem Untergang geweiht sein könnte. Mit ihrem Geld wollen sie der Nation unter die Arme greifen, am Ende soll sich das aber doch für das Unternehmen und die von Rabovs rechnen. Vetter Robert soll Edgar auf den richtigen, den nationalen Weg bringen.

In einer Bar lernt er die exotische und geheimnisvolle Alina kennen. Wer sie wirklich ist und was sie vorhat , erfahren Edgar und der Leser erst sehr viel später. Edgar verliebt sich in sie. Als sie dann plötzlich aus Berlin verschwindet, macht er sich auf die Suche. Was er findet, ist zunächst ein Wirrwarr aus Lügen, die Familie betreffend. Da erfährt er von einer Schwester der Mutter und einen Bruder des Vaters, von denen vorher nie die Rede war. Warum wurden die beiden totgeschwiegen? In der Nähe des ehemaligen der von Rabovs wurde vor über 20 Jahren ein toter Inder gefunden, hat er etwas mit seiner Familie zu tun? Fragen über Fragen tun sich auf. Und so führt Edgar seine Suche, die nicht mehr nur die Suche nach seiner Geliebten ist, sondern die Suche nach Wahrheiten, seinen Wurzeln und sich selbst, schließlich nach Indien. Nach und nach erhielt auch ich auf meine Fragen Antworten, mir wurde ein Bild von politischen, kulturellen, philosophischen und esoterischen Strömungen der damaligen Zeit gezeichnet. Das alles beschreibt Wolfram Fleischhauer wieder in seinem unvergleichlichen Stil, der nur Lesefreude vermittelt. Aber auch das Geschichtswissen wird aufgefrischt und erweitert. Ich bekam z.B. ganz neue Denkansätze über die nationalsozialistische Rassentheorie geboten. Verschiedene Fakten musste ich nachschlagen, da mir die einzelnen religiösen Strömungen der 20er Jahre nicht bekannt waren. Mit Wolfram Fleischhauers „Schule der Lügen“ lag mir ein Buch vor, das sowohl Geist als auch Gefühl beanspruchte. Es wurde meinen hohen Erwartungen vollends gerecht. Es waren 500 Seiten purer Lesegenuss und Wissensvermittlung in einem.

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern: [schild=14 fontcolor=000000 shadowcolor=C0C0C0 shieldshadow=1 nxu=47363231nx34148]Buchtipp!!![/schild]

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von Anzeige » 06.10.2006, 18:57

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Beitragvon Krümel » 06.10.2006, 19:26

Danke Karthause für diese gute Buchvorstellung :bussi:
Ich werde es allerdings erst nächstes Jahr lesen können :cry:
BildLiebe Grüße,
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Beitragvon Krümel » 26.05.2007, 14:08

Edgar von Rabov ist ein junger Mann von Anfang 20, der von seiner adeligen Familie zum Chemiestudium nach Berlin geschickt wird. Doch sein Interesse gilt nicht diesem Studium, sondern er studiert das Berliner Nachtleben von 1926. Er verdrängt damit sein Pflichtbewusstsein das Familienerbe anzutreten, und in diesen Kreisen als Etikette zu funktionieren.
Eines Abends trifft er die wunderschöne Inderin, Alina, der er leidenschaftlich verfällt. Und damit wird eine Kette an Verwicklungen auslöst, da diese Dame nicht den Vorstellungen seiner Familie entspricht, und ihre Reaktionen daraufhin für Edgar unerwartet sind. So erfährt er von seiner Großmutter beispielsweise von einem unbekannten Onkel, der unter gewissen Umständen das Familienunternehmen an sich reißen könnte. Sein Vetter, ein unbelehrbarer Rüpel, kennt auf diese Situation nur ein Rezept, und lehrt Alina eine Lektion, woraufhin sie fluchtartig Berlin verlässt.
Hin und her gerissen, Sklave seiner Gefühle, lässt sich Edgar jedoch auf die wilde Alina ein, und gerät dadurch in immer tiefere Familiengeheimnisse: Ein Bezug zu Indien und ominösen Sekten kommt dabei zu tage. Durch diese rätselhaften, und zum Teil auch unmittelbaren, Ereignisse, macht sich Edgar auf die Suche nach Alina, und setzt dadurch eine verhängnisvolle Familientragödie in Bewegung …

Fleischhauer versteht es auch in diesem Werk einen großen Spannungsbogen aufzubauen. Seite um Seite wird das Buch geheimnisvoller, und man kann es einfach nicht aus der Hand legen. Es ist ein Verwirrspiel, was sich immer mehr zu einer Erkenntnissuche entpuppt. Als Leitmotiv könnte man hier „Zufall oder Schicksal“ in Betracht ziehen. Denn der Autor spannt gekonnt seine Fäden im Hintergrund, lässt die Handlung irreal erscheinen, um dann sein Netz auszubreiten, so dass der Leser erkennt: Es hat alles seinen Sinn!
Anders ausgedrückt, er lässt zu Beginn alles wie zufällig erscheinen, doch es fügt sich alles zusammen.
Stellenweise fühlte ich mich an „Sidhartha“ erinnert, ein Stoff welcher von vielen modernen Autoren jetzt wieder aufgegriffen wird.

Der Schluss wurde leider etwas überdramatisiert, eine große Wendung fand schon im nächsten Kapitel seine eigene große Wendung. Vielleicht ist zu viel Schicksal auch nicht gut. Aber insgesamt ist es ein sehr spannendes, unterhaltsames und informatives Buch, welches mir über viele Stunden ein Lesevergnügen bereitet hat. Klasse!

Bewertung: :stern: :stern: :stern: :stern: (:stern:)
BildLiebe Grüße,
Krümel



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Beitragvon Pippilotta » 27.05.2007, 18:10

Meine Meinung ist da etwas durchwachsener.

Grandios wie immer bei Fleischhauer ist der unverwechselbare Stil. Obwohl es bei diesem Buch etwas länger dauerte (ca 100 Seiten), ehe es mich so richtig in seinen Bann zog, hielt der Spannungsbogen die restlichen 400 Seiten und gipfelte (wiederum) in einem fulminanten Finale.

Grandios ebenso die Informationen und Details über die geschichtlichen Epochen - in diesem Fall das Deutschland der Zwischenkriegszeit sowie das Indien während der englischen Kolonialherrschaft. V.a. die Bilder aus Indien wurden sehr real, beeindruckend und eigentlich erschütternd transportiert.

Ebenso grandios die philosophischen Denkanstöße rund um Religionen/Nationalsozialismus/Rassismus/Völkerhass, etc.

Die Geschichte selber veranlasst mich zur Kritik. Es erinnerte mich zu sehr an "Drei Minuten mit der Wirklichkeit", wenngleich "Schule der Lügen" für mich oft recht realitätsfern war, konstruiert und unglaubwürdig, aus diesem Grunde blieben mir auch die Charaktere eher fremd. Die Liebesgeschichte möchte ich schon fast als "kitschig" bezeichnen.
Einen harschen Kritikpunkt gibt es für den Piper-Verlag: In diesem Buch häufen sich Rechtschreib- Grammatik und Fallfehler, was ich bei einem Buch, für das ich EUR 22,90 hinlege, absolut nicht tolerieren kann.

:stern: :stern: :stern: ( :stern: )
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Beitragvon Krümel » 27.05.2007, 18:32

@ Pippilotta
Ja, es wimmelte vor Fehler, das stimmt, die sind mir sogar aufgefallen, man stolperte ja auch ständig drüber :evil:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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