Buch der 1000 Bücher
Copyright: Aus Das Buch der 1000 Bücher (Harenberg Verlag)
Der Glöckner von Notre-Dame
OT Notre-Dame de Paris. 1482 OA 1831 DE 1831 Form Roman Epoche Romantik
Der Roman Der Glöckner von Notre-Dame von Victor Hugo ist einer der letzten großen historischen Romane der Romantik in Frankreich.
Entstehung: Das Mittelalter weckte bei Hugo wie auch bei anderen Romantikern eine Sehnsucht nach dem Unbekannten. Außerdem verstand der Autor das Spätmittelalter als Epoche des Übergangs sowie kulturell-gesellschaftlicher Veränderungen. Darin sah er einen Bezug zu den historischen Ereignissen der Julirevolution 1830. Hugo gestaltete etliche Passagen seines Manuskripts neu, indem er die Volksmassen ins Zentrum des Geschehens rückte.
Inhalt: Im Mittelpunkt der Handlung stehen die junge Zigeunerin Esmeralda, eine Bettlerin und Tänzerin, sowie der verwachsene und taube Quasimodo, ein Findling, der – aufgrund der Initiative des Archidiakons von Notre-Dame, Claude Frollo – das Amt des Glöckners ausübt. Einst bekundete Esmeralda ihr Mitleid für Quasimodos Missbildung, Quasimodo ist ihr in Treue und versteckter Liebe zugetan.
Am Tag des Narrenfestes wird Quasimodo zum Narrenpapst gewählt, nachdem das Publikum dem Dichter Pierre Gringoire und seinem Mysterienspiel die Anerkennung verweigert hat. Dieser wird in der Nacht Zeuge, als Quasimodo versucht, Esmeralda im Auftrag Frollos zu entführen. Das Unternehmen wird von einer Streife königlicher Bogenschützen unter ihrem Anführer Phoebus de Châteaupers entdeckt. Claude Frollo gelingt es nicht, Esmeralda für sich zu gewinnen, da diese sich in Châteaupers verliebt. Deshalb bringt Frollo seinen Widersacher um, bezichtigt Esmeralda der Hexerei und des Mordes, worauf sie in die Hände der Inquisition gerät. Als Frollo ihr die Flucht anbietet, lehnt sie ab. Esmeralda soll hingerichtet werden. Quasimodo rettet sie vor dem sicheren Tod und flüchtet mit ihr in die Kathedrale, wo sie sicher ist und Asyl genießen darf. Unter dem Vorwand, Esmeralda retten zu wollen, bringt Frollo sie aus der Kathedrale und liefert sie der Justiz aus.
ACHTUNG SPOILER!!!!
Esmeralda wird als Hexe gehängt. Den wahren Drahtzieher kennt niemand, bis sich Frollo, der den Vorgang vom Kirchturm aus verfolgt und dabei von Quasimodo beobachtet wird, durch seine Freude verrät. Quasimodo stürzt ihn von einer der Turmgalerien in die Tiefe. Sein Leid überwindet Quasimodo jedoch erst, als er am Grab Esmeraldas stirbt.
Aufbau: Gemäß der eigenen Zielsetzung Hugos, Episches mit Dramatischem zu verbinden, weist der Roman Züge eines Dramas auf. In den zahlreichen episodenreichen Handlungssträngen deckt der Erzähler Zusammenhänge erst rückblickend auf, um, davon ausgehend, die Handlung weiterzuentwickeln. In epischen Ausschweifungen präsentiert der Erzähler Bilder mit teilweise visionärem Charakter. Die Verbindung von historischem, romantischem und realistischem Kolorit gelingt Hugo auf beeindruckende Weise, obwohl man ihm gerade dies oft zum Vorwurf gemacht hat.
Wirkung: Der Glöckner von Notre-Dame wurde zum Inbegriff der Romantik, mit dem sich die Ideale einer neuen Epoche durchsetzten. Hugo paart in seinem Roman Figuren von hoher Durchschnittlichkeit mit auffallend bizarren Charakteren. Diese feine psychologische Darstellung bewegte Alphonse de Lamartine (1790–1869) dazu, in Hugo einen »Shakespeare des Romans« zu sehen. Von den Vertonungen wurde die Oper Notre Dame (1914) von Franz Schmidt (1874–1939) am bekanntesten. Zuvor hatten mehrere Komponisten, darunter Ambroise Thomas (1811–96), Bearbeitungen für das Musiktheater erstellt. Die Reihe von Verfilmungen des Buchs setzte bereits 1905 ein und reicht über die Quasimodo-Darstellung Anthony Quinns in den 1950er Jahren bis hin zu einer Disney-Zeichentrickversion (1996).
Meine Meinung:
"Was lange währt, wird endlich gut" oder: Lange hat es gedauert, diesen Roman zu beenden, aber die Geduld hat sich gelohnt.
Durch die Disney-Verfilmung hatte ich eine grobe Vorstellung davon, was mich erwarten würde, aber natürlich haben Verfilmung und Romanvorlage fast keine Berührungspunkte.
Auf jeder Seite erhält der Leser Unmengen von Informationen, so dass es anfangs nicht einfach ist, den Überblick zu behalten. Es treten viele Personen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten auf, wobei häufig vorausgesetzt wird, dass man ihren Stand, ihre Befugnisse und ihr Klassenbewusstsein kennt (später im Roman gibt Hugo darüber viel freigiebiger Auskunft).
Es gibt ein Kapitel, in dem Hugo die Baukunst der Katheralenbauer preist und aus dem Kapitel geht hervor, dass "Notre-Dame de Paris" (wie auch der Titel meines Buches ist) und die Stadt Paris die eigentlichen Haupt"personen" des Romans sind. Vor ihrer Kulisse spielen sich Tragödien ab, denn eigentlich beinhaltet jeder Handlungsstrang in diesem Klassiker tragische Züge. Wirklich glücklich ist niemand.
Zwischen den Zeilen verspürt der Leser die Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die besser ist als das nachrevolutionäre Paris, in dem sowohl Autor als auch Erzähler leben.
Sehr gut haben mir die kurzen Kapitel gefallen, die es erlauben, das Buch auch mal zur Seite zu legen, ohne den Faden zu verlieren. In meiner Ausgabe finden sich in regelmäßigen Abständen zeitgenössische Illustrationen, die ebenfalls dazu beitragen, das beschriebene stärker aufzunehmen.
Victor Hugo schreibt mit einer herrlichen Ironie und gesundem Sarkasmus, steht über den Schwächen der Menschen und scheint diese sogar zu belächeln. Dadurch entsteht ein sehr kraftvolles und letztendlich verstörendes Sittenbild einer vergangenen Zeit.