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Dorothy L. Sayers, geb. 1893 als Tochter eines Kaplan aus altem englischen Landadel, studierte als eine der ersten dort zugelassenen Frauen an einem der altehrwürdigen Colleges ihrer Heimatstadt Oxford. Als Schriftstellerin und langjährige Mitarbeiterin in einer Werbeagentur, ist sie besonders für ihre emanzipatorischen Ansätze in ihren Werken bekannt, die niemals kämpferisch, sondern analytisch und beispielhaft dargestellt werden.
In „Aufruhr in Oxford“, einer Campus-Kriminalgeschichte, kehrt sie in diese alte, ihr wohlbekannte Welt, zurück:
Nach 10-jähriger Abewesenheit kehrt Harriet Vane, anlässlich eines Sommerfestes zu Ehren aller ehemaligen Absolventinnen, an das Shrewsburry-College zurück. Mittlerweile eine erfolgreiche Kriminalautorin, umfängt sie erneut eine Atmospähre von Wissenschaft, Gelehrtentum und Weltabgewandtheit.
Bereits wieder in London angekommen, erhält sie erneut Nachricht von des Colleges. Rektorin und Dekanin berichten von erhaltenen Schmähschriften, obszönen Zeichnungen und Drohbriefen. Jedes Aufsehen und vor allem das Auftauchen der Polizei muss verhindert werden, so bittet man Harriet Vane um Mithilfe bei der Aufklärung dieser Vorfälle.
Nur zu gerne kehrt sie, mit sich und ihrem Leben im Unreinen, in die Abgeschiedenheit Oxfords zurück.
Nachdem die Vorfälle immer grössere Ausmaße annehmen, Mitglieder des Lehrkörpers werden direkt bedroht, eine Studentin fast in den Selbstmord getrieben, sieht sich Harriet außer Stande, diesen Fall alleine zu lösen und bittet ihren langjährigen Freund Lord Peter Wimsey, um Mithilfe.
Viele Verdächtigungen werden ausgesprochen, die Atmosphäre im College ist geprägt von Mißtrauen und Angst – doch langsam aber sicher können mehr und mehr Beteiligte als Täter ausgeschlossen werden.
Nachdem ein Anschlag auf Harriet beinahe ihren Tod bedeutet hätte, klärt Lord Wimsey anhand einer lückenlosen Indizienkette den Fall und überführt den Täter.
Meine Eindrücke:
Ich mag Kriminalgeschichten in der klassischen „Agatha-Chrisie-Weise“ -die mit der Frage „wer war’s? beginnen, nach und nach den Täter mehr und mehr einkreisen, bis dieser im finalen Showdown überführt wird -sehr. Insofern wurde ich bei diesem Buch auch nicht enttäuscht.
Bemerkenswert und äußerst angenehm fand ich außerdem, dass nicht unbedingt Leichen, Blut, medizinische Gutachten durch Pathologen oder Waffen nötig sind, eine Kriminalgeschichte zum Leben zu erwecken und für Spannung zu sorgen.
Dorothy L. Sayers kennt sich in der Welt der Colleges und Universitäten aus, vor allem zeichnet sie ein wunderbares Psychogram des weiblichen Anteils dieser Gelehrtenwelt. 1935, dem Entstehungsjahr dieser Kriminalgeschichte, waren studierende Frauen noch eine wahre Minderheit.
Dies ist nun das zweite, und in wesentlichen Teile auch das zentrale Thema, dieser Geschichte. Immer die Frage - „wie lässt sich Weiblichkeit, Frau-sein, und Gelehrtentum vereinbaren, sind Wissenschaftlerinnen automatisch altjüngferlich und unweiblich, wollen ihrer wahren Bestimmung trotzen“ - im Hintergrund, lesen wir etliche Debatten zu diesem Thema und können es an unterschiedlichen Charakteristikas der Protagonistinnen – Professorinnen des Colleges – beispielhaft beobachten.
Auch Theorien aus Nazi-Deutschland zum Thema „die Rolle der Frau“, Eliminierung der Schwachen durch Sterilisation, Förderung von Ehen „der Elite-Klassen“ werden angesprochen.
Dies ist der zehnte Roman der „Lord-Peter-Wimsey-Reihe“ von Dorothy L. Sayers. Harriet Vane, die in etlichen vorangegangenen Kriminalfällen, Lord Peter bei der Lösung zur Seite stand, ist nicht nur freundschaftlich mit ihm verbunden.
Anhand dieser beiden Protagonisten wird die Frage bearbeitet, wie lassen sich Herz und Verstand vereinbaren. Wie kann, wenn Leidenschaft ins Spiel kommt, eine gleichberechtigte Partnerschaft funktionieren ? Wie schafft man es, sich nicht an die geliebte Person zu verlieren, sondern seine eigenen Ziele konsequent umzusetzen ?
Diese Gedankengänge und ihre Ausarbeitungen fand ich sehr bemerkenswert und haben mir, neben einer wirklich wunderbaren Sprache, sehr gut gefallen.
Andererseits hat dieser Roman auch sehr viele Längen.
Peter Wimsey, als klassischer Lord scharfsinnig, mit Anflügen von Arroganz, cool, in jahrhundertalter Blaublütigkeit verwurzelt, nervt des öfteren mit seinem Zynismus und seiner Überheblichkeit – glatt und überheblich kommt er oft daher. Gespräche wirken, auch für die damalige Zeit, sehr oft überladen, altertümlich und einfach zu blumig und langatmig. Anfangs noch sehr amüsant, wollte ich nach einer Weile diese „Ergüsse“ einfach nicht mehr lesen.
Des weiteren konnte es Dororthy L. Sayers wohl nicht lassen, einzelne Fächer und Themen ihres College-Studium aufleben zu lassen. Seitenweise werden Verse rezitiert, auf altliterarische und wissenschaftliche Themen detailiert eingegangen, machmal erschien es, als ginge es „mit ihr durch“.
Leider unterbricht dies allzuoft den Spannungsbogen und ich war mehrfach versucht, das Buch zur Seite zu legen.
Versöhnlich stimmte wiederum das Ende, die Auflösung, die mit einem wahren Paukenschlag in Szene gesetzt wird.
Summa sumarum gibt es für „Aufruhr in Oxford“