Haruki Murakami - South of the Border, West of the Sun (Gefährliche Geliebte)
Hajime ist 36 und führt ein scheinbar perfektes Leben: glücklich verheiratet, zwei kleine Töchter, Besitzer zweier Jazz-Bars - er hat das einsame Leben seiner Studienzeit und der Jahre danach abgestreift. Und doch verfolgen ihn die Schatten seiner Vergangenheit. Da ist einmal Izumi, seine erste Freundin, die er betrogen hat und dadurch ihr Leben fast zerstört. Und Shimamoto, die er mit 12 das letzte Mal gesehen hat, eine Kindheitsliebe "nur", die ihm aber nichts desto trotz nicht aus dem Kopf geht. Als Shimamoto eines Tages in seiner Bar auftaucht, droht sein Leben aus seinen eingefahrenen Gleisen zu geraten.
Murakami verzichtet in diesem Roman (fast) auf die phantastischen Elemente, die seine Bücher sonst oft so speziell machen. Er erzählt eine Geschichte eines zweifachen Erwachsenwerdens und eine bewegende Liebesgeschichte mit einer mysteriösen Frau.
"Gefährliche Geliebte" war mein erster Murakami, den ich vor fast 10 Jahren gelesen habe. (An dieser Stelle unverständiges Kopfschütteln über den deutschen Titel) Ich war überrascht, wie schnell er mich beim Wiederlesen gepackt hat. Als Shimamoto wieder auftauchte, ließ dies nach -- tatsächlich schafft es Murakami wie kaum ein zweiter, mich durch seine Romane herunterzuziehen (auf "Naokos Lächeln" habe ich ähnlich reagiert). Auch wenn mir das in diesem Fall das Lesen schwer gemacht hat, zeigt es doch wie sehr mich seine Geschichten packen.
Murakamis kurzer Roman lässt wie so oft viele Fragen offen. Motive, die zu Beginn wichtig sind (z. B. das Einzelkind-Sein oder später die Firma, die der Vater in Hajimes Namen gründet), werden weiter hinten nicht mehr aufgenommen. Dies kann man sicher negativ sehen, aber für mich gibt es dem Leser Spielraum sich seine eigenen Gedanken zu machen. Wer sind diese drei Frauen in Hajimes Leben, was bedeuten sie? Etwas Geheimnisvolles durchdringt Murakamis Welt auch wenn er wie meist nüchtern und sachlich erzählt.
Vielleicht nicht Murakamis bester Roman (da schließe ich mich der gängigen Meinung an: "The Wind-Up-Bird Chronicle"), für mich damals ein guter Einstieg und jetzt eine schöne Wiederentdeckung.
Völlig unverständlich ist mir weiterhin, warum sich damals im Literarischen Quartett ausgerechnet an diesem Buch dieser unsägliche Streit Löffler/Reich-Ranicki entspann. Es gibt "nur" eine große Sexszene und ich wüsste nicht, was an der ist, um sich daran besonders zu reiben. Es ist eine Geschichte aus Männersicht, Yukikos und Izumis zurückhaltende Art ist mir sicher ebenso fremd wie Shimamoto ... daran habe ich mich aber nicht gestört, das zentrale Thema sind nicht diese konkreten Frauen, sondern verpasste Chancen im Leben, ob und wie man sie nachholen kann, den Einfluss den eigenen Entscheidungen auf das Leben anderer haben.






Katia