Gebundene Ausgabe: 363 Seiten *
Verlag: Hanser *
ISBN-13: 978-3446234840
Seit 30 Jahren sind Sally und Alfred verheiratet. Diese lange Zeit spürt man in ihrer Beziehung, längst haben sich Alltag und Gewöhnlichkeit in der Ehe breit gemacht. Das Leben geht seinen Gang, bis sie im Urlaub in England die Mitteilung erreicht, in ihr Haus in Wien sei eingebrochen worden. Die Wohnung wurde verwüstet. Auch Alfreds Tagebücher, die er seit gefühlten Ewigkeiten akribisch führt, wurden von den Einbrechern nicht verschont. Alfred versinkt in Selbstmitleid und bricht sich schließlich noch ein Bein. Sally dagegen, die Unstete, die Impulsive, die Lebenshungrige, wird aktiv. Sie renoviert das Haus und stürzt sich in eine Affäre mit Erik, dem Freund der Familie. Die Kinder zeigen sich mehr oder weniger desinteressiert. Die Rollen sind in dieser Ehe seit langem verteilt, Sally ist die Starke, Alfred eher schwach, fast schon ein Langweiler. Aber sie haben sich arrangiert.
Mit diesem Buch erging es mir wie in einer langen Beziehung, Höhen und Tiefen wechselten ab. Eintönigen Stellen folgten kurzweiligen, in gegenwärtige Betrachtungen wurden geschickt Rückblenden eingebaut. Die beiden Eheleute wurden so treffend realistisch charakterisiert, dass beim Lesen bald ein vertrautes Gefühl bei mir aufkam. Beeindruckend empfand ich, wie genau Arno Geiger die kleinen alltäglichen Situationen im Ehealltag schilderte und wie gut er sich in das Seelenleben seiner Protagonistin einfühlen konnte.
„Alles über Sally“ ist ein Roman der „Brüche“, neben den handlungsbedingten Brüchen, Einbruch, Beinbruch und Ehebruch, gibt es fast ganz am Ende noch einen Stilbruch. „Alfreds Monolog“ unterscheidet absolut vom Stil der vorangegangenen und dem noch folgenden Kapitel. Damit setzt Geiger einen augenfälligen Kontrast und grenzt Alfred ganz deutlich von Sally ab.
Am Ende zeigt Arno Geiger auf, dass die Ursache für Sallys Ehebruch nicht einzig in ihrer Person begründet liegt. Sie ist zwar die Titelgeberin und Hauptfigur des Romas, aber auch Alfreds Innenleben wird beleuchtet und so zeigt sich, das der penible Tagebuchschreiber auch andere Facetten besitzt und nicht nur ein Langweiler ist.
Bis zum Schluss stellten sich ich mir die Fragen, was hält diese Ehe zusammen, führen die beiden überhaupt eine glückliche Ehe? Für mich habe ich diese Fragen beantwortet. Aber genau diese Antworten können sicher von Leser zu Leser unterschiedlich ausfallen und das ist das, was „Alles über Sally“ ausmacht. Dieses Buch lädt förmlich ein zum Reflektieren, zum Werten, zum Vergleichen.
Mir hat dieser Alltagsroman mit Szenen einer Ehe sehr gut gefallen. Der hintergründige Humor des Autors, die nüchterne Bestandsaufnahme der Ehesituation, die gelungenen Charaktere der Protagonisten und die feinfühligen Beschreibungen derer Gefühle trösteten mich über die oder andere gefühlte Länge hinweg.