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Johnson Denis - In der Hölle




Johnson Denis - In der Hölle

Beitragvon mombour » 13.03.2012, 05:30

Denis Johnson: In der Hölle - Blicke in den Abgrund der Welt
Reportagen aus Somalia und Liberia

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In der Hölle selbst ist die Hölle Normalität. Der Band enthält zwei Reportagen über Liberia und eine über Somalia. Somalia ist seit Jahren schon in Anarchie versunken, Liberia von Bürgerkriegen und mörderischen Diktatoren durchgeschüttelt. Da erscheint es natürlich, dass Denis Johnson mit einem journalistischen Auftrag aus einem westlichen Industrieland in solch einer Hölle, in der Gewalt Normalität ist, zum Außenseiter wird.

Viele Jahre hatte ich keine Ahnung, dass es einen Staat gibt, der Liberia heißt. Die Bürgerkriege gingen offensichtlich nicht durch die gewohnten Medien. Erst als Charles Taylor 2006 nach Den Haag vor das Kriegsverbrechertribunal geladen wurde, habe ich erstmals von diesem Land gehört. Auch Denis Johnson fragt: „Wo liegt Liberia? Kümmert es da draußen irgendwen?“ Nein, es kümmert kaum einen, und Johnson konnte dies nicht treffender formulieren. Der Horror in manch afrikanischen Staaten, man denke auch an Ruanda, ist im Bewusstsein des Westens kaum angelangt. Es scheint so, dass Afrika für die westlichen Industrieländer ein schwarzer unbekannter Kontinent geblieben ist. Das zeigt auch, wie wir von Medien beeinflusst werden. Wird nicht berichtet, erfahren wir nichts, es sei denn, wir bemühen uns um fachliche Literatur.

Denis Johnson hat geschrieben:An einer großen Straße mit etlichen Handwaffenfeuer zerfressenen Gebäuden steht das Al Sahafi Hotel, fast ohne Einschusslöcher, alle drei Etagen vollkommen intakt, das letzte Fitzelchen Zivilisation in der Hauptstadt, wie ein Museum, in dem das Leben im zwanzigsten Jahrhundert ausgestellt wird.


Ungefähr so, wie ein „Fitzelchen Zivilisation“ muss sich Denis Johnson wohl in Somalia und Liberia gefühlt haben. Auf seiner zweiten Reise nach Liberia sollte Johnson Charles Taylor interviewen. Seine Ankunft an der Elfenbeinküste war angekündigt, er sollte abgeholt werden, alles war durchorganisiert. Doch Denis Johnson wurde nicht abgeholt. Offenbar wusste niemand, dass jemand im Auftrage des „New Yorker“ im Flugzeug saß. Alles was von westlicher Seite durchorganisiert war, hatte in Liberia Bedeutung verloren. Er war eben in der Hölle gelandet. Ein Treffen mit Charles Taylor wurde immer unwahrscheinlicher. Trotzdem, er hat ihn getroffen, allerdings misslang die Tonbandaufnahme des Interviews, weil das Mikrofon versehentlich schlecht posiert wurde. In diesem Land scheint nach westlichen Maßstäben überhaupt nichts zu funktionieren, stattdessen wird Johnson aufgrund seines eigenen Verhaltens selbst in unheilvolle Konflikte hineingezogen.

In unmittelbarer Nähe ein Bombenangriff:
Denis Johnson hat geschrieben:Eine Rakete hatte eine verfallene Tankstelle getroffen...Sie war durchs Dach gekommen, als sich ein Mann namens Joseph Koylo und seine Familie gerade darunter zum Gebet versammelt hatten.


Ein bewegender Satz über Taylors Kindergarde:

Denis Johnson hat geschrieben:..Diese kleinen Jungen sind die Soldaten, auf die Charles Taylor sich intuitiv verlassen kann, weil sie ihn lieben, als wäre er ihr Vater.


Auf der ersten Reise nach Liberia besucht der Autor Prince Johnson, den Gegenspieler Charles Taylors. der auf der Pressekonferenz, auf der Denis Johnson anwesend ist, ein Video vorführt, auf dem der bisherige Diktator Samuel K. Doe zu Tode gefoltert wird (er starb kurz nach der Videoaufzeichnung).

Wie das Töten dort zur Normalität geworden ist, besagt folgende Begebenheit: Prince Johnson empfing nigerianische Journalisten und führte sie durch seinen Sektor Monrovias. Während dieser Rundfahrt schoss er in ein Auto hinein, in dem ein europäisches Ehepaar saß. Der Mann war sofort tot, die Frau wurde verschleppt und ward nie wieder gesehen.

Denis Johnson berichtet von der Hölle auf Erden. In der Einleitung erzählt Georg M. Oswald über den ehemaligen Drogenkonsumenten Denis Johnson, über seinen literarischen Werdegang und bereitet den Leser auf die Reportagen vor. Er findet auch Parallelen zu Joseph Conrads „Herz der Finsternis“.
Thomas Hardy: Herzen in Aufruhr
Fernando Pessoa: Buch der Unruhe
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