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Kachler, Roland ~ Meine Trauer wird dich finden




Kachler, Roland ~ Meine Trauer wird dich finden

Beitragvon Kristina » 15.02.2008, 22:07

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Meine Trauer wird dich finden

EIN NEUER ANSATZ IN DER TRAUERARBEIT


Autor: Roland Kachler


Broschiert: 178 Seiten
Verlag: Kreuz-Verlag; Auflage: 6. (September 2005)
ISBN-10: 3783125855
ISBN-13: 978-3783125856
Preis: EUR 14,95
[/center]



[center]Der Autor[/center]
Roland Kachler, geb. 1955, ist Diplompsychologe. Er arbeitet als Paartherapeut und leitet seit über zehn Jahren eine psychologische Beratungstelle in Esslingen.


[center]Kurzbeschreibung[/center]
Roland Kachler, Psychotherapeut mit Erfahrung in Trauerbegleitung, spürt nach dem Unfalltod seines 16-jährigen Sohnes, dass die Trauermodelle, zu denen er selbst seinen Patienten geraten hatte, ihm nicht helfen konnten, seinen Schmerz zu überwinden. Deshalb hat er einen neuen Weg der Trauerbewältigung gesucht und gefunden.

Statt den Verstorbenen „loszulassen“, zielt die Methode des Autors darauf, dass, was an Liebe für den Verstorbenen bei den Lebenden bleiben kann, ohne dass daraus seelische Störungen erwachsen. Die praktischen Übungen, Hinweise und Tipps am Ende jedes Kapitels helfen, diesen neuen Weg zu gehen.


[center][Quelle: Amazon; Klappentext][/center]

[center]Meine Meinung[/center]
[center]~ NICHT „LOSLASSEN“, SONDERN DIE LIEBE BEWAHREN ~[/center]
Es gibt Dinge, über die spricht man nicht. Paradebeispiel: der Tod. Das weckt unangenehme Gefühle, die man nicht zulassen möchte. Die man lieber aus seinem Alltag aussperrt. Schnell das Thema wechseln – oder noch besser – die Straßenseite, sobald ein Trauernder in Sichtweite erscheint. Kein Sterbenswort …

Von den Hinterbliebenen wird erwartet, möglichst schnell „zur Tagesordnung“ überzugehen. Selbst Ärzte agieren meist hilflos. Betäuben (medikamentös). Abhaken. Ausblenden.

So die gängige Strategie.

Jeder, der nicht betroffen ist, weiß selbstredend genau, wie man eine solche Krise meistert. Stärke beweist … Nach vorne schaut …

„Kopf hoch!“ „Die Zeit heilt alle Wunden …“ „Das Leben muss weitergehen.“ „Ihr dürft Euch nicht hängen lassen!“

Die Reaktionen gehen von Ignoranz, über sinnlose und banale Phrasen bis hin zu den irrwitzigsten Kommentaren und Vergleichen mit (oder ohne) Gott und der Welt.

Jeder meint es natürlich „nur gut“. Aber reicht das? Ist es zuviel verlangt, sich nach etwas Feingespür, Takt und Verständnis zu sehnen?

Mehr und mehr fühlt man sich als Familie isoliert. Mitsamt des Toten ausgegrenzt von der funktionierenden Gesellschaft, für die „alles normal weiterläuft“.

Die Trauer ist ein individueller Prozess. Jeder sollte auf seine eigenen Bedürfnisse hören und dem Herzen folgen. Dazu ermutigt der Autor in seinem Werk.

Viele Jahre berief sich auch Roland Kachler beim Umgang mit Angehörigen auf allgemeine Fachliteratur. Er stellte dabei zwar immer wieder fest, dass seine Klienten nicht wirklich bereit waren, diese Empfehlungen und Ratschläge anzunehmen, bloß lösen konnte er sich davon nicht. Es war schließlich die Lehrmeinung der Experten.

Als sein eigener Sohn im Alter von 16 Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, änderte sich seine Haltung schlagartig. Plötzlich wurde ihm klar, dass Trauerbewältigung durch „Loslassen“ nicht mehr ist, als ein Davonlaufen von der Wirklichkeit. Wenn man versucht, Schmerz zu unterdrücken, ihn im Keim zu ersticken, dann wird er ewig unter der Oberfläche brodeln. Je intensiver die Beziehung zum „verlorenen Menschen“ war, desto mehr wird sich die Seele dagegen sträuben. Es wird nicht als Trost, sondern vielmehr als Bedrohung empfunden, in die Zukunft zu blicken. Was sind es schon für Aussichten, ohne den Sohn oder Bruder ...?

Gerade bei Unglücksfällen „aus heiterem Himmel“, bei denen junge Menschen von uns gerissen werden. In solchen Fällen werden zwar die Tage verstreichen, aber die Narben werden bleiben. Wer das nicht anerkennt, der kann kein wahres Mitgefühl zeigen.

Als mein 23-jähriger Bruder am 30. September 2007 tödlich verunglückt ist, blieb die Welt für mich stehen. Ich wollte gar nicht, dass sie sich weiterdreht. Niemals könnte ich ihn freigeben. Er wird mich für immer begleiten. Die Überbringung der Nachricht durch meine Eltern, der Anblick des Autowrackes, das Berühren seines eiskalten Gesichtes im Sarg ...

Roland Kachler plädiert dringend dafür, auch traumatisierende Bilder in der Erinnerung zu behalten und sie nicht zu verdrängen. Nicht tabuisieren oder „loslassen“, sondern die Liebe bewahren.

Noch ist es unendlich schwer, die Beziehung (fernab des irdischen Daseins) neu zu definieren. Aber für mich gibt es keine Alternative.

Ganz bewusst haben wir folgenden Spruch in der Anzeige und für den Grabstein gewählt:


[center] "Wenn ihr mich sucht,
sucht mich in euren Herzen.

Habe ich dort eine Bleibe gefunden,
werde ich immer bei euch sein."


~ Rainer Maria Rilke ~
[/center]


Ich habe mich instinktiv für diesen Umgang mit Johannes entschieden, versuche ihn einzubinden, mit ihm zu kommunizieren, über ihn zu reden. Bereits vor der Lektüre.

„Meine Trauer wird dich finden“ wird diejenigen bestärken, die bislang in ihrem Schicksal allein gelassen und missverstanden wurden.



[center]Mein Urteil

Fünf funkelnde Sterne:

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:


Meine Trauer wird dich finden

Bild[/center]
Zuletzt geändert von Kristina am 16.02.2008, 13:42, insgesamt 1-mal geändert.
Kristina
 

von Anzeige » 15.02.2008, 22:07

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Beitragvon Kristina » 15.02.2008, 22:08

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Kristina
 

Beitragvon tom » 16.02.2008, 01:56

Das ist natuerlich fuer Dich viel mehr als eine Rezi ueber ein "fernes Thema", sondern Du schreibst so persoenlich und eindringlich. Ganz herzlichen Dank dafuer!
Ich empfinde es als absolut notwendig, dass der Tod in unser Leben integriert wird und wir nicht von ihm fortlaufen. Du gibst mir da einige wertvolle Anstoesse...
Gerne wuerde ich noch ausdruecken wollen, dass fuer mich die Verbindung mit dem Toten nicht nur eine reine gedankliche Anstrengung und Erinnerungsarbeit ist, sondern durchaus was ganz Lebendiges ist.
tom
 

Beitragvon Pippilotta » 16.02.2008, 09:35

Ich möchte dir an dieser Stelle mein tiefstes Mitgefühl aussprechen, auch wenn es jetzt wie ein "leeres Worte" klingt. Ich finde Deine Gedanken sehr schön und sehr eindringlich. Es ist in der Tat ein sehr schwieriges Thema, auch deshalb, weil es so etwas wie ein "Tabu-Thema" in der Gesellschaft ist. Umso schwieriger ist dann auch der Umgang damit. Ein "Patentrezept" gibt es wohl nicht, jeder muss selber einen Weg finden, die Trauer zu bewältigen bzw. MIT ihr zu leben. Ich sehe darin aber schon einen Mittelweg zwischen "Loslassen" und "Liebe bewahren" - wobei das eine das andere nicht unbedingt ausschließt.

Ich kann allerdings nur "theoretisch" mitreden, weil ich, abgesehen von den Großeltern, noch keinen geliebten Menschen im engeren Umkreis verloren habe.
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Beitragvon wolves » 16.02.2008, 12:24

Liebe Kristina,

dass war wohl mehr als eine Buchvorstellung. Auch ich möchte dir mein wirklich tief empfundenes Beileid aussprechen. Mitreden wie es ist, wenn man einen geliebten nahen Menschen verliert kann ich nicht. Ich habe zwar erlebt, dass meine Großeltern bzw. Ur-Großeltern von mir gegangen sind, aber da war immer das Gefühl, dass da jemand sein Leben gelebt hatte und es ihm gutgeht.
In unserer Gesellschaft, in unserer Kultur, wird das Thema "Tod" leider tabuisiert. Da bekommt man kurz die Möglichkeit zu trauern, aber dann soll man wohl wieder gefälligst nach vorne schauen, sich zusammenreißen und und und. Nur kann das ja nicht funktionieren.
Liebe Grüße
wolves


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Beitragvon Kristina » 16.02.2008, 13:52

Danke für Euere teilnahmsvollen Rückmeldungen, Wolves, Pippilotta und Tom!

Pippilotta hat geschrieben:Ich möchte dir an dieser Stelle mein tiefstes Mitgefühl aussprechen, auch wenn es jetzt wie ein "leeres Worte" klingt.

Nein, so klingt das ganz sicher nicht, liebe Pippilotta. Ich weiß das sehr zu schätzen!

Ich sehe darin aber schon einen Mittelweg zwischen "Loslassen" und "Liebe bewahren" - wobei das eine das andere nicht unbedingt ausschließt.

Jeder muss das einfach für sich selbst herausfinden und entscheiden. Ich möchte ja hier kein Pflichtprogramm vorgeben. Trauer ist völlig individuell.
Kristina
 

Beitragvon Krümel » 16.02.2008, 14:12

Ich denke, die Gesellschaft jetzt ganz pauschal gesagt, möchte sich nicht mit negativen, herunterziehenden oder deprimierenden Themen auseinander setzten. Das schließt auch Krankheiten ein. Mal kurz darüber sprechen, evtl. noch einmal, aber dann ist Schluss, dann will der "normale" Mensch davon nichts mehr wissen. Und es ist immer wieder erstaunlich, dass selbst die "besten" Freunde sich verabschieden, und einem meiden. Ohne das jetzt zu werten, vermute ich, dass das ein Schutzmechanismus im Menschen ist. Das Problem dabei ist aber, das der Trauernde oder ein von Depressionen befallener Mensch oder ein chronisch Kranker wirklich mit seiner Familie alleine da steht, nach und nach wird er von der Außenwelt gemieden.
Was bleibt einem denn da?
Der Glaube oder ähnliche Ankerpunkte (Engel, Esoterik u.a.)

Ich möchte das jetzt wirklich nicht als Anklage sagen, denn in der Tierwelt ist es ganz normal, dass sich die anderen Tiere im Rudel vom Sterbenden oder Kranken abwenden.
UND es bedeutet auch, dass man enorm viel Kraft investieren muss, das sehe ich absolut an Holger, wenn man solche Menschen stützt und ihnen beisteht, das geht total an die eigene Substanz.

Aber eine Selbsthilfegruppe Kristina, die kann ich dir nur wärmstens empfehlen, mir tut die Gruppe sehr gut.
BildLiebe Grüße,
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Beitragvon Kristina » 16.02.2008, 14:28

Weißt Du, liebe Heidi, ich glaube nicht, dass wir es dem Umfeld sonderlich schwer machen.

Es geht nur darum, dass ich von langjährigen Freunden (ich beziehe mich hier hauptsächlich auf die Lage meiner Eltern) mehr erwarte, als sich in einer solchen Situation komplett zurückzuziehen und die Geschehnisse "totzuschweigen". Das ist mit Sicherheit Hilflosigkeit und Überforderung – aber man kann sich auch davonstehlen.

Die professionelle Unterstützung (sofern man diese in Anspruch nimmt) ist die eine Seite, die private Situation eine andere.
Kristina
 

Beitragvon Wirbelwind » 16.02.2008, 22:19

Liebe Kristina,
auch ich möchte dir nachträglich mein vollstes Mitgefühl aussprechen.
Einen geliebten Menschen durch eine Unfall plötzlich zu verlieren, stelle ich mir entsetzlich vor.
Aber auch wenn mein weiß, dass die Tage gezählt sind, wir der Schmerz danach nicht geringer. "Die Zeit heilt Wunden" oder "Das war eben das Alter" waren die häufigsten Sätze, die man mir beim Tod meiner Mutter im Januar 2007 entgegen brachte. Ich bin niemandem böse deswegen - die meisten wissen nicht wie man einem Trauerden gegenübertreten soll, sind unsicher und greifen dann zu Pauschalsätzen. Vielleicht sagt man es auch, um sich nicht zu sehr damit beschäftigen zu müssen.
Ich habe mich selbst therapiert indem ich immer wieder an Schönes, Erlebtes zurückdachte. Ein bißchen den Kopf in den Sand stecken war natürlich auch dabei. Heute kann ich sagen, dass ich meine Trauer im Griff habe, aber Schuldgefühle (was hätte ich besser machen können, worauf hätte ich achten müssen) stellen sich immer noch ein, zumal mein Bruder den Kontakt, mit recht bösartigen Unterstellungen, zu mir abgebrochen hat. Es verschlimmert alles.
Heute pflege ich ihr Grab mit dem Gedanken was hätte ihr gefallen und erfülle wenigstens so mein Versprechen, das ich ihr vor ihrer Krankheit gegeben habe. Das tröstet mich ein wenig. In meinen Gedanken lebt sie weiter.
Danke, dass du das Buch vorgestellt hast. Ich werde es mir auf jeden Fall genauer ansehen!

Liebe Grüsse
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Beitragvon Kristina » 16.02.2008, 22:36

Herzlichen Dank, liebe Wirbelwind!

Wirbelwind hat geschrieben:Heute pflege ich ihr Grab mit dem Gedanken was hätte ihr gefallen und erfülle wenigstens so mein Versprechen, das ich ihr vor ihrer Krankheit gegeben habe. Das tröstet mich ein wenig. In meinen Gedanken lebt sie weiter.

Das kann ich gut verstehen; Du bereitest Ihr damit ja auch ein liebevolles Gedenken.

Ich wünsche Dir ganz viel Kraft und Zuversicht, Deinen Weg weiterzugehen!
Kristina
 

Beitragvon Wirbelwind » 16.02.2008, 22:38

Danke das wünsch ich dir auch von ganzem Herzen!

Liebe Grüsse
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