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Schindel, Robert - Dunkelstein




Schindel, Robert - Dunkelstein

Beitragvon Pippilotta » 14.11.2010, 17:52

Wer ein Leben zerstört, zerstört die Welt, wer ein Leben rettet, rettet die Welt. Dieser Maxime zufolge lässt sich der Rabbiner Saul Dunkelstein von den Nazis zum Leiter der Auswanderungsbehörde befördern mit dem Auftrag, Wien zur „Auswanderungsmusterstadt“ zu machen. Was von den Juden Wiens als herber Verrat aufgefasst wird, nutzt Dunkelstein dazu, möglichst viele Juden zur raschen Auswanderung zu drängen und so vor der Deportation und dem sicheren Tod zu bewahren. Doch bald schon befindet er sich in einem unlösbaren Gewissenskonflikt: er kann nicht alle retten und muss auch Menschen für seinen Plan opfern.

Die Rahmenhandlung dieses als „Real-Farce“ betitelten Dramas in 3 Akten könnte origineller nicht sein: es soll ein Film über die Massenvernichtung gedreht werden. Am (hollywood-ähnlichen) Filmset treffen die Schauspieler aufeinander und während auf den Drehstart gewartet wird, erinnern sich die mitwirkenden Zeitzeugen und katapultieren den Leser bzw. das Publikum in das Jahr 1938. Im Stück selber wird die Geschichte rund um die Person Saul Dunkelstein geschildert.

Robert Schindel wertet nicht. Er überlässt es dem Leser, sich ein Bild über Dunkelsteins Motivation zu machen. Ist diese Kollaboration mit den Nazis uneigennützige Menschenliebe oder purer Egoismus zur Rettung der eigenen Haut? Ist es Verrat oder heiligt der Zweck in diesem Fall die Mittel? In einem ausführlichen Nachwort von Doron Rabinovici wird näher auf die Figur des Benjamin Murmelstein eingegangen, an die der Charakter des Saul Dunkelstein stark angelehnt ist.

Die originelle und unkonventionelle Aufbereitung der Thematik und ein sehr persönlicher Bezug des Schriftstellers Robert Schindel machen dieses Lesedrama zu einem Lesegenuss der ganz besonderen Art!

Über den Autor:
Robert Schindel, geboren 1944 in Bad Hall/Oberösterreich, lebt als Lyriker und freier Schriftsteller in Wien. Für seine Publikationen ausgezeichnet mit u. a. dem Erich-Fried-Preis 1993 und dem Eduard-Mörike-Preis 2000.

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Pippilotta


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