„Nicht immer mögen wir die Menschen, die wir lieben – nicht immer haben wir diese Wahl.“ (S. 149)
Nach Liams Selbstmord trifft sich die Familie seit Jahren zum ersten Mal wieder. Veronica Hegarty’s Gedanken gehen zurück in die Vergangenheit und sie erzählt dem Leser von ihrer Großmutter, die den Mann heiratete, der gut für sie war und nicht den, den sie liebte. Bei ihr verlebten sie als Kinder die Ferien. Sie erzählt von ihrer Mutter, die 12 Kinder bekam und 7 Fehlgeburten erlitt und sich die Namen ihrer Kinder nie merken konnte. Sie berichtet von ihrer Ehe mit Tom, die in einer Sackgasse angelangt ist und von ihren zwei Töchtern, denen sie ein anderes Familienleben ermöglichen möchte als sie es erlebte. Und sie berichtet über Mr Nugent, der ein guter Freund der Großmutter war. Wirklich nur das? In Veronicas Augen trägt er zumindest eine Mitschuld daran, dass Liam mit Steinen in den Hosentaschen ins Wasser ging. Denn die alles entscheidende Frage für Veronica ist die nach dem Warum.
Schon das Cover des Buches zeigt ein nebulöses, tristes Bild und das Buch spiegelt genau diese Stimmung wieder. In Erinnerungsfetzen und Assoziationen lässt uns Veronica an ihrem bisherigen Leben teilhaben. Manche Geschehnisse kennt sie nur durch Erzählungen, andere durch eigenes Erleben und sie schildert diese mit Härte, Wut und Resignation. Von Liebe ist sehr wenig zu spüren in dieser Familie, mehr von Sex und Begierde. Einzig unter den Geschwistern, speziell zwischen Liam und Veronica, gibt es eine gewisse Wärme und Vertrautheit. Ein ständiger Begleiter in diesem Buch ist auch der Alkohol, mit dem die Protagonisten dem Alltagselend zu entfliehen versuchen.
Als Leser blieb ich zu allen Personen deutlich distanziert, ich war lediglich Beobachter und trotz der teilweise erschreckenden Umstände blieben meine Sympathien unverteilt. Viele Geschehnisse wurden nur angerissen, andere auf so neutrale Weise geschildert, dass ich mich fragte weshalb zeigt die Erzählerin an dieser Stelle keinerlei Gefühlsregungen?
Das Familientreffen selbst fand lediglich im letzten Drittel des Buches statt und zeigte deutlich wie zerrissen die Familie eigentlich ist. Zwar gibt es Gemeinsamkeiten, die aber wohl lediglich in Erinnerungen bestehen.
Ganz zum Schluss gibt es noch einen Hoffnungsschimmer, das Buch wird aber in meinem Gedanken immer mit einer gewissen Tristesse behaftet bleiben.
Mein Fazit: „Das Familientreffen“ ist eine der düstersten Familiengeschichten, die ich je las. Deshalb ist das Buch nicht schlecht, irgendwie hat es mich in seiner Andersartigkeit auch in seinen Bann gezogen. Am Ende blieb ich mit vielen ungeklärten Fragen zurück, zu vielen, wie ich finde. Trotzdem habe ich dieses Buch gern gelesen.
Dieses Buch gewann den Booker-Preis 2007.
Gebundene Ausgabe: 330 Seiten * Verlag: Deutsche Verlags-Anstalt * ISBN-13: 978-3421043702