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Murakami, Haruki - South of the Border, West of the Sun




Murakami, Haruki - South of the Border, West of the Sun

Beitragvon Katia » 12.08.2009, 08:53

Haruki Murakami - South of the Border, West of the Sun (Gefährliche Geliebte)


Hajime ist 36 und führt ein scheinbar perfektes Leben: glücklich verheiratet, zwei kleine Töchter, Besitzer zweier Jazz-Bars - er hat das einsame Leben seiner Studienzeit und der Jahre danach abgestreift. Und doch verfolgen ihn die Schatten seiner Vergangenheit. Da ist einmal Izumi, seine erste Freundin, die er betrogen hat und dadurch ihr Leben fast zerstört. Und Shimamoto, die er mit 12 das letzte Mal gesehen hat, eine Kindheitsliebe "nur", die ihm aber nichts desto trotz nicht aus dem Kopf geht. Als Shimamoto eines Tages in seiner Bar auftaucht, droht sein Leben aus seinen eingefahrenen Gleisen zu geraten.

Murakami verzichtet in diesem Roman (fast) auf die phantastischen Elemente, die seine Bücher sonst oft so speziell machen. Er erzählt eine Geschichte eines zweifachen Erwachsenwerdens und eine bewegende Liebesgeschichte mit einer mysteriösen Frau.

"Gefährliche Geliebte" war mein erster Murakami, den ich vor fast 10 Jahren gelesen habe. (An dieser Stelle unverständiges Kopfschütteln über den deutschen Titel) Ich war überrascht, wie schnell er mich beim Wiederlesen gepackt hat. Als Shimamoto wieder auftauchte, ließ dies nach -- tatsächlich schafft es Murakami wie kaum ein zweiter, mich durch seine Romane herunterzuziehen (auf "Naokos Lächeln" habe ich ähnlich reagiert). Auch wenn mir das in diesem Fall das Lesen schwer gemacht hat, zeigt es doch wie sehr mich seine Geschichten packen.
Murakamis kurzer Roman lässt wie so oft viele Fragen offen. Motive, die zu Beginn wichtig sind (z. B. das Einzelkind-Sein oder später die Firma, die der Vater in Hajimes Namen gründet), werden weiter hinten nicht mehr aufgenommen. Dies kann man sicher negativ sehen, aber für mich gibt es dem Leser Spielraum sich seine eigenen Gedanken zu machen. Wer sind diese drei Frauen in Hajimes Leben, was bedeuten sie? Etwas Geheimnisvolles durchdringt Murakamis Welt auch wenn er wie meist nüchtern und sachlich erzählt.
Vielleicht nicht Murakamis bester Roman (da schließe ich mich der gängigen Meinung an: "The Wind-Up-Bird Chronicle"), für mich damals ein guter Einstieg und jetzt eine schöne Wiederentdeckung.

Völlig unverständlich ist mir weiterhin, warum sich damals im Literarischen Quartett ausgerechnet an diesem Buch dieser unsägliche Streit Löffler/Reich-Ranicki entspann. Es gibt "nur" eine große Sexszene und ich wüsste nicht, was an der ist, um sich daran besonders zu reiben. Es ist eine Geschichte aus Männersicht, Yukikos und Izumis zurückhaltende Art ist mir sicher ebenso fremd wie Shimamoto ... daran habe ich mich aber nicht gestört, das zentrale Thema sind nicht diese konkreten Frauen, sondern verpasste Chancen im Leben, ob und wie man sie nachholen kann, den Einfluss den eigenen Entscheidungen auf das Leben anderer haben.

:stern: :stern: :stern: :stern: / :stern:

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Beitragvon Krümel » 12.08.2009, 10:55

Ich würde das Buch gerne ins Blog übernehmen. Du hast es allerdings in englisch gelesen, kann ich dennoch die deutsche Ausgabe nehmen?
BildLiebe Grüße,
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Beitragvon Katia » 12.08.2009, 11:00

Was spricht gegen die englische? Oder beide?
Die deutsche Ausgabe ist nicht aus dem Japanischen, sondern aus dem Englischen übersetzt, das war mit ein Grund, warum ich diesen Roman nochmal lesen wollte.

Mach' wie Du magst: d, e oder d/e!

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Beitragvon Krümel » 12.08.2009, 11:14

Katia hat geschrieben:Was spricht gegen die englische?


Weil ich doch dann eine neue Kategorie erstellen müsste, strenggenommen, bisher erscheinen im Blog nur deutsche Bücher :lol:
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Beitragvon Katia » 12.08.2009, 11:24

Du kannst es doch einfach unter "Roman" stecken, Sprache ist dabei doch nicht so wichtig, oder? Schon gar, weil ja auch englisch nicht die Originalsprache ist :wink:
Soll ich Dich vorwarnen? About a boy lese ich auch auf englisch :mrgreen:

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Beitragvon Krümel » 12.08.2009, 12:26

Na gut, wird so gemacht :D
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Re: Murakami, Haruki - South of the Border, West of the Sun

Beitragvon Krümel » 03.01.2011, 10:14

Ein wunderbar erzähltes Buch!

Hajime wächst als Einzelkind auf. Und Einzelkind zu sein in den 50 er Jahren des letzten Jahrhunderts in Japan ist gleichbedeutend mit Außenseiter. Denn keine bürgerliche „normale“ Familie wünscht sich nur ein Kind, nein zwei oder drei. Ein Kind steht für Eheprobleme, gesundheitliche Störungen oder finanzieller Engpass.
Hajime lernt in der Unterschule Shimamoto kennen, auch sie hat keine Geschwister, und es verhält sich tatsächlich so, dass sie ganz gleich empfinden, denken und wahrnehmen. Doch als Hajime zur Mittelschule wechselt, ziehen seine Eltern um und die Kinder verlieren sich aus den Augen.
Mit sechszehn lernt dann der Protagonist Izumi kennen, seine erste Freundin, die er küsst und berührt, aber auch diese Liebe verläuft sich, er zieht weiter nach Tokio und studiert. Erst mit Dreißig heiratet er, bekommt zwei Töchter und wird „glücklich“ …

Anders als in „Kafka am Strand“, in dem surreale Elemente in der Übertragung tiefe Lebenserfahrungen spiegeln, verhält es sich bei „Gefährliche Geliebte“ scheinbar ohne surreale Elemente.

„Da Erinnerungen und Sinneseindrücke so ungewiß sind, so vielen Einflüssen unterliegen, beziehen wir uns, um uns die Realität von Ereignissen zu beweisen, stets auf eine parallele Realität - … Inwieweit Tatsachen, die wir als solche anerkennen, wirklich so sind, wie sie uns erscheinen, und inwieweit sie nur darum Tatsachen sind, weil wir sie zu solchen erklären, läßt sich unmöglich entscheiden.“

Ein ganz wunderbares Buch. Murakami versteht es zu erzählen, den Leser in seinen Bann zu ziehen, und obwohl nicht viel geschieht für Spannung zu sorgen, sowie unterhaltsame Lesestunden zu schenken. Danke!

Haruki Murakami 1949 in Kioto geboren, lebte über längere Zeit in Europa und in den USA, und heute lebt in einer Vorstadt von Tokio. Schon sein 1982 erschienener Roman „Wilde Schafsjagd“ wurde ein Welterfolg. Er erhielt mehrere Literaturpreise, für „Gefährliche Geliebte“ den bedeutenden Tanizaki-Preis.

Bewertung: :stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
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Re: Murakami, Haruki - South of the Border, West of the Sun

Beitragvon Katia » 03.01.2011, 13:38

Freut mich, dass Dir dieser Murakami so gefallen hat :-) Es war mein erster und seitdem habe ich jede Menge von ihm gelesen - meistens sehr gerne. Ich freu' mich schon auf sein neues Buch, aber erst muss ich ein Plätzchen im SUB schaffen ;-)

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Re: Murakami, Haruki - South of the Border, West of the Sun

Beitragvon Krümel » 03.01.2011, 14:08

Katia hat geschrieben: Ich freu' mich schon auf sein neues Buch, aber erst muss ich ein Plätzchen im SUB schaffen ;-)


Ey, vielleicht können wir das gemeinsam lesen, würde mich freuen. Ich warte darauf, dass das Buch bei der Büchergilde erscheint.
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Re: Murakami, Haruki - South of the Border, West of the Sun

Beitragvon Katia » 03.01.2011, 20:28

Ich wollte es mir bald mal kaufen, aber ich warte gerne auch eine LR mit Dir! Vielleicht finden wir ja noch ein, zwei Mitleser?

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