Grünberg, Arnon: Gnadenfrist

Erzählt wird ein Abschnitt aus dem Leben eines Diplomaten, der für die niederländische Botschaft in Peru tätig ist. Seine Arbeit ist das Nichtstun: Dinners vorbereiten, Gespräche führen, Zeit totschlagen. Ein Mann ohne Meinung und ohne Tatendrang, ein Mann, der sich auf Gemeinplätzen ausruht. Bieder und langweilig.

"Er tut nichts, er hat nie etwas hervorgebracht, gemacht, das ist die Wahrheit. Kinder macht man nicht. Vielleicht ist das für Frauen anders, aber für einen Mann - nein. Er hat nie etwas geschaffen, und das bekümmert ihn absolut nicht. Ab und zu erstaunt ihn nur, dass es ihm so wenig ausmacht."

Zu seinem täglichen Ritual gehört das morgendliche Schuhe putzen und Zeitung lesen in einem nahgelegenen Café, wo er auf die einheimische Malina trifft, ein junges Mädchen, das ihm den Kopf verdreht. Doch weil er sowieso beabsichtigt, Kontakt zur einheimischen Bevölkerung aufzunehmen, schiebt er jenen Grund vor, um sein Gewissen zu beruhigen, denn die väterliche Fürsorge verwandelt sich rasch in brennende Leidenschaft. Und während er in seinem Arbeitszimmer Liebesbriefe schreibt, wird das Land von politischem Aufruhr heimgesucht. Als es zur Geiselnahme in der japanischen Botschaft kommt, gerät sein Leben aus den Fugen.

Das Buch ist solides Handwerk, spannend geschrieben. Die tatsächlich stattgefundene Geiselnahme von 1996 wird als Schauplatz genutzt, um einen verblendeten Mann in den Abgrund zu stürzen. Vernunft findet hier eh keinen Platz. Grünberg schildert einen Menschen ohne Hintergedanken, ohne Meinung. Jemand der Dinge als gegeben hinnimmt. Ein Mensch, der siechende Menschen im Krankenhaus besucht und sich einzig fragt, ob die dort geschossenen Fotos gelungen sind. Seine Naivität kennt keine Grenzen und so wundert auch nicht, wenn Malina ihn benutzt, um ominöse Päckchen zu verschicken. Ein gutes Stück Literatur!