Wie in dem Roman „Ein Jude als Exempel“ wird auch hier eine historische Greueltat als Romanvorlage gewählt. Im Jahre 1903 wird im Dorf Ropraz im Kanton Waadt die Leiche der zwanzigjährigen Rosa Gilliéron aus der Grabesruhe gerissen, brutal verstümmelt und geschändet. Der Täter hinterläßt auf dem Friedhof ein Bild des Schreckens, ein Monster muss hier in blinder Wut gewütet, sich sexuell entladen haben. Ein Bild des Grauens fährt durch das Dorf, Zeitungsmeldungen gehen um die Welt und schnell ist der Vampir in aller Munde. „Der Vampir von Ropraz“, so wird das Unwesen genannt. Die Dorfbevölkerung setzt die Ermittler unter Druck, dieses Monster dingfest zu machen, denn es gibt im Umkreis weitere Leichenschändungen. Die Polizei findet ein Opfer, dass für die Untaten des Vampirs strafrechtlich belangt werden soll.
Ropraz, ein kleines hinterwäldlerisches Dorf im Sumpf von Aberglauben, Hexerei und Geisterbeschwörung, im Sumpf von Sodomie und Inzest – kein Wunder, dass hier ein Vampir wütet. Dieses Dorf, so wird es vermittelt, weitab von der Zivilisation. Ein Dorf für sich.
Chessex hat geschrieben:Inzest und dumpfes Brüten, im zölibatären Schatten, des ewig begehrten und verbotenen Fleischlichen.
Der sexuelle Notstand...gesellt sich zur umherstreifenden Angst und der Vorstellung vom Bösen.
Es ist herrlich wie Jacques Chessex in den Roman einsteigt und die schaurig-mystischeAtmosphäre des Ortes einfängt und das vampirische Grauen zeichnet. Das berechtigt durchaus die Genrezuteilung des Schauerromans. Der vermeintliche Täter gefunden wird, der Roman schwächelt leider, je weiter er fortschreitet, denn die schaurigschöne Düsternis – Bram Stoker hätte sich gefreut – geht mehr und mehr flöten. Die Schlusswendung überrascht, aber was nützt das, wenn das Schaurige dieses Schauerromans schon längst abgeklungen ist.
Ropraz heute noch hinterwäldlerisch? Das Motto des Romans weist schreckhaft darauf hin, eine Öffentliche Bekanntmachung der Gemeinde Ropraz am 12. Januar 2006:
Nicht wählbar sind:
Bürger, die Wegen Geisteskrankheit oder
Geistesschwäche entmündigt wurden.
Warum muss man so etwas extra erwähnen? Das ist das Seltsame.
Jacques Chessex wohnte etwa dreißig Jahre in Ropraz.
LIebe Grüße
mombour