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Cailloux, Bernd - Das Geschäftsjahr 1968/69




Cailloux, Bernd - Das Geschäftsjahr 1968/69

Beitragvon Coco » 21.06.2007, 19:35

Kurzbeschreibung
BRD, 1965. Auf einem Fortbildungslehrgang für Journalisten lernen sich zwei junge Männer kennen, die gleich spüren, daß sie Großes miteinander vorhaben. Doch noch bremst der Muff der Zeit: Die Schlammstrecke der allgemeinen Wehrpflicht will durchrobbt sein, der dahinterliegende Morast aus bürgerlicher Paarbeziehung und Provinzreporterdasein ebenso.
Dann aber geht es Schlag auf Schlag: nach Düsseldorf, ins Beuys-Umfeld, die beiden Freunde gründen eine Hippie-Gartenlaubenfirma, in durchwachten Nächten wird das erste discoreife Stroboskop-Blitzlicht gebaut, Premiere in Hamburgs coolstem Psychedelic-Club, euphorische Verzückung, weiter zu den Essener Songtagen, Frank Zappa, Freakout-Pfingsten, fette Aufträge und der Traum vom antikapitalistischen Betrieb im Kapitalismus - das "Geschäftsjahr 1968/69" kommt in Fahrt -
Mit präziser Lakonie zeigt Bernd Cailloux die 68er in grellem, aber um so realistischerem Licht: nicht als Polit-, sondern als Start-up-Unternehmen, dessen Visionen, Illusione n, Drogen- und Finanzcrashs unvermutet an die Neunziger erinnern - wie das Technoflimmern an die Flickershows der Sixties. (Quelle: Klappentext)


Meine Gedanken:

voller Spannung und Ungeduld stürzte ich mich auf dieses Buch. Diese Zeit, unabhängig von APO und Dutschke kennenzulernen, darauf freute ich mich.
Und es beginnt auch recht lebendig, Andreas Büdinger und der namenlose Ich-Erzähler, hängen ihr Journalisten-Dasein an den Nagel und gründen, gemeinsam mit dem genialen Ingenieur Achim Bekurz, eine Gartenlaubenfirma. Sie entwickeln das Stroboskop. Während der eine von einem Non-Profit-Unternehmen träumt – alle Gewinne werden untereinander verteilt, Zweck des Unternehmens soll sein, den Menschen mithilfe der erfundenen Lichtblitze bei ihrer „Enthemmung“ zu helfen – hält sich Büdinger zunächst bei diesem Thema sehr zurück.
Die Erfindung wird zum „Renner“, bald können Aufträge nicht mehr ohne Hilfe abgedeckt werden. Kurzerhand werden Freunde und Bekannte, meist aus der Künstlerszene und eigentlich mehr mit Kiffen und Drogenexperimenten beschäftigt, mit ins Boot genommen.

Erste Unstimmigkeiten kommen auf, als nicht nur Aufträge für Diskotheken und Festivals eingehen, sondern auch das Marketing großer Konzerne die Lichtblitze für ihre Werbeevents entdeckt. Büdinger, angelockt von den Gewinnen, expandiert.
Sein Partner, mittlerweile durch die Künstlerfreunde vollkommen im Dorgengewirr verstrickt – ein täglicher Cocktail der unterschiedlichsten Drogen, Morphium, Opium, Kokain, Shit, gehört zum Tagesablauf – kann seine Ideale nicht mehr einbringen. Büdinger meldet das Unternehmen als sein eigenes an, der Partner wird mit einer kleinen Zweigstelle abgespeist. Letztendlich verliert er auch diese.

Leider konnte das Buch, das insgesamt in einer sehr angenehmen, nüchternen Sprache gehalten ist, das angeschlagene Tempo nicht halten. Im weiteren Verlauf verliert sich die Sicht auf das Unternehmen immer mehr; in den Vordergrund treten unzählige Drogenexzesse. Detaillierte Beschreibungen, wann und wie eine Droge am besten eingesetzt wird, welche Wirkung sich wann verflüchtigt und Theorien über das Fixen insgesamt dominieren das Geschehen.
Schade, meiner Meinung nach, hätte Cailloux mehr aus dem Thema einer, mehr durch Zufall gegründeten, „Gartenlaubenfirma“ und ihrem weitern Bestehen herausholen können.


:stern: :stern: :stern:



Bild

edit Pippilotta: Ich habe mir erlaubt, diese Rezension in "Belletristik..." zu verschieben, da der Handlungszeitraum doch schon einige Zeit zurückliegt :wink:
Liebe Grüsse
Coco

-----------

:studie:

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von Anzeige » 21.06.2007, 19:35

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Beitragvon Voltaire » 21.06.2007, 19:52

Das Buch habe ich mir mal notiert, handelt es doch von einer Zeit als ich gerade in den Bereich "Jugendlicher" überwechselte. Herzlichen Dank für diese sehr informative Rezi. :D
Voltaire
 



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