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Walser, Martin - Ein liebender Mann




Walser, Martin - Ein liebender Mann

Beitragvon Krümel » 10.05.2008, 12:26

Bild

Ein paar Gedanken dazu aus verschiedenen Blickwinkeln, die nach und nach das Bild verzerren. ABER so kommt mein Eindruck am besten zum Ausdruck.

“Ein liebender Mann” hat in der Liebe die Rosa-Rote-Brille an, die Hormone spielen verrückt, der logische Verstand wird ausgeknipst, läuft somit nur noch auf Notbetrieb, die Außenwelt wird nicht mehr wahrgenommen, und die Konzentration liegt nur auf das Objekt der Begierde. Ich denke sogar, dass dieser Vorgang bei Männern, wenn sie denn lieben, viel stärker ausgeprägt ist, als bei uns Frauen, die doch noch mit mehr Verstand an dieses Projekt heran gehen.
Und dieser hormonübersprühende Zustand wird hier von Walser in einer ganz wunderbaren Weise beschrieben: Zu Beginn stockt einem der Atem, Schmetterlinge im Bauch, alle Gedanken auf das DU, die Vereinigung aus Zwei mach Eins, ein Geist, ein Gedanke, ein Körper. Doch dann das Leid, Ulrike oder deren Mutter wählt die bessere Partie, Liebesleid und Liebeswahn, aus Liebe wird Hass, Zerstörungswut und Aggression, Verzweiflung, und dann der Weltenschmerz …
Sehr romantisch und verschnörkelt erzählt uns Walser diese Begebenheit, tausendmal erlebt, uralt und immer wieder neu.
Aus fremder Sicht sind diese liebenden Menschen einfach nur peinlich, sie hören dir nicht mehr zu, bekommen ihre Umwelt nicht mehr mit, und reagieren höchst merkwürdig in vielerlei Beziehungen. Mit Liebenden ist es schwer umzugehen, die lässt man besser unter sich!
Wenn man dann den Altersunterschied mitberücksichtigt, den Blickwinkel auf den pubertierenden Greis legt, wird diese Situation absolut peinlich. In den Augen der Gesellschaft kann das nicht angehen. Ein Unterschied von mehr als 50 Jahren, das ist völlig absurd, und wird auch nicht akzeptiert. Zu Recht wie ich meine.

Der Protagonist erkennt trotz Verblendung seine Lage, denn es ist ja nicht irgendwer, nein es handelt sich um den hochintelligenten Goethe, der dieses Leid am eigenen Körper erlebt und durchlebt hat. Warum?
Walser hatte dieses Thema in seinem vergangenen Roman “Angstblüte” schon einmal aufgegriffen. Die weibliche Leserschar fand dieses Werk geschmacklos, durchweg liest man äußerst kritische Stimmen dazu. Es ist mehr oder minder ein Flop gewesen.
Benutzt er nun den großen Goethe um sein Werk zu rechtfertigen? `Seht an, ihm erging es ebenso.`
Dass Walser nicht davor zurückschreckt Polemik in seinen Büchern zu verarbeiten, sieht man an den “Tod eines Kritikers”. Generell verträgt diese Persönlichkeit keine Kritik, auch wenn sie ganz vorsichtig von einem sehr sympathischen Stefan Zweifel angebracht wird. Der Autor könnte dann explodieren!

Mit diesen Betrachtungen stehe ich nun sehr hilflos dem Werk gegenüber. Das Brillante erkannt, und dennoch nicht überzeugt.

Bewertung: :stern: :stern: :stern:
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Beitragvon Pippilotta » 10.05.2008, 18:03

Ich habs im Blog schon gesagt- eine ganz tolle Rezension ist dir da gelungen!

Ob ich es lesen werde, weiß ich nicht. Die Person des Martin Walser sagt mir nicht wirklich zu, "Ein fliehendes Pferd" allerdings hat mir sehr gut gefallen. Goethe selber ist auch nicht so mein Ding ... andererseits finde ich gerade die gegensätzlichen Meinungen zum Buch sehr interessant und würde ich mir gerne meine Meinung bilden .... mal sehen.
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Beitragvon Krümel » 10.05.2008, 19:15

Danke Pippi :D

Ich weiß nicht unbedingt, ob das so ganz dein Ding ist :?: Walser ahmt natürlich Goethe nach, und dessen sülztige Sprache natürlich auch. Hast du mal Werther gelesen? So in der Art ...
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Beitragvon Pippilotta » 10.05.2008, 19:22

Das sind ja auch meine Bedenken ... ich glaub ich lass es lieber sein!

Werther hab ich gelesen, ist allerdings schon sehr lange her.
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Beitragvon Karthause » 10.05.2008, 21:05

Bis er sie sah, hatte sie ihn schon gesehen. Als sein Blick sie erreichte, war ihr Blick schon auf ihn gerichtet. (Seite 9 „Ein liebender Mann“ Martin Walser)

„Ein liebender Mann“ ist ein Roman über eine späte und einseitige Liebe. Der 74jährige Johann Wolfgang von Goethe hat sich in die 19jährige Ulrike von Levetzow verliebt. Eifersucht und Selbstzweifel plagen den berühmten Dichter. Träumereien und die Gedanken an die Geliebte lassen ihn nicht schlafen. Dass die Weimarer ihn inzwischen als einen Lustgreis bezeichnen, trifft ihn, der sich so jung wie seit Jahren nicht mehr fühlt, zutiefst.

„Ein liebender Mann“ habe ich sehr gern gelesen. Das Buch war unterhaltsam, teils fiktiv, teil historisch festgeschrieben.

Ich konnte in diesem Buch in die Gefühlswelt alternder, eitler und selbstverliebter Herren abtauchen. Ein Blick, die sich mir in diesem Maße noch nicht eröffnet hatte. Manches wurde mir dadurch verständlicher, manche Szenen empfand ich nur als bizarr. Die Selbstzweifel, die Ängste, aber auch die Hochgefühle kamen mir sehr lebensecht vor. Ulrike ist der Jungbrunnen des Dichterfürsten, sie erscheint mir sehr modern und selbstbewusst. Ich hatte bisher immer einen anderen Eindruck von ihr. Aber dies ist ja auch keine Biografie sondern ein fiktiver Roman, da darf der Autor schon etwas kreativer ans Werk gehen. Mir hat die Sprache, bis auf wenige Ausnahmen, bei denen ich sie etwas zu aufgesetzt empfand, sehr gut gefallen. Besonders die Wort- und Satzspielereien im Geplänkel zwischen Ulrike und Goethe hatten es mir angetan.

Und der letzte Satz war dann ganz besonders. :roll: Auf den hätte ich verzichten können.

:stern: :stern: :stern: :stern:
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Beitragvon Krümel » 10.05.2008, 21:52

karthause hat geschrieben:Und der letzte Satz war dann ganz besonders. :roll: Auf den hätte ich verzichten können.


Ja, der stieß so ziemlich hart aus dem Rahmen :mrgreen:
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Beitragvon Sybille » 10.05.2008, 22:47

karthause hat geschrieben: Besonders die Wort- und Satzspielereien im Geplänkel zwischen Ulrike und Goethe hatten es mir angetan.


Die Dialoge fand ich auch amüsant - leicht und spritzig. Überhaupt habe ich die Imitation von Goethes Sprache als gelungen empfunden. Neben der Anlehnung an der Sprache in Goethes Werken hat Walser ihm ja auch phasenweise eine relativ moderne Sprechweise angedichtet, die sich trotzdem gut einfügt.

karthause hat geschrieben:Und der letzte Satz war dann ganz besonders. :roll: Auf den hätte ich verzichten können.


Ja doch, irgendwie ist der ganze letzte Absatz etwas daneben. Da hat dann wohl das Walsersche zu starkt durchgeschlagen.
Aber von solcherlei Ausrutschern mal abgesehen, find ich das Buch ganz gut. Ich bin ja kein Freund von `Sternen´. Aber wenn ich denn müsste, würde ich auch vier Sterne vergeben.
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Beitragvon Karthause » 14.05.2008, 19:10

In der aktuellen Zeitschrift Bücher habe folgenden Artikel zu diesem Buch gefunden. Klick hier!
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Beitragvon Krümel » 14.05.2008, 20:30

Danke für den Link :D
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Beitragvon Voltaire » 14.05.2008, 21:09

Irgendeinen Walser-Schwachsinn tue ich mir nicht mehr an. Dieser Mensch ist reif für ein Pflegeheim. Ein sabbernder Greis, einer der sich schon selbst überlebt hat.

Walser muss auf den Tisch - und der Tisch muss raus.

Ich erkläre hiermit Hamburg zu einer "Walserfreien-Zone".
Voltaire
 

Beitragvon Krümel » 14.05.2008, 21:29

Voltaire hat geschrieben:Irgendeinen Walser-Schwachsinn tue ich mir nicht mehr an. Dieser Mensch ist reif für ein Pflegeheim. Ein sabbernder Greis, einer der sich schon selbst überlebt hat.

Walser muss auf den Tisch - und der Tisch muss raus.

Ich erkläre hiermit Hamburg zu einer "Walserfreien-Zone".


Was hast du denn von Walser gelesen? Auch das fliehende Pferd?
Ich habe bisweilen auch die Nase von Walser voll. Aber ganz schlimm finde ich sein Benehmen, da könnte ich ..., ach ne diesen Smiley haben wir ja nicht :mrgreen:
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Beitragvon Voltaire » 14.05.2008, 21:35

Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich von Walser leider sehr viel gelesen habe. :cry:
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