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Meyer, Krzysztof - Schostakowitsch




Meyer, Krzysztof - Schostakowitsch

Beitragvon mombour » 21.10.2011, 09:52

Hallo,

(zu unserer Biografien-Challenge kann diese Rezension nicht gezählt werden, da ich den allergrößten Teil des Buches schon im September gelesen habe)

Diese Biografie des Komponisten Krzysztof Meyer, in Krakau geboren, seit 1987 Professor für Komposition an der Musikhochschule in Köln, ist erstmals 1972 erschienen und wurde 1998 überarbeitet. Über 500 Seiten lang erzählt Krzysztof Meyer über das Leben und die Musik des sowjetischen Komponisten Dimitri Schostakowitsch, den ich gerne als letzten großen Klassiker der Musikgeschichte bezeichne. Im Vorwort erklärt Meyer von den Schwierigkeiten, einer Biografie über Schostakowitsch zu schreiben, denn der Zugang zum Quellenmaterial war schwierig oder auch gar unmöglich. Ohne politischer Zeit – und Kulturgeschichte kann sich mit Schostakowitsch nicht beschäftigt werden, denn er war sehr tief in der Sowjetunion verankert, er war verstrickt mit der politischen Führung im Kreml, die von dem Komponisten und von allen sowjetischen Komponisten forderte, für die Sowjetunion zu komponieren und nicht dagegen. Die Kremlführung wollte Macht und Kontrolle über Künstler haben. Manche Komponisten wurden, damit sie nicht weiter verfolgt wurden, dazu verdammt, nur noch russische Volksliedbearbeitungen o.ä. zu schreiben. Schostakowitschs Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ wurde in dem Artikel „Chaos statt Musik“ in der Prawda vom 28.01.1936 dem Erdboden gleichgemacht. Natürlich sind solche VorwürfeDiese Biografie des Komponisten Krzysztof Meyer, in Krakau geboren, seit 1987 Professor für Komposition an der Musikhochschule in Köln, ist erstmals 1972 erschienen und wurde 1998 überarbeitet. Über 500 Seiten lang erzählt Krzysztof Meyer über das Leben und die Musik des sowjetischen Komponisten Dimitri Schostakowitsch, den ich gerne als letzten großen Klassiker der Musikgeschichte bezeichne. Im Vorwort erklärt Meyer von den Schwierigkeiten, einer Biografie über Schostakowitsch zu schreiben, denn der Zugang zum Quellenmaterial war schwierig oder auch gar unmöglich. Ohne politischer Zeit – und Kulturgeschichte kann sich mit Schostakowitsch nicht beschäftigt werden, denn er war sehr tief in der Sowjetunion verankert, er war verstrickt mit der politischen Führung im Kreml, die von dem Komponisten und von allen sowjetischen Komponisten forderte, für die Sowjetunion zu komponieren und nicht dagegen. Die Kremlführung wollte Macht und Kontrolle über Künstler haben. Manche Komponisten wurden, damit sie nicht weiter verfolgt wurden, dazu verdammt, nur noch russische Volksliedbearbeitungen o.ä. zu schreiben. Schostakowitschs Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ wurde in dem Artikel „Chaos statt Musik“ in der Prawda vom 28.01.1936 dem Erdboden gleichgemacht. Natürlich sind solche Vorwürfr bodenloser Unsinn. Die Sowjetbonzen, das zeigt diese Biografie auch, hatten keine Ahnung von Musik und Kunst. In dem Artikel steht drin, die Musik verneine die Oper, der Komponist bediene sich der nervösen, verkrampften und hysterischen Jazzmusik, die Musik gehe auf mangelnde Begabung des Komponisten zurück oder auf das Unvermögen, starke und einfache Gefühle in der Musik auszudrücken, die „Liebe“ werde in der Oper auf ausgesprochen vulgäre Art ausgebreitet, der Komponist soll sich auch nicht um die Erwartungen der sowjetischen Kultur gekümmert haben, er chiffriere seine Musik durch Zusammenklänge, die nur Formalisten und Ästheten interessieren können, deren Geschmack sich schon längst verformt habe usw…

Wenn wir über Schostakowitchs Studienjahre lesen, können wir leicht erkennen, dass sich ein Generationswechsel von Komponisten vollzieht. Glasunow, der Tschaikowski und Rimsky-Korsakoff noch persönlich gekannt hat, vertrug die Modernen nicht. Mit Strawinsky, Prokofiew und den neuartigen Klängen von Schostakowitsch konnte er nichts anfangen, auch wenn er Dimitris Talent erkannte. Ähnlich erging es auch Maximillian Steinberg, Schostakowitschs Lehrer im und Konservatorium.

„Als Schostakowitsch kam und mir seine Aphorismen zeigte, sagte ich ihm, dass ich nichts davon verstünde, und dass mir diese Musik völlig fremd sei.“


Zeitweise musste Schostakowitsch Angst haben, selber verhaftet oder umgebracht zu werden. Künstler in seinem Umkreis fielen dem Stalinterror zum Opfer. Ab 1946 setzte eine harte Welle von Repressalien ein. Alles was aus dem Westen kam, wurde verteufelt: Jazz, Unterhaltungsmusik, Zwölftonmusik als Kakophonie verpönt. Besonders auch Literaten wurden verfolgt. Krzysztof Meyer hat den richtigen Weg eingeschlagen, und schreibt in Extrakapiteln über sowjetische Kulturpolitik. Natürlich dürfen wir nicht denken, Schostakowitsch habe unter dieser Diktatur keine Erfolge gehabt. Das stimmt natürlich nicht. Im Grunde genommen galt Schostakowitsch den Sowjets sogar als Vorzeigekomponist, obwohl, dafür gibt es genügend Hinweise, der Komponist sich niemals der Kremldiktatur unterworfen hat. Das zeigt auch diese Biografie. Schostakowisch befand sich ständig im Kampf, sich nicht völlig unterkriegen zu lassen. Nach dem Sieg in der Schlacht bei Stalingrad, erwarteten die Staatsbonzen eine heitere Symphonie des Sieges, Schostakowitsch aber einer sehr lange Symphonie des Trauers komponierte, die Achte, die zu den größten Meisterwerken des Komponisten zählt. Sie gedachte der Opfer. Die Symphonie Nr. 9, die dann wirklich den Sieg symbolisiert, ist zwar sehr heiter, aber ziemlich kurz. Ale er 1960 quasi mehr oder weniger gezwungen wurde, der Komunisischen Partei beizutragen, vergoss er sehr viele Tränen. Es ist kaum zu verstehen, wie Schostakowisch den Druck durch den Staat aushalten konnte. Immerhin schrieb er seit seit seinen Jüdischen Liedern, 1948, viele Jahre lang nur für die Schublade.

Da Krzysztof Meyer, der Autor dieser Biografie, selbst Komponist ist, erfahren wir über die Musik Schostakowitschs sehr viel. Viele Werke werden beschrieben, und dieses kann auch ohne große Bildung in Musiktheorie gut verstanden werden. Diejenigen, die Musiknoten lesen können, erfreuen sich sicher über die zahlreichen Notenbeispiele. Meyer ordnet ein, welche Stellung einzelne Musikwerke im Gesamtschaffen des Künstlers haben. Meiner Ansicht nach sollte während der Lektüre auch die besprochene Musik gehört werden. Eine gute Chance, sich in diese Musik zu vertiefen, da auch Meyer uns in seinen Beschreibungen einen Zugang zur Musik öffnet. Schostakowitschs Musik ist mal traurig, dann lustig, grotesk, witzig. Das Hörstudium seines Werkes hat mir deutlich gezeigt, dass seine Musik ein reichliches Spektrum von Emotionen ausdrückt. Einige Symphonien und andere Werke kannte ich ja schon, neu hinzugekommen ist besonders meine Aufmerksamkeit auf seine Streichquartette. Auch für Leser, die sich für ein Künstlerleben in der Sowjetunion interessieren, ist die Beschäftigung mit Schostakowitsch unerlässlich. Es ist natürlich verständlich, dass Meyer als Komponist insgesamt genauer über die Musik zu schreiben weiß als über Sowjethistorie. Als Ergänzung bieten sich Bücher des Historikers Kurt Schlögel („Terror und Traum. Moskau 1937“) o.a. an. Wahrscheinlich ist es dem Autoren dieser Biografie nicht anzulasten, dass wir in dieser umfangreichen Biografie verhältnismäßig wenig persönliches über den Autor erfahren. Schostakowitsch war etwas schüchtern, hatte nur sehr wenig intimere Freundschaften, und zeigte sich in manchen Situationen doch etwas merkwürdig, was nicht unbedingt jeder außenstehende verstand. In dieser Hinsicht wissen wir sicher viel mehr über Beethoven, als über Schostakowitsch.

Meyer hat geschrieben:„Sein Verhalten entzog sich einer eindeutigen Beurteilung. Die einen sahen in ihm einen Opportunisten, andere wiederum respektierten sein Verhalten, in dem sie Beweise für eine Ablehnung des sowjetischen Machtanspruchs erkannten. Es gab auch einzelne, die Schostakowitsch für einen typischen russischen Sonderling hielten – einen Menschen, der den Tölpel spielt und unter der Narrenmaske der Welt auf umständliche Weise die Wahrheit sagt, wobei er seine Gedanken absichtlich in raue, farblose und ungelenke Worte kleidet.“


Der Anhang ist vorbildhaft. Neben Werkverzeichnis und anderen Selbstverständlichkeiten finden wir auch Inhaltsangaben der Opern „ Die Nase“ und „Lady Macbeth von Mzensk“.

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Liebe Grüße
mombour
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von Anzeige » 21.10.2011, 09:52

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Re: Meyer, Krzysztof: Schostakowitsch

Beitragvon Krümel » 21.10.2011, 10:35

Danke mombour!
Deine Ehrlichkeit ist löblich, sowie - kommt dennoch ins Blog :flower:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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