Der Klang der Zeit von Richard Powers
Ein riesiger Wälzer, der mich hin und her gerissen hat!
Im Jahr 1939 gibt eine schwarze Sängerin vor dem Licolndenkmal in Washington ein Freilichtkonzert. Eigentlich war ihr Auftritt in einer Halle geplant, doch kurzer Hand wurde es von den „Weißen“ verhindert, welche aber nicht verhindern konnten, dass Miss Anderson kostenlos auf dem Mall singt, und die Massen anzieht.
Delia, deren Traum es ist Sängerin zu werden, obwohl ihr Vater ihr von diesem Wunsch abrät, da Schwarze keine Chance besäßen sich frei zu entwickeln, besucht dieses Konzert. Dabei lernt sie den Physiker Daniel kennen. Aufgrund eines Zwischenfalls nach dem Auftritt; ein kleiner schwarzer Junge verirrt sich, und die beiden suchen gemeinsam nach seiner Familie; verliebt sie sich in diesen weißen Träumer.
Auch für Daniel ist die Musik die Vollkommenheit, ein Weg zur Harmonie und zum „Klang der Zeit“.
Die Eltern Delias sind alles andere als begeistert als sie ihnen mitteilt, dass sie einen deutschen Juden heiraten wird. Doch Daniel wird schließlich herzlich in der Familie aufgenommen.
Die Ehe bringt in den Zeiten des Zweiten Weltkriegs zwei Jungen hervor, die Jojos, Jonah und Joseph, und letztendlich noch eine Tochter, Ruth.
Als Physiker arbeitet Daniel im Krieg an der Entwicklung der Atombombe mit, die dann kurz vor Ende auf Hiroshima und Nagasaki landen.
Nach dem Krieg kommt es zu einem Zerwürfnis zwischen den Familien. Der Vater von Delia kann die Erziehung der Mischlingskinder nicht akzeptieren, er hält es für einen Verrat an seiner Rasse, dass die Kinder ausschließlich musisch, und fern ab des Weltgeschehens, eine eigene Rasse sozusagen im liberaleren New York, aufwachsen. Er wirft ihnen vor, die Augen zu verschließen, und es ist ihm auch ein Dorn im Auge, dass Daniel ein „Weißer“ ist, der die Problematik der Schwarzen niemals fassen kann. Die Verfolgung der Juden, was Daniel natürlich dazu besteuert, verharmlost er. So kommt es zu einer lautstarken Auseinandersetzung, wo Dinge ausgesprochen werden, die tiefe Wunden reißen, und die niemals mehr verheilen werden.
Die Abende bei den Storms sind danach nie mehr so heiter und entspannt wie vorher. Das Singen und die Musik sind zwar nach wie vor das Dach der Familie, aber melancholischer.
Kurz darauf wird Jonah, die göttliche Stimme aus der Vereinigung der mathematischen Harmonie und der Stimmgewalt seiner Mutter, auf eine Musikschule nach Boston geschickt. Ein Jahr später folgt auch Joseph.
Die Musik ist das zweite Hauptthema des Buches. Powers kann mit dem geschriebenen Wort Töne erzeugen, die im Leser vibrieren und zur Melodie reifen. Generell ist die Sprache des Autors so einfühlsam und beschreibend, dass alle Figuren, Gefühle und Gedanken lebendig sind. Er ist ein wahrer Meister des Erzählens!
Aber meine Begeisterung schwankte zwischen Überdruss und Faszination, eine Zerreißprobe, da Powers das Buch ganz eindeutig aufbauscht, und das Thema unnötig verkompliziert.
Nicht nur, dass Powers das Thema aufgreift, die Stellung der Schwarzen im letzten Jahrhundert in Amerika, ein Thema, welches für sich bedrückender gar nicht sein kann. Nein, er schüttet auch noch einen weißen Juden als Zeugungsvater der drei Musiktalente in die Handlung hinein.
Sind die Kinder nicht wegen ihrer Herkunft schon Mischlinge oder Mulatten, die sich nirgends heimlich fühlen, muss es auch noch durch den Glauben dramatisiert werden. Meiner Meinung nach ganz eindeutig zu viel des Guten. Auch Schicksschläge reihen sich in diesem Roman fortwährend aneinander.
Auf einer Welle der Euphorie hat mich der Autor getragen, wenn es um die Musik ging, und wenn Joseph über sein Leben und seine Gedanken philosophierte. Eine anmutigere Sprache liest man nur sehr selten. „Verlockung“ von János Székely könnte man hiermit vergleichen.
Zu diesem Werk muss man auf jedem Fall sehr viel Muße mitbringen, und deshalb kann der Roman von mir nur eingeschränkt empfohlen werden.
(:stern:)