Wer bei dem irreführenden Cover des Romans der Verlockung erliegt und auf einen verklärenden, romantischen Schmachtfetzen hofft, wird bei der Lektüre von Székelys gnadenlos gesellschaftskritischen Roman, mit seinen unbarmherzig ehrlichen Beschreibungen von Armut und Klassengesellschaft, ein böses Erwachen erleben.
Székely lässt Protagonist Béla in seinem autobiographisch gefärbten Roman durch die Hölle gehen.
In der ungarischen Provinz gibt Bélas junge Mutter den unehelich gezeugten Jungen in eine Art Heim für arme Bankerte und zieht nach Budapest, um dort zu arbeiten. Sie hat kaum eine Bindung zu dem Jungen.
Betreut von der, ihm nicht sehr wohlgesonnenen, geldgierigen ehemaligen Hure Tante Rozika, wird der Junge in schlimmster Armut und Hunger groß. Liebe und Geborgenheit sind ihm fremd und machen ihn sogar Angst, wohl aber kann er Prügeln und lernt zu überleben. Trotz all dem hat Béla ein großes Bedürfnis nach Wissen und schafft es bald sogar die Schule besuchen zu dürfen. Er entpuppt sich als einer der gelehrigsten Schüler der Schule.
Nach dem er eines Tages, in einem besonders harten Winter, beim Diebstahl von Schuhen erwischt wird, muss Béla das Dorf verlassen und muss zu seiner Mutter, mit der er jahrelang keinen Kontakt mehr hatte, nach Budapest ziehen. Anfangs scheint der Junge von der Veränderung in seinem neuen Leben und von der großen Stadt begeistert. Schnell stellt sich jedoch heraus, dass die Mutter in sehr ärmlichen Verhältnissen lebt und Béla auch die geliebte Schule fortan nicht mehr besuchen darf, sondern eine Lehre in einem Hotel beginnen muss. Die Träume des Jungen zerplatzen, nur der Wunsch dieser Armut zu entkommen treibt ihn voran.
In dem Hotel lernt Béla erstmals die andere Seite kennen, Reichtum und Dekadenz, die ihn zunächst magisch anzieht; verkörpert von der Exzellenz, einer betörend schönen, aber ebenso unberechenbaren Dame der High Society. Der junge Mann schwankt zwischen den Welten der schlimmsten Armut und des Reichtums. Als seine Exzellenz ihn zu ihrem Geliebten macht erliegt er schließlich der Welt des Glanzes und droht dabei sich selbst zu verraten und zu zerstören.
In dem 800 Seiten langen Roman lässt Székely dem Leser viel Zeit und Raum, um den jungen Béla genauestens kennenzulernen. Die Kindheit des Jungen und auch seine Gedanken lassen den Leser nicht mehr los. So fühlt man sich denn auch sehr verbunden mit Béla, man versteht ihn, leidet und bangt mit ihm. Verlockung ist eine stilistisch einfach gehaltene Geschichte, aber mit berauschender Gedankenfülle und einmalig plastischen Bildern. Székelys Wut und Ohnmacht über die Zustände zu jener Zeit in seinem geliebten Heimatland scheint in jeder Zeile durch. Oft ist der Roman dadurch auch sehr sozialkritisch und/oder politisch. In einigen Monologen schreit der Autor förmlich: Schaut auf mein Land! Seht was wir durchgemacht haben und noch immer durchmachen! Der Leser wird in diesem Buch nicht in Watte gepackt, er wird mit der harten Keule traktiert.
Auch heute ist das Buch noch sehr aktuell und einigen Menschen in meinem Umfeld würde ich dieses Buch gerne zur Pflichtlektüre machen. Vieles hat dieses Buch in mir bewirkt.
Das Buch ist uneingeschränkt als Meisterwerk weiterempfehlen! Daher: