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Schoch, Julia - Mit der Geschwindigkeit des Sommers




Schoch, Julia - Mit der Geschwindigkeit des Sommers

Beitragvon Casoubon » 19.03.2009, 12:00

Julia Schoch
“Mit der Geschwindigkeit des Sommers“

ISBN: 978-3492052528
Gebundene Ausgabe: 149 Seiten

Inhalt (von Piper.de):

Die so bewegende wie einsichtsvolle Geschichte einer rätselhaften Frau: Nuanciert und mitreißend erzählt Julia Schoch vom Untergang der DDR und dem Ende aller Träume mit der Erfüllung des Wunschs nach Freiheit.

Vor allem die Frauen waren übermütig, ihre Gesichter leuchteten, und ihr Lachen hörte man die ganze Nacht hindurch. Als hätte ihnen nun der Lauf der Geschichte, die Auflösung unseres Staates, ein Argument für ein eigenes Leben gegeben. Meine Schwester aber, die in der Abgeschiedenheit der Kiefernwälder und des Stettiner Haffs von der Freiheit geträumt hatte, hatte noch nichts, das sich zu verlassen lohnte. Nur die Familie, den Ehemann. Aber sie blieb, traf sich wieder mit ihrem alten Liebhaber und gab sich fast schwärmerisch der verlockenden Vorstellung hin, dass in diesem anderen Staat ein anderer Lebenslauf für sie bereitgestanden hätte. Wäre ich aufmerksamer gewesen, hätte ich ihre verhängnisvolle Entscheidung vielleicht rückgängig machen können.


Meine Meinung:

In dieser Erzählung das Leben einer jungen Frau im Mittelpunkt, die sich in New York das Leben genommen hat. Erzählt wird dieses Leben aus der Sicht der jüngeren Schwester, die den Weg aus der Kleinstadt geschafft hat und nur bei gelegentlichen Treffen oder Telefonaten am Leben der Schwester teilnimmt.


Für mich war bei der Lektüre faszinierend, dass es Julia Schoch gelingt, die Zeit sprachlich darzustellen – das Schnelle der Wende, die darauf folgenden Veränderungen, teilweise hat man das Gefühl durch die Geschichte zu rasen. Sie springt zwischen den verschiedenen Zeiten – erinnert sich an das melancholische Leben in der DDR, das schnelle Leben danach, welches nach Freiheit roch und dann doch irgendwann im „Laufrad“ endete, den Ausbruch aus dem Alltagsrad durch eine geheime Beziehung zu einem ehemaligen Soldaten, den die Schwester bereits zu DDR-Zeiten kennenlernte. Das Leben im „neuen“ Land bringt nicht die Erlösung, es wird von der Schwester als „schwer“ empfunden.
Obwohl es um die eigene Schwester geht, wirkt die Geschichte distanziert – es fallen keine Namen – es gibt die Schwester und den Soldaten.

Hier noch ein paar Zitate, die mir richtig gut gefallen haben:

Wann hatte das angefangen, dieses Rasen der inneren Uhr? Wann war aus dem irren Lauf in die offene Zukunft, die Unbegrenztheit, wie es hieß, dieses Galopp auf der Stelle geworden, bei dem man sich eingrub?


Sie sah sich als flache Magnetfigur, die aber nicht wie üblicherweise an einem Kühlschrank, sondern auf einer Landkarte klebte. Und dort, als ließe die Wirkung des Magnets ganz plötzlich nach, glitt sie langsam nach unten.


Die Lektüre war nicht immer einfach, aber ich habe dennoch jede Seite genossen und denke, dass die Nominierung zum Buchpreis der Leipziger Messe ganz und gar nicht unberechtigt war. Für mich war die Lektüre auf jeden Fall ein Highlight.

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LG,
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von Anzeige » 19.03.2009, 12:00

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Beitragvon Krümel » 19.03.2009, 12:13

Das hört sich aber gut an, danke!
BildLiebe Grüße,
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Beitragvon Casoubon » 19.03.2009, 12:44

@krümel: Bitteschön, war mir eine Freude :D .
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