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Barbery, Muriel - Die Eleganz des Igels




Barbery, Muriel - Die Eleganz des Igels

Beitragvon Nerolaan » 19.09.2008, 11:32

Es ist gelesen. Und jetzt?

Paris, Rue Grenelle 7: hier wohnen zwei außergewöhnliche Frauen.
Renée ist vierundfünfzig Jahre und die Concierge in der Reichenresidenz. Sie verrichtet ihre Arbeit und verkrümelt sich dann in ihre Wohnung. Dort liest sie Tolstoi und beschäftigt sich mit Philosophie. Doch ihre größte Aufgabe ist es, acht zu geben, dass niemand merkt womit sie sich beschäftigt.
Paloma ist ist grade mal zwölf Jahre alt und hochbegabt. In ihrer Hochbegabung glaubt sie, erkannt zu haben, dass das Leben eines Erwachsenen sinnlos ist und fasst einen Entschluss.
Das Leben beider Frauen scheint in festen Bahnen zu laufen, bis Herr Ozu einzieht...

Momentan kann man in jeden Buchladen seiner Wahl gehen und kann sich zur Zeit ziemlich sicher sein, eine dicke Auslage mit Die Eleganz des Igels von Muriel Barbery zu finden. Viele scheinen diesem Buch hinterher zu rennen und so lassen sich viele begeisterte Stimmen vernehmen.

Ich kann diese Stimmen nicht unterstützen.

Die Eleganz des Igels ist ein Buch mit einem starken Mittelteil, aber mit schwachen Anfang und Ende.
Zu Beginn präsentiert uns die Autorin die beiden Protagonisten Renée und Paloma. Beide beschreiben ihr Leben und ihre Absichten und zeigen dem Leser deutlich – allen voran Paloma – welche Intelligenzbestien sie sind.
Beide ergehen sich in philosophischen Betrachtungen und nichts passiert. Dies kostet dann schon etwas Durchhaltevermögen.
Doch das wird belohnt, wenn man dran bleibt.
Die Geschichte gewinnt an Fahrt als der Japaner Kakuro Ozu in das Haus zieht und das ganze Haus zum Ameisenhaufen werden lässt.

Herr Ozu beginnt nicht nur eine Freundschaft mit Paloma, sondern auch mit Renée. Besonders Renée und Herr Ozu verstehen sich blendend und haben viel Gemeinsamkeiten und es scheint, dass beide bald mehr für einander empfinden, als nur Freundschaft.

Dieser Teil des Buch lässt sich richtig gut lesen. Man beginnt mit Paloma und Renée zu fiebern und hofft, dass beide ihr Glück finden.

Und dann kommt das Ende.
Das Ende wirkt im Zusammenhang mit der Vorgeschichte pathetisch und gekünstelt. Das hätte so nicht sein müssen.

Das die Autorin Muriel Barbery Philosophin ist, merkt man dem Buch an: überall finden sich philosophische Gedanken.
Einige sind durchaus interessant und es lohnt sich weiter darüber nachzudenken.
Doch schon ähnlich wie bei Pascal Mercier´s Nachtzug nach Lissabon sind es nur halbgedachte Gedanken, die in die Geschichte eingebaut wurden.
Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Da wäre mir ein philosophischen Sach - /Lesebuch, dass für jedermann verständlich ist, wesentlich lieber gewesen.

Nach beendeter Lektüre bleibe ich ratlos zurück: ich kann nicht sagen, dass es mir gefallen hat, ich kann aber auch nicht sagen, dass ich es nicht mag.

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von Anzeige » 19.09.2008, 11:32

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Beitragvon wolves » 19.09.2008, 12:13

Ui ui, das klingt ja nicht gerade begeistert, was ich so lese. :? Mal sehen wie mein Eindruck von dem Buch werden wird.
Liebe Grüße
wolves


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Beitragvon Nerolaan » 19.09.2008, 13:29

Mhm, ich fand es mittelmäßig: es ist nicht grotten schlecht, aber ich kann mich auch nicht den Begeisterungsstürmen anderer Leser anschließen.

Ich glaube, dass dieses Buch eine arge Geschmackssache ist.

Aber ich wünsche dir viel Spaß, wolves! :-)

Ich habe übrigens die Sterne vergessen: :stern: :stern: :stern:
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Beitragvon wolves » 19.09.2008, 14:17

Nerolaan hat geschrieben:
Aber ich wünsche dir viel Spaß, wolves! :-)
Mal abwarten wie mir dann das Buch gefallen wird. :?
Liebe Grüße
wolves


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Beitragvon Krümel » 19.09.2008, 15:12

Könnte ich mir evtl. am Sonntag dieses Buch mitnehmen? Ich weiß jetzt noch nicht ob ich es mir wirklich kaufen soll :wink:
BildLiebe Grüße,
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Beitragvon Nerolaan » 19.09.2008, 15:15

Natürlich, Krümel! :-)
Ich bringe es dir neben deinen beiden Büchern sehr gerne mit.
Ich leg es auf den Stapel :-)

EdiT: angeblich soll es vergleichbar sein mit Anna Gavalda.
Aber zu dem Vergleich kann ich noch nichts sagen, denn Gavalda muss ich irgendwann mal testen :mrgreen:
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Beitragvon Karthause » 24.09.2008, 18:11

In der Pariser Rue de Grenelle 7 wohnen auch die 12jährige Paloma und die verwitwete 54 jährige Renée. Paloma ist die jüngste Tochter einer reichen Familie. Renée ist die Concierge des noblen Hauses. Beide verbindet ihre ungewöhnliche Intelligenz. Beide versuchen, diese so gut wie möglich zu verbergen. Sie wollen nicht auffallen. So vertrauen sie ihre Gedanken lediglich ihren Tagebüchern an und spielen im Alltag die Rolle, die von ihnen erwartet wird. Das fällt Renée deutlich schwerer, sie ist im Haus eine öffentliche Person, so hat sie in dem den Blicken der Hausbewohner ausgesetzten Bereich Bücher von Barbara Cartland liegen, in ihren privaten Räumen dagegen liest sie Tolstoi. Paloma sieht in dem Leben, das die Erwachsenen führen, keinerlei Sinn, sie will für sich die Konsequenzen daraus ziehen.

Egoismus, Dekadenz, Eitelkeit und Selbstverliebtheit prägen das Bild, das man sich über die begüterten Bewohner dieses Hauses macht. Erst als der Japaner Ozu in dieses Haus einzieht, halten mit ihm Menschlichkeit, Verständnis und Wärme Einzug.

Auf den ersten 100 Seiten habe ich mich mit diesem Buch etwas schwer getan. Einzig die wirklich schöne Sprache hat mich davon abgehalten, es zur Seite zu legen. Stellenweise fühlte ich mich belehrt. Mir waren die Kapitel zu kurz. Die philosophischen Gedanken waren nicht immer zu Ende gedacht. Das Buch fühlte sich für mich an, als hätte sich die Autorin, die selbst Philosophin ist, von „Sophies Welt“ inspirieren lassen. Aber mit Eintritt des Herrn Ozu in die Handlung, gab es für mich beim Lesen die Wende. Erschien mir „Die Eleganz des Igels“ bis dahin etwas blutleer, so las ich von nun an mit viel Freude und Begeisterung weiter. Für meine Anfangsschwierigkeiten wurde ich entschädigt. Der wirklich schöne Stil der Autorin, der durch die Übersetzung nicht gelitten hat, zog sich konsequent durch das gesamte Buch. Das Buch endete für mich unerwartet. Der Schluss erschien mir aber ein wenig zu pathetisch.

Mein Fazit: „Die Eleganz des Igels“ ist ein empfehlenswertes Buch, allerdings hatte ich höhere Erwartungen und war vielleicht deshalb zu Beginn etwas enttäuscht. Es beinhaltet viele Denkanstöße und Gedankengänge, die es wert sind, weiter gesponnen zu werden.

:stern: :stern: :stern: / :stern:
Viele Grüße
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Beitragvon Pippilotta » 24.09.2008, 20:34

Ich konnte heute das Buch in der Bib ergattern, leider ein paar Tage zu spät zu eurer LR.
Jedenfalls habe ich meine vorhandene große Erwartungshaltung etwas heruntergeschraubt ....
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Beitragvon Karthause » 25.09.2008, 07:00

Da bin ich auf deine Meinung nun sehr gespannt. Vielleicht gefällt es dir ja auch sehr gut. Meine Erwartungshaltung war deutlich zu hoch, vielleicht habe ich mich deshalb mit dem ersten Teil des Buches etwas schwer getan.
Viele Grüße
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Beitragvon tom » 28.09.2008, 13:48

Ich hatte keine große Erwartungshaltung gegenüber diesem Buch, es sei denn, dass ein mir lieber Mensch das Buch quasi aufredete. Und ich habe es nicht bereut!

"Natürlich" las ich es auf Französisch und angesichts Eurer Beiträge frage ich mich dann schon, inwieweit in der Übersetzung etwas von dieser schönen Mischung zwischen "Leichtigkeit", Humor und Nachdenklichkeit verlorengeht. Das Buch liest sich fasdt zu schnell, meines Erachtens. Ich finde viele Gedanken weder abwegig noch gremd noch oberflächlich, sondern ziemlich gut.
Ja, in mancherlei Hinsicht findet ein spirituell interessierter Mensch - und damit meine ich Menschen verschiedenster Herkunft - hier und da sehr gute "säkular" erscheinende, aber doch viel mehr offenbarende Wahrheiten, bzw. Annäherungen.
In dieser Hinsicht will ich zum Beispiel den Exkurs über das Rugbyspiel hervorheben, der fast schon eine Einführung in eine bewußte Art in seinem Körper zu sein darstellt. Ganz tolle Bemerkungen (zmindest für mich).

Was den Titekl anbetrifft scheint es mir im Nachhinein relativ klar, dass sich hinter einer relativen "Borstigkeit" eine andere Form der Geschmeidigkeit verstecken kann. So sind diese zwei Frauen-, bzw. Mädchenfiguren nach außen hin etwas ruppig, widerschnäuzig und sonst noch was, doch dahinter liegt eine größere Tiefe als erahnt, will sagen: diese beiden sind eben weit weiser wie es den anderen erscheint.

Mir selber erscheint es nicht so abwegig, dass die wirklich interessanten Menschen sich etwas verbergen und nicht glänzen durch äußere Sichtbarkeit. Ja, es ist vielleicht sogar das Kennzeichen der besonderen und wichtigen Menschen.

Ich liebte das Buch für die gute Mischung zwischen Unterhaltung, Sprache, Weisheit und Humor.

:stern: :stern: :stern: :stern: / :stern:

Und das nächste Buch von Muriel Barbery, bzw. ihr erstes Buch, liegt schon parat!
tom
 

Beitragvon Karthause » 28.09.2008, 15:46

Tom, so weit liegen ja unsere Meinungen nun doch nicht auseinder. Ich hatte schon den Eindruck, dass die Übersetzung gelungen ist, denn die Sprache war ausgesprochen schön. Im anderen Thread hatte ich ja schon geschrieben, dass mich dieses Belehren von Paloma sehr gestört hat. Z. B wurde einige Male darauf hingewiesen, dass es ein Haus mit reichen Bewohnern ist. Dann kommt der Satz, der den Leser, der ganze Zeit vielleicht nicht so aufmerksam war, implizit darauf hinweist, das es ein Haus mit reichen Bewohnern sei. Paloma mag zwar hochbegabt sein, der Leser ist deshalb aber nicht ganz hinterher. Das ist mir an ein paar anderen Stellen auch noch so ergangen. Das dürfte wohl der eine Stern Unterschied in unserer Bewertung sein. Deshalb den Augenroll-Smiley setzen zu müssen, ist sicher genauso subjektiv zu betrachten, wie eine Buchbewertung in jedem Fall ein subjektives Empfinden widerspiegel.
Viele Grüße
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Beitragvon Siebenstein » 28.09.2008, 17:37

tom hat geschrieben:Mir selber erscheint es nicht so abwegig, dass die wirklich interessanten Menschen sich etwas verbergen und nicht glänzen durch äußere Sichtbarkeit. Ja, es ist vielleicht sogar das Kennzeichen der besonderen und wichtigen Menschen.


Du sprichst mir aus der Seele, @Tom. Als ich hörte, dass es in dem Buch um zwei Frauen geht, die ihr wahres Selbst nicht leben können und sich hinter einer Fassade verstecken (müssen), wußte ich sofort, dass ich das Buch lesen werde - ich liebe diese Thematik in allen Variationen! Aber was die Autorin daraus gemacht hat, fand ich enttäuschend. Die dauernden Belehrungen/Vorträge waren mir in dieser Form einfach zu dick aufgetragen, die Figuren wirkten dadurch auf mich überfrachtet. An anderer Stelle habe ich irgendwo geschrieben, dass ich den Eindruck hatte, die Autorin benutzt ihre Figuren, um auf Teufel komm raus ihre philosophischen Ergüsse unterzubringen. Deshalb ist es aber noch lange kein schlechtes Buch. Meine Erwartungshaltung war nur einfach aufgrund der vielversprechenden Thematik sehr hoch.

Liebe Grüße
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Beitragvon tom » 28.09.2008, 18:15

Ich glaube, dass ich Euch jetzt etwas besser verstehe mit dem Auftragen und Belehren in jenen Exkursen. Das müssen wir dann eben so stehen lassen, das es für den einen/die eine eher so, eher so wirkt.

Tut mir leid, wenn ein Smiley oder eine Bemerkung von mir fehl am Platze war!
tom
 

Beitragvon wolves » 29.09.2008, 07:42

Das ich bei derartig unterschiedlichen Meinungen schon mal meine nächste Lektüre nach der guten "Effi Briest" erahne, ist euch doch schon klar?
Jetzt will ich mir wirklich mal einen eigenen Eindruck von dem Buch machen. :D

@Tom: Ich fand jetzt nicht, dass sich irgendjemand von einer Äußerung von dir angegriffen gefühlt hatte. Ich hatte eher den Eindruck, dass so angestupst, ein interessanter Austausch begonnen hatte. :D
Liebe Grüße
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Beitragvon Karthause » 29.09.2008, 08:15

wolves hat geschrieben:@Tom: Ich fand jetzt nicht, dass sich irgendjemand von einer Äußerung von dir angegriffen gefühlt hatte. Ich hatte eher den Eindruck, dass so angestupst, ein interessanter Austausch begonnen hatte. :D


Wolves, ich hatte in meinem Beitrag eine kleine Spitze bezüglich eines Smileys von tom im anderen Thread. Angegriffen oder beleidigt fühlte ich mich dadurch natürlich nicht. Ich kann tom auch verstehen, wenn ihm das Buch so gut gefallen, hofft er natürlich auch, dass bei den anderen Leseren die gleiche Begeisterung aufkommt. Das war wieder so eine Sache, die im persönlichen Gespräch durch Blicke und Gesten ganz anders rüber gekommen wäre.
Viele Grüße
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