In „Ein Kind“ hat Thomas Bernhard seine Erinnerungen an die Kindheit – bis zum 13. Lebensjahr – niedergeschrieben. Von der Geburt in Holland, wohin die werdende – ledige – Mutter flüchtete, um der „Schande“ zu entfliehen, den ersten Lebenswochen unter der Obhut einer Fischersfrau bis hin zu Lebensabschnitten in Wien, Henndorf und Traunstein. Glücklich war er nirgends, die Mutter versuchte immer, ihn irgendwo „unterzubringen“. Der aufmüpfige, rebellische Junge überforderte sie und sah sie als einzigen Ausweg oft nur die körperliche Züchtigung mit dem Ochsenziemer. Schon damals wurde er als „Unruhestifter“ bezeichnet, ein Attribut, das er sein Leben lang behalten wird.
Einzig zu seinem geliebten – ihm wesensverwandten - Großvater, der Schriftsteller Johannes Freumbichler, kann er eine enge Beziehung aufbauen, wenn auch dessen fragwürdige Haltung zu Anarchie, Revolution und Widerspruch genau diese Züge in dem jungen Thomas aufstacheln und verstärken.
Diese Lebensgeschichte ist sehr nüchtern geschrieben, lange verschachtelte Sätze wechseln sich mit kurzen, abgehackten ab. Die Zeitsprünge halten den Spannungsbogen und ergibt sich erst mit der letzten Seite ein vollständiges Bild dieser Kindheit. Es ist allerdings die Sicht der Dinge aus der Perspektive des Kindes, es wäre auch interessant, die „andere Perspektive“ kennenzulernen. Aber sie gibt doch Anhaltspunkte zum Verständnis, warum Thomas Bernhard so war, wie er war. Die Wurzeln für seine Persönlichkeit sind sicher auch in der seiner Kindheit zu finden
