Liebe hält sie für Unfug, orientiert sich daher vorzugsweise an materiellen Werten, um sich in ihrer Zukunft verwöhnt als Prinzessin aufspielen zu können. „
Jeder ist der Richtige. Natürlich muss er von Adel sein und eine Stellung haben und gut aussehen.“ Kindliche Vorstellungen einer Ehe, aber Effi ist erst 17, als sie sich verlobt. Man könnte ihren naiven Gedanken also verzeihen, man möchte sie zur Seite nehmen und ihr von den Plänen abraten. Am Ende des Buches folgt die Schuldfrage. Haben die Eltern nicht die Pflicht, ihren Kindern den rechten Weg zu weisen, zumindest ihnen Ratschläge zu erteilen? Aber wären Effis Eltern gute Ratgeber gewesen, die doch letzten Endes auf die gleiche Weise zueinander fanden und die Gesellschaftsregeln diese Ehe einfordern, verlangen. Er ist eine gute Partie für sie, alles andere spielt keine Rolle...
So nimmt die Tragödie ihren Lauf. Effi wird von ihren Freundinnen, von ihren Eltern, von ihrer Kindheit getrennt und in den Badeort Kessin gebracht, das sich mit der
„Tochter der Lüfte“ nicht vereinen lässt. Fern der Heimat ertränkt sie ihren Alltag in Langeweile, während ihr Mann sich um eine Stellung als Minister bemüht. Allein gelassen mit ihrer Haushaltshilfe in einer spukenden Unterkunft, kommt der fürsorgliche Crampas gerade recht, um für Ablenkung zu sorgen. Es entsteht gegen ihren Willen eine Liebesbeziehung, die Effis Gewissen belastet und sie erst erleichtert aufatmen kann, als ihr Mann einen Umzug nach Berlin vorschlägt. Kessin, Crampas und den erzieherischen Geist kann sie nun hinter sich lassen und sich auf ihre Ehe konzentrieren. Nach der Geburt ihres Kindes versöhnt sie sich mit der Einsamkeit, es entsteht verträgliche Harmonie, sie duldet ihr vorgeschriebenes Leben und sie hätte bis ans Lebensende diese Umstände ertragen. Doch die Vergangenheit holt sie ein, in Form von Briefen, die ihr Mann findet.
Fontane erstellt ein durchaus realistisches Bild einer Ehe im alten Preußen, ohne sich selbst in den Vordergrund zu stellen. Distanziert und unaufgeregt lässt er seine Figuren erzählend durch die Jahre tragen anhand oberflächlicher Reden. Er kann Effis Langeweile jedenfalls sehr gut vermitteln, sie ist spürbar geworden, ich habe mich mit ihr gelangweilt.
Er stellt sich so weit in den Hintergrund, dass er sich mit der Imitation, einer simplen Aufzeichnung der Umgangsform seiner Zeitgenossen begnügt. Er enthält sich jeder Kritik, vielmehr animiert er seine Leser dazu, zu kritisieren. Die Umgangsform seiner Mitmenschen besteht darin, den guten Ruf innerhalb der Gesellschaft zu wahren. Die Grenzen des Anstands müssen gewahrt bleiben, die ungeschriebenen Gesetze von Tugend und Moral müssen befolgt werden. Effi hat versucht, diese Grenzen einzuhalten, ohne zu ahnen, wie empfindlich die Richter bei deren Übertretung sind. Sie wird ausgestoßen, gemieden und nur der unvoreingenommene Hund wird ihr treu zur Seite stehen.
„Die Welt ist nun einmal wie sie ist, und die Dinge verlaufen nicht, wie wir wollen, sondern wie die andern wollen. Das mit dem ‚Gottesgericht’, wie manche hochtrabend versichern, ist freilich ein Unsinn, nichts davon, umgekehrt, unser Ehrenkultus ist ein Götzendienst, aber wir müssen uns ihm unterwerfen, solange der Götze gilt.“
Bezeichnend diese Warnung der Mutter an Effi:
„Du gehst immer so allein. Unter unseren Leuten bist du sicher, aber es schleicht auch so viel fremdes Gesindel umher.“ Obwohl Effi mittlerweile eingesehen haben sollte, dass die Gefahr in den eigenen Reihen präsenter ist.
Für die erste Hälfte: 3/5
Für die zweite Hälfte: 5/5
Macht zusammen:
Gruß,
chip