Charlie Gordon ist Mitte 30 und geistig zurückgeblieben. Sein IQ betrug seit Geburt an nie mehr als 68 Punkte so das er stets auf dem Geistigen Niveau eines 10 Jährigen verblieben ist. Mit leichteren Hilfsarbeiten in einer Bäckerei verdient er sich tagsüber seinen Lebensunterhalt und besucht abends eine Sonderschule um seine Fähigkeiten in Lesen und Schreiben zu verbessern.
Zufällig wird Charlie, eben auf Grund seiner Beeinträchtigung, zu Tests an die hiesige Universität eingeladen. In diesen Tests wird sein genauer IQ bestimmt, die Leistungsfähigkeit seines Kurzzeit- bzw. Langzeitgedächtnis und seine Möglichkeiten abstrakteren Denkens. Im Zuge dieser Tests lernt Charlie Algernon kennen. Eine kleine Labormaus gegen die er, auf Zeit, in einem spielerischen Wettlauf durch ein einfaches Labyrinth antreten muss. Zu Charlies großer Enttäuschung gewinnt jedoch ausnahmslos jedes mal die kleine Maus. Einer der Doktoren versucht dem jungen Mann auch zu erklären woran das liegt.
Algernon ist keine gewöhnliche Maus sondern wurde einer Operation unterzogen die sie zwei- bis dreimal so schlau wie normale Mäuse macht und eben jene Operation wolle man nun das erste mal auch am lebenden Menschen durchführen.
Durch die große Begeisterung die Charlie für dieses Projekt aufbringt und den Versuch alles Mögliche zum gelingen des selbigen beizutragen wird er als erster für den Eingriff auserkoren.
Nach der Operation beginnt ein langer und auch stellenweise sehr entmutigender Lernprozess für Charlie, der glaubte bereits nach dem Eingriff ein Genie zu sein aber feststellen musste das dem nicht so war. Erst Wochen später stellten sich erste kleine Erfolge ein in denen zB. der junge Mann endlich die kleine Maus in ihrem Wettlauf durch das Labyrinth schlug oder er nun endlich richtig schreiben lernte.
Immer schneller schien Charlie nun das Wissen, einem Schwamm gleich, aufzusaugen. Er verbrachte ganze Tage lesend in Bibliotheken, blätterte sich in Windeseile durch zig Bücher und beschränkte sich nicht nur mehr auf Romane sondern fing bald auch damit an Wissenschaftliches und Sprachen zu lernen.
Endlich schien Charlies Traum eines normalen Lebens unter normalen Menschen, wo er behandelt wird wie jeder andere, wahr geworden zu sein aber schon bald musste er erkennen das er auch jetzt, überdurchschnittlich intelligent, kaum Freunde hatte.
Aber nicht nur das persönliches Seelenleben des jungen Mannes geriet zusehends außer Kontrolle auch das Experiment im allgemeinen schien nicht den erwarteten Verlauf zu nehmen.
Von Tag zu Tag ging es Algernon schlechter, er wurde depressiv und begann schlicht alles gelernte zu vergessen und Charlie wusste das sein Schicksal ganz eng mit dem der Maus verknüpft war.
Ursprünglich schrieb Daniel Keyes die Kurzgeschichte
Flowers for Algernon 1958 für ein amerikanisches Fantasy und Si-Fi Magazin und gewann damit den Hugo Award for best Short Story. Erst von 1962 bis 1965 arbeitet der Autor die Kurzgeschichte zu einem vollständigen Roman aus der, nach dem er von fünf verschiedenen Verlagen (unter Forderung der Abänderung des Endes) abgelehnt wurde, 1966 das erste mal erschien.
Das Buch ist in der Form eines Tagebuchs gehalten wobei die ersten Seiten, als physisches Dokument für Charlies Geistiges Unvermögen, fast ohne Strich und Komma und mit allen möglichen Rechtschreibfehlern versehen sind. Erst nach der Operation ist für den Leser eine Besserung zu bemerken, nicht nur was die Interpunktion sondern auch die Wahl der Worte wie auch die Verbesserung der Grammatik betrifft.
Lange habe ich überlegt in welche Kategorie ich das Buch einordnen soll da viele Rezensenten vor mir das Werk als Si-Fi bewertet haben, meine Freundin meinte es sei eher als Jugendbuch anzusehen während es andere wiederum als Unterhaltungsroman bewerten.
Ich setze mich nun zwischen alle Stühle und behaupte es sei ein Zeitgenössischer Roman da es primär um die Selbstfindung des Hauptcharakters geht der das Leben eines 100 Jährigen innerhalb weniger Monate lebt.
Dies mag natürlich jetzt den Aspekt des Jugendromans unterstützen da Charlie versucht seinen Platz in der auf ihn einstürzenden Welt zu finden. Wie alle Jugendlichen auch die Leiden der Pubertät mitmacht und erste Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht sammeln muss und natürlich auch von Verunsicherungen getrieben ist. Darüber hinaus ist der Schreibstil, im Original, sehr gut lesbar und leicht verständlich. Vor allem schafft es Keyes aber sich einem sehr komplexen Thema überraschend simpel zu nähern. Nicht durch philosophisch, tiefgründige Aspekte sondern durch eine schmerzlich menschliche Erzählweise schafft es der Schreiberling den Leser in das Schicksal von Charlie einzubinden und ihm das Gefühl zu geben eigentlich der Einzige zu sein der Charlie voll und ganz versteht.
Etwas weiter weck vom Jugend- eher hin zum Erwachsenenroman rücken für mich das Buch jedoch die leicht Schizophrenen Fasen die der junge Mann durchlebt.
In jenen stoßen immer wieder, in Rückblenden, Details seiner früheren Kindheit an die Oberfläche seines Unterbewusstseins. Das Aufarbeiten der Beziehung zwischen ihm und seinen Eltern bzw. die schwierige Situation seiner gut 5 Jahre jüngeren Schwester gegenüber bilden ebenfalls einen Schwerpunkt in diesem Buch.
Nicht nur das sehnen nach Annerkennung, vor allem bei seiner Mutter, sondern der allgemeine Wunsch nach Liebe und Nestwärme die ihn dann, nach 17 Jahren, zu einem Wiedersehen mit seiner Familie treibt bilden für mich die stärksten Momente im ganzen Buch. Denn nicht nur Emotional sondern auch Dramaturgisch wird hier ein sehr eleganter, schon fast spielerischer, Bogen gespannt der mich doch sehr tief angerührt hat.
Mit zunehmender Intelligenz entwickelt sich bei Charlie auch ein gesteigertes sich-selbst-bewusst-sein. Der Wunsch nicht nur nach Annerkennung für die Dinge die er als Genie leistet sondern auch der Wunsch als Mensch wahrgenommen zu werden, egal ob nun mit einem IQ von 68 oder von 180, führen im späteren Verlauf immer öfters zum Bruch mit der Außenwelt und innerlich spürt er bereits den emotionalen Abstieg bevor er überhaupt noch geistig den Gipfel erreicht hatte.
Und dies ist vielleicht auch eine der Kernaussagen, oder zumindest interpretiere ich als Leser sie so ins gelesene Buch, den Mensch einfach Mensch sein lassen und ihn auch als solches zu respektieren. Gerade durch solche Schlüsse und Überlegungen, die man nach dem lesen des Buches hegt und mit sich rum trägt, besitzt das Werk selbst 40 Jahre nach seinem erscheinen noch außerordentliche Aktualität.
Mein Fazit fällt somit sehr kurz aus.
Uneingeschränkte Empfehlung für jeden der es noch nicht gelesen hat.