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Suter, Martin - Die dunkle Seite des Mondes




Suter, Martin - Die dunkle Seite des Mondes

Beitragvon Nikito33 » 20.03.2008, 22:09

Urs Blank ist ein erfolgreicher Wirtschaftsanwalt. Er besitzt ein schönes Auto, eine tolle Wohnung und lebt kinderlos mit einer beruflich eigenständigen Partnerin zusammen.

Eines Tages, bei einem Waldspaziergang, trifft Blank auf Lucille. Das Hippie-Mädchen verkauft an ihrem kleinen Verkaufsstand Räucherstäbchen und andere indische Artikel. Schon bald beginnen die beiden eine Affäre.

Lucille überredet Urs bei einem Drogenexperiment mitzumachen und sie konsumieren zusammen halluzinogene Pilze. Doch Urs kommt nicht mehr von diesem Trip herunter und erleidet ausserdem eine extreme Persönlichkeitsveränderung. Sein Leben gerät völlig ausser Kontrolle.

Blank hat kein Gewissen mehr und lebt völlig ohne Gefühle. Der Wald wird zu seinem einzigen Freund und er zieht sich immer weiter in ihn zurück. Dank seinem Freund der von Beruf Psychiater ist weiss Urs, dass ihn nur eine erneute psychedelische Reise mit Hilfe der Pilze „heilen“ kann.

Die Geschichte ist meines Erachtens genial konstruiert und in einer wunderbaren Absurdität erzählt.

Die Trips der Protagonisten sind sehr fantasievoll und farbig beschrieben. Suter hat hier sehr gut recherchiert oder vielleicht sogar von eigenen Erfahrungen profitiert.

Eindrucksvoll wird auch der Wald und die Welt der Pilze beschrieben.

Man weiss nie so recht ob man den Protagonisten mögen, bemitleiden oder verachten soll, denn auf der einen Seite verhält er sich kalt und abstossend, auf der andern Seite ist er in etwas rein geraten was er nicht mehr selber beeinflussen kann.

:stern: :stern: :stern: :stern:

Bild

Gruss Nikito
Nikito33
 

von Anzeige » 20.03.2008, 22:09

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Beitragvon Susannah » 16.01.2010, 23:03

Kurzbeschreibung:
Staranwalt Urs Blank, fünfundvierzig, Fachmann für Fusionsverhandlungen, hat seine Gefühle im Griff. Doch dann gerät sein Leben aus den Fugen. Ein Trip mit halluzinogenen Pilzen führt zu einer gefährlichen Persönlichkeitsveränderung, aus der ihn niemand zurückzuholen vermag. Blank flieht in den Wald. Bis er endlich begreift: Es gibt nur einen Weg, um sich aus diesem Alptraum zu befreien.


Das Leben von Urs Blank ist Tag für Tag, Stunde für Stunde vorprogrammiert. Er arbeitet in der Anwaltskanzlei, in der er es endlich geschafft hat, zum Partner aufzusteigen, die Abende verbringt er mit seiner Freundin Evelyne und einmal wöchentlich trifft er sich zum Mittagessen mit seinem Freund Alfred Wenger, einem Psychologen.

Auf dem Weg zu einem dieser Essen geht er ausnahmsweise zu Fuß und kommt so durch einen Park, wo er Lucille kennen lernt. Sie verkörpert alles, was in seinem bisherigen Leben nicht vorkommt. Sie verkauft Räucherwerk am Flohmarkt, kleidet sich schrill, lebt ihr Leben als lebenslustiges Hippiemädchen in den Tag hinein. Blank interessiert sich sofort für sie.

Durch sie kommt er in den Genuss der halluzinogenen Pilze. Er isst ein paar davon und der Trip wirkt so stark, dass er sich 1. stundenlang nicht davon erholt und 2. eine dauerhafte Persönlichkeitsveränderung davonträgt: Er hält sich für gottgleich und gibt jeder Gefühlsregung ohne Rücksicht auf die Folgen sofort nach.

Evelyne und Alfred machen sich große Sorgen um ihn und Wenger begleitet ihn (als sein Psychiater) auf einem zweiten Trip, der den ersten rückgängig machen soll. Das funktioniert aber nur, wenn er beim zweiten Mal die gleiche Dosis der gleichen Pilze zu sich nimmt, was sich als nicht durchführbar herausstellt, weil einer der Pilze nicht mehr aufzutreiben ist. Der zweite Trip verändert Blank jedoch nur weiter und so beschließt er, in den Wald zu fliehen und dort als Wilder zu leben und sich auf die Suche nach dem seltenen Pilz zu machen.

Am Ende holt ihn seine Vergangenheit ein und es kommt zu einer folgenschweren Begegnung zwischen ihm und einem ehemaligen Klienten.

Das Buch ist, wie man es von Suter gewohnt ist, großartig geschrieben, die Figuren skurril und trotzdem authentisch. Trotz Blanks Kaltblütigkeit als Anwalt und auch Evelyne gegenüber, gelingt es Suter, ihn als einerseits sympathischen, andererseits armseligen Menschen darzustellen.

Einzig der Schluss hat mich nicht sonderlich begeistert und ist wohl nicht sehr glaubwürdig.

Von mir gibt’s dennoch :stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
Zuletzt geändert von Susannah am 17.01.2010, 11:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Coco » 17.01.2010, 09:28

Danke Susannah, Deine Rezi hat mir gut gefallen, ich bekomme einen guten Eindruck von dem Buch!

Ich war ja am überlegen, ob ich an der LR hier mitmache. Ich habe bislang ein Buch von Martin Suter gelesen (der perfekte Freund), das mir wirklich gut gefallen hat.

Aber die Thematik dieses Buches ist nicht so meins.

Hast Du noch mehr Bücher von ihm gelesen? Kannst Du mir ein anderes empfehlen?
Liebe Grüsse
Coco

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Beitragvon Susannah » 17.01.2010, 11:29

"Ein perfekter Freund" fand ich schon ziemlich genial, aber mein bisheriger Favorit von ihm ist "Small world". (Suter, Martin - Small world).

Außerdem habe ich noch "Der Teufel von Mailand" gelesen, was mir auch sehr gut gefallen hat. Vielleicht schaff ich es heute noch, eine Rezi zu schreiben.

"Lila, lila" und "Der letzte Waynfeld" suben noch bei mir.
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Beitragvon Krümel » 17.01.2010, 11:49

Danke für die Rezi Susannah :D
BildLiebe Grüße,
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Beitragvon Coco » 17.01.2010, 11:59

Danke Susannah, dann werde ich dieses Jahr mal noch "Small World" in meine Auswahl einbauen. :wink:
Liebe Grüsse
Coco

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Re: Suter, Martin - Die dunkle Seite des Mondes

Beitragvon chip » 13.03.2010, 08:21

Ein erfolgreicher Wirtschaftsanwalt und Mittvierziger lernt eine neue Welt kennen, als er die junge Flohmarktverkäuferin trifft. Er ist begeistert vom lockeren Lebensstil dieser jungen Frau und beginnt die Struktur seines eigenen Lebens zu ändern. Eine gewöhnliche Mitlife-Krise, in die er steckt. Lucille, so der Name dieser Frau, lädt ihn eines Tages zu einer Drogenparty ein, die für ihn gründlich schief geht, hat er doch einen Pilz erwischt, der sich mit den anderen nicht verträgt. Durch jenen verhängnisvollen Rausch hat er sein Gewissen abgeschaltet und meuchelt sich nun hemmungslos durch den Tag. Ihm wird im Nachhinein bewusst, was er in Anwesenheit seiner Mitmenschen anstellt, trägt darum die Konsequenz und flüchtet in die Einsamkeit der Wälder. Nun versucht er die unmögliche Suche nach dem seltenen Pilz, um den Rausch zu wiederholen und die schadhafte Stelle seines Geistes zu reparieren.

Soweit die Story, mit der man einige spannende Stunden verbringen dürfte. Wenn sie denn ordentlich erzählt wird. Das aber hat Suter versäumt. Er nimmt sich ein psychologisches Thema vor, vergisst dabei aber die psychologischen Aspekte. Seine Figuren könnten platter nicht sein, nicht einmal ein Schwarz-Weiß-Profil ist erkennbar. Sie haben kein Profil, sie dienen dem Helden eigentlich nur als Richtungsweiser. Selbst der Schicksalsengel Lucille wird nach der Hälfte der Geschichte einfach fallen gelassen, nachdem sie ihre Arbeit, ihm den Weg zu weisen, getan hat. Statt einer ordentlichen Beschreibung der Figuren stopft Suter die Seiten mit völlig nichtigen, unnützen Informationen auf. Er könnte ein ganzes Kochbuch mit Gerichten, die seine Figuren auf ihren Tellern liegen haben, füllen. Anfangs liest sich das Buch noch ansatzweise reizvoll, zum Beispiel die Erkenntnis, dass seine Persönlichkeit einen Schaden genommen hat, später bleibt die Erzählung bloß noch für ambitionierte Pilzsammler und Amateure für Survivaltrainings anziehend. Wir erfahren, wie man Hasen von Eingeweiden befreit und welche Pilzarten in schweizerischen Wäldern heimisch sind, inkl. der lateinischen Bezeichnungen. Quälend lese ich mich durch etliche Wiederholungen, weil der Stoff nicht für 300 Seiten ausreicht und erhoffe mir zumindest ein überraschendes Ende. Doch auch hier werde ich Zeuge einer löchrigen, zufallsgesteuerten Jagd. Ein Buch, das in einer kalten Jahreszeit etwas Wärme zu spenden in der Lage ist - indem man es in den Ofen wirft.
:stern:
chip
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Re: Suter, Martin - Die dunkle Seite des Mondes

Beitragvon Krümel » 13.03.2010, 10:39

chip hat geschrieben: Ein Buch, das in einer kalten Jahreszeit etwas Wärme zu spenden in der Lage ist - indem man es in den Ofen wirft.


Auf die Idee hätte ich eigentlich auch kommen können, klasse, aber ich habs bei Amazon direkt weiterverkauft :mrgreen:
BildLiebe Grüße,
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Re: Suter, Martin - Die dunkle Seite des Mondes

Beitragvon Henry Lassalle » 17.02.2012, 02:40

Deutung zu Martin Suter „Die dunkle Seite des Mondes“ von Henry Lassalle lassallehenry@freenet.de

Im Roman von Martin Suter geht es um den erfolgreichen Wirtschaftsanwalt Urs Blank, der als Spezialist für Fusionen viel arbeitet und ein scheinbar sorgenfreies Leben führt. Seine Londoner Maßanzüge und Schuhe, sein Jaguar, seine Wohnung beschreiben sein Luxusleben. Dennoch stimmt etwas nicht in seinem Leben, denn plötzlich verhält er sich menschenverachtend, er bezeichnet Dr. Fluri wiederholt als „Arschloch“ und Christoph Gerber als „Arschkriecher“. Er beleidigt Evelyns Mäzene und Gäste in ähnlicher Weise und betäubt sich mit Alkohol. - Obwohl Huwyler ihn fördert, ihm einen Riesenauftrag für eine Versicherungsfusion überträgt (28), „hasst er sich dafür, dass er nicht nein sagt“, denn das bedeutet weitere nächtelange Arbeit für ihn. (Huwyler = Förderer/Mäzen von Urs)

Bei Urs Blank zeigen sich bei zunehmender Aggressivität deutliche Anzeichen eines Burnout-Syndroms, bei dem Lustlosigkeit, Gereiztheit, Konzentrationsstörungen auftreten. Es könnte sich ebenso um eine Midlifecrisis (27), Psychovegetative Erschöpfung oder Depressionen handeln. Urs ist ein Workaholic, denn auch für den Arbeitssüchtigen haben Familie und soziale Kontakte kaum mehr Bedeutung, er lebt für seine Arbeit, er verdient viel Geld und hat kaum Zeit sein Geld auszugeben (7). In dieser Hinsicht ist der Roman auch ein psychologischer Roman, Urs Probleme gehen aber weniger als viele Interpreten denken vom Drogenkonsum als von seiner beruflichen Überlastung aus. Auch wenn er seinen Beruf als Berufung sieht, hat er sich den Spaß daran verdorben und die Work-Life-Balance nicht hergestellt, deshalb heißt es „Aber etwas stimmte nicht in seinem Leben … (7)

Das Komplott: Die Haftungsklausel – Die Fusionsverhandlungen –Blanks Skrupellosigkeit
Geradezu kriminell verwendet Urs sein Insiderwissen, denn er erfährt auf Seite 29 von Dr. Geiger, dass Dr. Fluri sich bei seinem „Russlandfeldzug“ übernommen hat und das nächste Jahr nicht durchsteht. Daraufhin entwickelt er mit Pius Ott die Idee einer „nicht unüblichen“ Haftungsklausel, die Dr. Fluri das Genick brechen wird. Der Haupttäter ist Urs, denn er widerspricht Ott und legt fest: „Ab zwanzig Millionen haftet er für die ganze Summe.“(36) Auf Seite 40 lügt Blank Fluri sogar an, er behauptet von der Haftungsklausel, sie gehöre zum Standard amerikanischer Fusionsverträge, dadurch zwingt er Dr. Fluri jene Killerklausel zu akzeptieren. Weil dieser sein Gesicht vor den Verhandlungspartnern wahren möchte, unterzeichnet er, auch wenn er dies nur widerwillig tut (41).
Blank vernichtet Dr. Fluri durch seine Gewissenlosigkeit, er hat auch kein Mitleid mit ihm. Dies wird im Text deutlich, wenn es heißt: „Als er, ohne sich noch einmal umzudrehen, umständlich in den Fond des Taxis kletterte, tat er Blank fast ein wenig leid“ (41/42) – Später fragt Lucille, was er heute getan habe und er gesteht: „Einen alten Mann ruiniert“(45) – Ours blanc heißt französisch „Eisbär“ (=Gefühllosigkeit/Kälte)
Pius Ott glaubt in Blank sein alter ego zu finden, er überlässt Urs sein Jagdmesser mit der Gravur „never hesitate“ mit der Bemerkung: „Wir haben andere Gemeinsamkeiten“. Auf Seite 43 wird davon berichtet, dass Ott noch „bei keinem Anwalt diesen „Killerinstinkt“ entdeckt hatte, den er bei Blank vermutete.“
Wichtig: Urs Blank verwandelt sich nicht erst durch den Drogenkonsum zu einem Killer, auch wenn er vorher nicht ganz so brutal und gewissenlos handelt, verhält er sich menschenverachtend.
„Die dunkle Seite des Mondes“ meint die dunkle Seite unserer Persönlichkeit, die Geltungssucht, und die 7 Todsünden: Habsucht, Hochmut, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Trägheit des Herzens.

Wenn wir das wilde Tier in uns nicht beherrschen, werden wir zu Tätern und zu Schuldigen!

Autobiografische Bezüge? So vorsichtig und fast schüchtern wie Martin Suter in Interviews und Lesungen erscheint, ergibt sich die Frage, ob er nicht selbst schon aus dem Kelch der psychischen Krisen getrunken hat? Zumindest hat er in seinem Werk mehrfach in diese Abgründe geschaut, und dazu kann man einige seiner Romane nennen. So finden sich auch in Lila Lila viele Bezüge zum Literaturbetrieb und zur Hilflosigkeit des Autors, hier „David Kern“.
- Henry Lassalle - „Die dunkle Seite des Mondes“ von Martin Suter
Henry Lassalle
 



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