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Kempowski, Walter - Alles umsonst




Kempowski, Walter - Alles umsonst

Beitragvon Welf » 24.03.2007, 13:38

Walter Kempowski - Alles umsonst


Ostpreussen im letzten Kriegswinter des Jahres ´45.
Auf dem Gut der Familie von Globig scheint anfänglich noch alles seinen bisher gewohnten Gang zu nehmen. Man hat sich mit dem täglichen präsenten Kriegsgeschehen arrangiert und versucht den Alltag bestmöglich mit den wenigen zur Vefügung stehenden Mittel zu meistern.
Der Hausherr,Eberhard von Globig, verrichtet seinen Dienst als Offizier im fernen Italien, während seine Frau Katharina mit ihrem Sohn Peter auf Gut Georgenhof zurückbleiben.

Katharina, die sich in ihrer weltfremden , träumerischen Art und Weise in ihr Refugium im ersten Stock des Anwesens hinter ihren Büchern verkriecht und die Augen vor den immer deutlicher spürbaren Anzeichen des Tag um Tag näherrückenden Frontverlaufes verschließt. Sie überlässt die Geschicke des Hofes und die Erziehung ihres Sohnes anderen Leuten, um möglichst wenig mit der Realität konfrontiert zu werden.
Das „Tantchen“, eine alleinstehende Verwandte der Familie kümmert sich um alle Belange die notwendig sind um den Alltag auf einem Landgut zu meistern.
Peter, der Sohn der Familie, erhält von dem durch die Schulschließungen arbeitslos gewordenen Studienrat Dr. Wagner seine Unterichtseinheiten, der durch diesem Umstand in den alltäglichen Genuß einer geheizten Stube und einer warmen Mahlzeit kommt.
Es häufen sich jetzt die Vorboten der immer näherrückenden Roten Armee, die ersten Flüchtligstrecks formieren sich, einzelne Flüchtende finden kurz Zuflucht auf dem Hof, um aber bald ihren Weg in Richtung Westen fortzusetzten.

Inmitten dieses Szenarios lässt sich Katharina während eines Ausfluges in das nahegelegene Mitkau vom dortigen Ortsgeistlichen überreden, einem auf der Flucht befindlichen Juden für eine Nacht Unterschlupf zu gewähren.
Man beginnt zu ahnen, was kommen muß: Der Flüchtige wird wenige Tage später aufgegriffen und verhaftet. Bei ihm findet die Polizei einen Zettel mit einer Wegbeschreibung, die geradewegs zum Georgenhof führt.
Katharina wird daraufhin verhaftet und nach Mitkau ins Gefängnis gebracht.
Peter, das Tantchen und das restliche, noch verbliebene Personal sind aufgrund der immer bedrohlicher werden Situation gezwungen, den Georgenhof hinter sich zu lassen und sich auf die Flucht gen Westen zu begeben.
Peter, der am Ende einzig Überlebende der Familie, bekommt aufgrund einer schicksalhaften Fügung noch einen Platz auf der letzten Barkasse die Ostpreussen über das Haff verlässt.

Meine Meinung:

Walter Kempowski fügt mit seinem Roman einen weiteren Baustein in sein literarisches Lebenswerk ein, bei dem er es sich zur Aufgabe gesetzt hat, der Nachwelt einen möglichst authentischen Einblick in das Leben während des dritten Reiches zu geben.
Dieser Roman glänzt nicht mit sprachgewandter Größe, nicht mit moraletischen Denkanstössen oder großem Pathos.
Kempowski schildert die Geschichte der Familie Globig in einem sehr klaren, fast schon minimalistischen Stil, der sehr präzise die Tatsachen schildert, jedoch ohne dem Leser in irgendeiner Form die Bewertung des Gelesenen vorzugeben.
Mich hat die Geschichte mehr und mehr in Beschlag genommen, so daß ich die letzten 200 Seiten fast am Stück gelesen habe.
Für denjenigen, der sich für diese Thematik interessiert und sich nicht vom anfangs gewöhnungsbedürftigen Erzählstil abschrecken lässt, dem kann ich dieses Buch absolut empfehlen.

Autor : Walter Kempowski
Titel: Alles umsonst
ISBN: 9783813502640


:stern: :stern: :stern: :stern:

Bild

Gruß
Richard
Zuletzt geändert von Welf am 14.04.2007, 19:41, insgesamt 1-mal geändert.
Welf
 

von Anzeige » 24.03.2007, 13:38

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Beitragvon Karthause » 24.03.2007, 14:16

Welf, du erinnerst mich daran, dass dieses Buch ungelesen in meinem Regal steht. Zu unrecht, wie ich deiner Rezi entnehme. Danke für deine schöne Buchvorstellung. :wink:
Viele Grüße
Karthause

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Beitragvon Steffi » 10.12.2007, 13:53

Ich bin ein großer Kempowski-Fan und sehr traurig, dass dieser großartige deutsche Schriftsteller nicht mehr lebt.

Ich habe "Alles umsonst" kürzlich gelesen und schließe mich der o.g. positiven Meinung an. Wer wie ich Großeltern hat, die damals mit Pferdewagen und ihrem zusammengerafften Hab und Gut aus dem Osten gekommen sind, sollte dieses Buch gelesen haben. Man kann sich gar nicht mehr vorstellen, wie das damals war. Der Mann an der Front, die Russen kurz vor den Stadttoren, Krieg, Hunger, Flucht, Tod ... schrecklich. Besonders die Darstellung über die toten Kinder im Straßengraben hat mich stark berührt. Meine Großmütter haben nie viel erzählt von der Zeit damals aber beide haben das selbst erlebt. Es muss schrecklich gewesen sein, denn sie mochten überhaupt nicht drüber reden.

Ein wunderbarer Roman über ein wichtiges Stück deutscher Geschichte. Lesen :thumleft:
Steffi
 

Beitragvon wolves » 10.12.2007, 14:40

Steffi hat geschrieben:Meine Großmütter haben nie viel erzählt von der Zeit damals aber beide haben das selbst erlebt. Es muss schrecklich gewesen sein, denn sie mochten überhaupt nicht drüber reden.

Das kommt mir irgendwie bekannt vor. Mein Vater (Jahrgang 1939) war damals ein Kind, als er mit meiner Oma auf einem Planwagen geflüchtet war. Nur per Zufall hatte ich das einmal erfahren. Aber mehr Informationen habe ich auch nicht. Es muss wirklich sehr schrecklich gewesen sein. Den Roman werde ich mir merken.
Liebe Grüße
wolves


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