Schauplatz: ein kleines Dorf im Bayerischen Wald, Mitte der 50er Jahre.
Die fünfköpfige Familie, Bewohner des Einödhofs „Tannöd“ und deren Magd werden erschlagen aufgefunden, vom Täter fehlt jede Spur.
Diese Meldung entnimmt der Erzähler dieses Kriminalromans der Zeitung und begibt sich in den Ort um näheres in Erfahrung zu bringen. Er ist mit dem Dorf insofern verbunden, dass er kurz nach dem Krieg dort einen Sommer bei Verwandten verbrachte. So ist er ein Bekannter, aber dennoch ein Fremder, der wieder geht, dem die sonst in sich gekehrten, auf Zusammenhalt bedachte Bwohner, Antworten auf seine Fragen geben.
In abwechselnder Folge sind nun zum einen Aussagen, Meinungen, Spekulationen, Gerüchte und Tratsch der befragten Dorfbewohner zu lesen.
Zum anderen beobachten wir den Mörder, der sich erst im letzten Kapitel zu erkennen gibt, vor, während und nach seiner Tat.
Durchzogen wird das Buch zudem immer wieder von Fürbitten, die der „Litanei zum Trost der armen Seelen“ entnommen wurden.
Dieser Debütroman von Andrea Maria Schenkel beruht auf einem realen sechsfachen Mord, der 1922 in einem kleinen bayerischen Flecken stattgfand, aber nie zur Aufklärung kam.
Meine Eindrücke:
Ein Kriminalroman, der sehr eigenwillig daher kommt. Kein Kommisar, kein Detektiv, ja noch nicht einmal ein Pathologe erscheinen in diesem Buch, geschweige denn eine wilde Hetzjagd auf den Täter.
Für mich, eigentlich eine Krimi-Liebhaberin, sehr erholsam, nicht wieder ein Buch nach den ewig gleichen Strickmustern in unzähligen Folgen in Händen zu halten.
Wir lernen die Dorfbewohner, samt der ermordeten Personen, sowie die Verflechtungen und Beziehungen aller untereinander, anhand von persönlichen Aussagen kennen.
Und ich fühlte mich tatsächlich mitten in diesem Dorf, es war, als spräche ich mit den Bewohnern selbst, als würden mir anhand dieser Gespräche, dieses Tratsches, immer mehr Informationen gegeben.
Alles erscheint realitätsnah, jeder weiß alles von jedem (oder meint es zu wissen) aber nach außen steht die Gemeinschaft geschlossen da, selbst Verbrechen werden unter dem Vorwand „das geht mich nichts an“ vor der Außenwelt verborgen.
Der Mord ansich, sowie die Klärung, wer denn nun der Mörder war, sind unspektakulär dargestellt, es lässt sich auch sehr bald vermuten, wer der Täter war.
Beeindruckend ist vielmehr das Porträt einer dörflichen Gemeinschaft, die auf Aussenstehende fast gar gruselig wirken kann.
Die klare, knappe, manchmal harte Sprache entspricht dem Leben in diesem kleinen Dorf, in dem die Bewohner mit wenig Komfort und Luxus ihre Leben bestreiten.
Im krassen Gegensatz stehen dazu die Fürbitten der „Litanei zum Trost der armen Seelen“, ein Sinnbild für den Glauben, dass das Leben besser werden wird, im Diesseits oder im Jenseits und dass es den Einen gibt, der es richten wird, der in der Not da ist, der alle Pein aushalten lässt.
Besser kann eine dörfliche Struktur aus dem katholischen Süden nicht mehr beschrieben aufgezeigt werden.
„Tannöd“ erhielt den Deutschen Krimi Preis 2007 sowie den „Friedrich Glauser Preis 2007“ –
Dieses kleine Buch hat beide Preise zu Recht verliehen bekommen.
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