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Nasar, Sylvia - Genie und Wahnsinn




Nasar, Sylvia - Genie und Wahnsinn

Beitragvon Katia » 17.04.2009, 11:52

[center]Sylvia Nasar: Genie und Wahnsinn - Das Leben des genialen Mathematikers John Nash[/center]

"A beautiful mind" mit Russell Crowe - ein Film über das Leben eines Mathematikers? Ausgezeichnet mit einem Oscar? Den Film habe ich nie gesehen, aber nachdem mir nun von mehreren Seiten vorgeschwärmt wurde, meist mit "Was? Du kennst den nicht?" verziert, habe ich beschlossen das Buch zu lesen. Fast 500 Seiten mit entsprechend umfangreichem Anmerkungsapparat, leider nur wenigen Bildern, versprechen Ausführliches.
Skepsis habe und hatte ich gegenüber einer Biographie eines lebenden Menschen mit dem die Autorin aber anscheinend nicht gesprochen hat - interviewt hat sie aber viele, viele von Nashs Wegbegleitern, so dass eine prall gefüllte sehr lesenswerte Biographie entstand.

Ausführlich beschreibt sie seinen Weg als "Genie" (bis ca. zum Alter von 30 Jahren), seine wissenschaftlichen Erfolge, sein Privatleben. Dann die zunehmenden Epsioden in psychiatrischen Klinken, der paranoiden Schizophrenie. Auf nur gut 100 Seiten wird die Zeit von 1965, die Vergabe des Nobelpreises und Nashs Remission abgehandelt.

Mir hat es großen Spaß gemacht in die Welt des MIT, des Institute of Advances Studies in den 50er und 60er Jahren einzutauchen, viele Namen bekannter Mathematiker zu lesen. Zwar kommt die Community nicht besonders gut weg, die meisten werden als schrullig, überehrgeizig und sozial wenig kompetent beschrieben, so dass ich mich manchmal über die Klischees ärgerte. Aber vermutlich ist mein Blick da auch nicht neutral :wink:

Sehr spannend der Abschnitt über die Diskussion und internen Querelen bei der Nobelpreisvergabe - ein Blick hinter die Kulissen der noblen Kommission.

Nasar lässt sich auf wenige Spekulationen bzgl. Nashs Krankheit und Heilung ein - was dem Buch nur gut tut. Sie beschreibt mit gebotener Neutralität, versucht die Behandlungsmethoden, Klinikeinweisungen zwar zu beurteilen, aber ohne zu verurteilen. Wahnvorstellungen beschreibt sie ohne Sensationslust, distanziert und oft in den Worten des Kranken oder seiner Briefe. (Hier scheint sich das Buch vom Film stark zu unterscheiden.)

Weniger gelungen ist die Übersetzung, allgemein nicht gerade elegant zu nennen werden mathematischen Begriffe oft falsch übersetzt. Merke: es gibt mathematische Wörterbücher, die man in einem solchen Fall benutzen sollte - auch wenn ich über die "verwandte Komponente" herzlich gelacht habe (englisch: connected component, richtiges deutsch: Zusammenhangskomponente).

Auch wenn die Biographie sich laut NZZ "wie ein Roman" liest, sollte man ein gewisses Interesse für den Wissenschaftsbetrieb mitbringen, sonst könnte die Lektüre sich doch als etwas zäh erweisen. Es erwartet den Leser ein höchst ungewöhnliches Lebens eines ungewöhnlich begabten Mannes: Genie und Wahnsinn.

Von mir gibt's :stern: :stern: :stern: (:stern:)

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