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Dahlquist, Gordon - Die Glasbücher der Traumfresser




Dahlquist, Gordon - Die Glasbücher der Traumfresser

Beitragvon marilu » 22.09.2007, 16:17

Ich habe gestern mit dem neuen Buch aus dem Buchprojekt begonnen. Schon die Ausstattung ist ungewöhnlich:

Statt eines Buches hält der Leser 10 Hefte in der Hand. Soweit ich dies bisher überschauen kann, stellt jedes Heft ein Kapitel dar. Das erste hat 78 Seiten und stellt die erste Hauptperson vor - eine gewisse Miss Temple.

Das Kapitel beginnt mit den Worten (was auch auf dem Umschlag des Heftes steht):
Drei Monate waren seit ihrer Ankunft im Hafen vergangen, da brachte ihr das Dienstmädchen auf einem Silbertablett Rogers Brief, verfasst auf steifem Ministeriumspapier und mit Vor- und Zunamen unterschrieben.


Wie man beim Weiterlesen erfährt, ist Roger Miss Temples Verlobter, der beim Außenministerium arbeitet. Die letzten sieben Tage war er sehr beschäftigt und nun am achten Tag hält Miss Temple seinen Abschiedsbrief in der Hand - er löst ihre Verlobung.

Miss Temple, selbstbewusste und chrakterstarke Frau von 25 Jahren (alte Jungfer :wink: ), lässt diese Erfahrung nicht einfach auf sich sitzen und verfolgt Roger bei der ersten Gelegenheit, um herauszufinden, ob er sie für eine andere Frau oder seinen Ehrgeiz geopfert hat. Dabei stellt sich heraus, dass er nach der Arbeit in einen abgelegenen Ort an die Küste fährt. Auf der Zugfahrt versucht sie sich vor diversen maskierten Personen und Roger zu verstecken.

Da sie nicht weiß, wohin die Reise geht, muss sie dennoch versuchen, den Kontakt zu den Mitreisenden nicht zu verlieren. In Orange Locks strömen die Reisenden aus dem Zug und Miss Temple ebenso. Und das eigentliche Abenteuer beginnt jetzt.

Sie fährt in einer Kutsche mit drei anderen Frauen zu einem Herrenhaus. Die Maskierten sind aufgeregt, freudig erregt und geben sich geheimnisvoll. Als Miss Temple von einer blassen, rotgekleideten Frau dazu aufgefordert wird, in Negligé und Maske zu schlüpfen, gehorcht sie, in der Hoffnung mehr über Rogers Absichten herauszufinden. Doch was sie erlebt, ist fast mehr als sie ertragen kann...

Bisher ist der Roman spannend und verwirrend. Ich habe immer mehr Fragen, je mehr ich lese. Zumindest habe ich herausgefunden, dass der Ort eine fiktive Stadt im Süden (?) England ist. Die Zeit ist wahrscheinlich das 19. Jahrhundert...

Heute werde ich das 2. Kapitel (Heft) lesen: Der Kardinal

Er wurde der Kardinal genannt, was auf seine Gewohnheit zurückging, einen roten Ledermantel zu tragen, den er aus dem Kostümfundus eines Wandertheaters gestohlen hatte.
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von Anzeige » 22.09.2007, 16:17

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Beitragvon marilu » 25.09.2007, 12:32

Ich bin inzwischen im 4. Kapitel (Heft). Leider konnte ich zwischendurch nicht posten, weil ich mal wieder :roll: ohne Internet lebe(n muss). Deshalb auch nur ganz kurz von meinem Arbeitsplatz aus.

In Heft 2 wird der "Kardinal" vorgestellt und im 3. "der Doktor", zwei Charaktere, die sich in dieselbe Verschwörung verstricken wie Miss Temple (inzwischen weiß ich ihren Vornamen: Celeste). Ihre Beweggründe sind sehr unterschiedlich von Celestes, nichtsedtotrotz ist ihnen gemeinsam, dass sie alle in die Geschichte hinein stolpern.

Je mehr man über die drei erfährt, desto klarer wird das Szenario in Harshmort - der Festung/Burg, auf der der Maskenball stattfand.

Bisher gefällt mir der Roman recht gut, auch wenn ich immer noch nicht weiß, worauf er hinausläuft. Zumindest die im Titel erwähnten Glasbücher wurden inzwischen thematisiert.

Die Sprache ähnelt denen englischer (Kriminal-)romane aus dem 19. Jahrhundert und liest sich dementsprechend verschnörkelt. An Spannung mangelt es zudem nicht!
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Beitragvon Krümel » 26.09.2007, 09:30

Hast du das schon entdeckt?
BildLiebe Grüße,
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Beitragvon marilu » 26.09.2007, 10:17

Krümel hat geschrieben:Hast du das schon entdeckt?


Hallo Krümel,
ja, den Thread habe ich schon vor einer Woche gesehen und war gespannt auf die Meinungen der Eulen. Da ich leider immer noch keinen Internetzugang daheim habe, konnte ich noch nichts dazu lesen. Werde ich irgendwann im Laufe des Tages tun und evtl. mitdiskutieren...

Heute werde ich aber nicht zu häufig ins Netz kommen, weil ich so viel zu tun habe.

Noch kurz: bin in Kapitel 5 (Wartezeit im Bürgeramt und bei der Agentur für Arbeit sind ideal für das Weiterkommen in einer Lektüre). Allmählich kommen alle Fäden der Geschichte zueinander (es geht auch auf die Hälfte des Romans zu), einiges bleibt weiterhin rätselhaft.

Toller Abenteuer- und Schauerroman!
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Beitragvon marilu » 01.10.2007, 14:15

Inzwischen habe ich mich zu Kapitel 9 vorange"arbeitet". Im 7. Heft hatte ich einen massiven Hänger, das 8. las sich dagegen wieder etwas flotter.
Seit Seite 609 weiß ich nun auch endlich, was es mit der Verschwörung auf sich hat.

Spätestens Ende der Woche kann ich also eine Rezi für das Projekt liefern. Was ich allerdings schreiben soll, weiß ich noch nicht genau...
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Beitragvon marilu » 30.10.2007, 19:57

Meine abschließende Bewertung:

In einer imaginären Stadt im viktorianischen England treffen drei unwahrscheinliche Verbündete aufeinander, um eine weltumspannende Intrige aufzudecken und zu verhindern.
Miss Celeste Temple erhält einen Brief ihres Verlobten Roger Bascombe, der ihre Verlobung auf diese schmähliche Weise beendet. Ihr gekränkter Stolz führt sie auf eine Privatparty, die in ihrer Eindringlichkeit stark an den Film „Eyes wide open“ erinnert. Eine Abendgesellschaft, die sich mysteriös und verschworen gibt, feiert die Verlobung von der reichen Erbin Lydia Vaandariff und dem mecklenburgischen Prinzen Karl-Horst von Maasmaerck mit einem Maskenball. Beherzt verkleidet sich auch Miss Temple und schleicht sich auf die Feier, nur um herauszufinden, dass ein kleiner Zirkel einen weiteren Grund des Feierns hat. In einer beeindruckenden und schauerlichen Vorführung führen zwei Männer einem erlesenen Kreis Frauen vor, die rätselhaft lethargisch und doch lebhaft erscheinen. Worin liegt der Grund dieses Verhaltens? Hypnose? Gehirnwäsche? Oder existieren dunkle Gründe für diese Zurschaustellung? Letzteres ist zu befürchten, denn Miss Temple wird dabei entdeckt und muss um ihr Leben fürchten.

Ein weiterer ungeladener Gast des Abends ist der Auftragsmörder „Kardinal“ Chang. Er soll dort einen Offizier ermorden, muss aber feststellen, dass ihm jemand zuvor gekommen ist. Auf eigene Faust versucht er nun zu ermitteln, wer seine Pläne durchkreuzt hat.

Der Stabsarzt Abelard Svendson, der dem Beraterstab des Prinzen Maasmaerck angehört, erlebt auf der Feier, dass sein naiver Schützling in Gefahr ist. Doch wer bedroht ihn und um welche Gefahr handelt es sich?

Am nächsten Tag treffen diese drei Personen im Hotel Boniface überraschend aufeinander und werden tiefer in die geheimnisvolle Intrige einbezogen. Jeder hat, wie erwähnt, eigene Motive möglichst viele Informationen zu sammeln und gegen die Verschwörer vorzugehen. Eine gefährliche Verfolgungsjagd nach den Verschwörern und ihren geheimnisvollen Glasbüchern beginnt! Denn schon bald nach Beginn der Ermittlungen wird allen deutlich, dass blaue Glasbücher der Schlüssel zu den beunruhigenden Vorgängen sind, erlauben sie dem Berachter doch, intime Erlebnisse anderer Personen auf eindringliche Art mitzuerleben. Einerseits verwirrend, andererseits machtvoll ziehen sie bald alle in ihre unheimliche Macht.


Als erstes möchte ich auf die Ausgabe eingehen, deren Aussehen mich auf den Roman aufmerksam machte: die zehn Kapitel der “Glasbücher der Traumfresser” sind in 10 einzelne Hefte gebunden, die sich bequem in einem Schuber verstauen lassen. Das handliche Format „für die schlanke Damenhand und für den Herrn auf Reisen“ (Klappentext) der meist ca. 80 Seiten starken Kapitel eignet sich nicht nur gut zum Schmökern in der eigenen Wohnung, sondern lässt sich auch komfortabel transportieren. Man merkt gar nicht, wie schnell die 900 Seiten gelesen sind.

Doch nicht nur das Format hilft beim Verschlingen der Erzählung. Die Sprache ist dem viktorianischer Spannungsromane angeglichen, was mich persönlich sehr faszinierte. Dass ein zeitgenössischer Autor eine solche Finesse zeigt, ist ungewöhnlich. Während der erotischen Elemente und im letzten Kapitel (Heft) weicht er jedoch von dieser Norm ab und manche Details werden sehr explizit und mitunter derb erzählt. Meiner Meinung nach ist dies ein raffiniertes Mittel, um die Geschichte zu beleben, erfordert jedoch eine gewisse Eingewöhnungszeit.

Lange Zeit schwebt man in der Ungewissheit, was es mit der Verschwörung um die blauen Glasbücher auf sich hat, deren Sinn erst ab der Seite 600 erläutert wird. Gelegentliche Hinweise laden zum Nachdenken und Mitraten ein.

Da man als Leser abwechselnd den drei Hauptfiguren Miss Celeste Temple, Dr. Abelard Svendson und Kardinal Chang folgt, hat man natürlich bald einen gewissen Wissensvorsprung und fiebert mit ihren jeweiligen Schicksalen mit. Sehr schön fand ich, dass es zwischen den einzelnen Geschichten immer wieder zu Verbindungen kommt.
Da jede Figur eine eigene (ausgeprägte) Persönlichkeit hat, wird wohl jeder Leser seinen individuellen Liebling finden. Besonders sympathisch waren mir Dr. Svendson und seine Geschichte.

Fazit: Ein spannender Roman für lange Abende auf der Couch, der versucht, die Traditionen von Schriftstellern wie Jules Verne und Wilkie Collins wieder aufleben zu lassen und mit Elementen moderner Spannungsromane zu verbinden.

Wer sich einen ersten Eindruck verschaffen möchte, sollte auf der Verlagshomepage für Gordon Dahlquist vorbeisurfen:
http://www.gordon-dahlquist.de/

Zum Autor (Informationen von der Verlagshomepage):

Gordon Dahlquist ist nach seiner Ausbildung am Reed College und an der School of the Arts der Columbia University Bühnenautor und -regisseur geworden. Seine Werke feierten Premieren in den Theatern von New York und Los Angeles, darüber hinaus hat er für mehrere experimentelle Filme die Drehbücher geschrieben und auch selbst Regie geführt. Für seine Theaterstücke »Messalina« und »Delirium Palace« wurde er jeweils mit dem »Garland Playwriting Award« ausgezeichnet. Seit 1988 lebt und arbeitet Gordon Dahlquist in New York. »Die Glasbücher der Traumfresser« ist sein erster Roman. »USA Today« bezeichnete seinen Aufsehen erregenden Erstlingsroman als »ein Märchen, das verwegene Abenteuer, eine große Dosis Science- Fiction und zarte Romanze vereint«.
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