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Gladwell, Malcolm - Blink! Die Macht des Moments




Gladwell, Malcolm - Blink! Die Macht des Moments

Beitragvon marilu » 05.07.2008, 08:43

Originaltitel: Blink! The Power of Thinking without Thinking

"Blink" ist das Plädoyer dafür manchmal den Verstand bei der Entscheidungsfindung auszuschalten und der Intuition zu vertrauen. Anhand diverser psychologischer Studien, Fallbeispiele und Fakten zeigt Malcolm Gladwell, was bei der Einschätzung von Situationen im Berufs- und Privatleben im Gehirn vorgeht. Anschaulich wird erklärt, dass zu viel Faktenwissen in manchen Situationen eine gute Entscheidung negativ beeinflussen kann.

So beginnt die Argumentation mit einem Fallbeispiel aus der Kunst. Experten untersuchen eine Statue des Kouros, die 1983 dem Paul-Getty-Museum in Los Angeles angeboten wird. Sie bestätigen die Echtheit der Statue und so wird sie angekauft. Doch es gab Zweifel von anderen Experten, die entdeckten, dass etwas nicht stimmt. Ohne beweisen zu können, was sie störte, waren sie sich sehr sicher darüber, dass es sich um eine Fälschung handelt.
Innerhalb zweier Sekunden (innerhalb eines Blinzeln - daher der Titel - nahmen diese Fachleute etwas wahr, das andere nicht erkennen konnten). Bis heute ist die Sachlage nicht geklärt und so wird die Statue nun mit dem Hinweis ausgestellt, dass es sich um ein Kunstwerk aus der Zeit von "ca. 530 v. Chr. oder eine moderne Fälschung" handele.

Im Folgenden geht Gladwell auf eine Studie ein, in der Testpersonen an einem Glücksspiel teilnehmen. Vor ihnen legen 4 Stapel mit Spielkarten. Ihr Ziel ist es, möglichst viel Geld mit dem Umdrehen von Karten zu verdienen. Hohe Karten vermehren den Gewinn, niedrige führen zum Verlust.
Dabei ist zu beachten, dass zwei Kartenstapel mit roten Karten sehr viele hohe und niedrige Karten umfassen, so dass Gewinn und Verlust jeweils sehr hoch ausfallen. Zwei Stapel mit blauen Karten halten mittelmäßige Werte bereit. Der Gewinn und Verlust ist moderat und führt langfristig zu einer Gewinnsteigerung. Dies wissen die Teilnehmer natürlich nicht.

Interessant hieran ist, dass die Testpersonen nach ca. 50 Karten intuitiv ihre Strategie des Aufnehmens an die Gegebenheiten anpassen. Aber erst 30 Karten später erkannten sie das Muster bewusst und konnten es erklären.

In sechs Kapiteln erfährt man einiges über die Vorhersagbarkeit der Erfolgschancen von Ehen und Beziehungen ohne das Paar lange zu kennen, darüber wie Vorurteile auch bei den tolerantesten und liberalsten Menschen Entscheidungen beeinflussen, wie Spontanität und Intuition die größte Militärstrategie der USA zum Scheitern brachte und vieles mehr.

Letztes Jahr hatte ich "Tipping Point" vom Autoren gelesen und mochte seinen Schreibstil gerne, weshalb ich mir "Blink!" dieses Jahr zum Geburtstag gewünscht habe. Insgesamt war ich recht begeistert. Der Fokus des Buches liegt zwar auf amerikanischen Interessen, ist aber auch für Europäer ganz interessant zu lesen.

Ich hatte mir insgesamt mehr erwartet, aber nehme einiges an neuen Informationen mit. Zahlreiche Literaturangaben am Ende geben dem Leser die Möglichkeit, sich weiter mit den Thematiken zu beschäftigen, die ihn angesprochen haben. Das empfinde ich bei Sachbüchern immer als Plus. Schön auch, dass es nicht so hochintellektuell gehalten ist und sich das Nachschlagen fieser Fachwörter erübrigt. So liest sich "Blink" flüssig und ist eine nette Ablenkung vom Alltag.

Eine große Begeisterung blieb bei mir zwar aus, aber enttäuscht bin ich auch nicht. Wie immer muss jeder für sich entscheiden, ob er/sie sich darauf einlassen möchte.

:stern: :stern: / :stern:

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Re: Gladwell, Malcolm - Blink! Die Macht des Moments

Beitragvon tom » 05.07.2008, 15:19

Danke für diese interessante Rezi!

marilu hat geschrieben:"Blink" ist das Plädoyer dafür manchmal den Verstand bei der Entscheidungsfindung auszuschalten und der Intuition zu vertrauen.


Auf einem ganz anderem Gebiet las ich gerade gestern sehr interessante Gedanken zum selben Thema. In einem meiner "Zweitlektüren" lese ich ein Buch von Catherine Millot, wohl auf Französisch, über drei größere Frauenfiguren, am Rande der Kirche, aber stark vom Glauben geprägt. Gerade lese ich über Madame Guyon, die am Ende des 17./ Anfang des 18. Jahrhunderts Menschen geistlich, geistig begleitete. Eine Grundfrage dabei ist ja immer, wie man denn nun den "Willen Gottes" (oder nenne es eben den wahren Weg) erkenne. Sie sprach davon, dem "ersten Instinkt zu vertrauen", der ersten Bewegung.
Die Autorin sprach in diesem Zusammenhang von Freuds Postulat, dass man in wesentlichen Lebensentscheidungen nicht zu sehr nachdenken solle.
tom
 



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