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Merle, Robert - Malevil




Merle, Robert - Malevil

Beitragvon mombour » 31.12.2009, 20:39

Robert Merle: Malevil

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Der Name Malevil ist aus den Wörtern Mal (frz. Böse) und evil (engl. Böse) zusammengesetzt und bezeichnet eine fiktive Burganlage in Südfrankreich, die im Hundertjährigen Krieg von Engländern erbaut worden ist, inzwischen zu einer baufälligen Ruine verwahrlost, dem Jungen Emmanuel Comte als geheimer Zufluchtsort dient, wenn er Abstand zu seinen Eltern sucht. Ein typischer Junge, der in den Nachkriegsjahren, wir schreiben das Jahr 1948, in den Gemäuern das Abenteuer sucht. Offiziell ist der Zugang zur Burg verboten, weil sich gelegentlich Steinbrocken gelöst haben. Sein Onkel, der eine besonders herzliche Beziehung zu Emmanuel entwickelt, weiß um Emmanuels geheimen Unterschlupf und lässt ihn gewähren. Der Onkel stirbt und hinterlässt ihm eine Bibel mit einem Brief, in dem der Onkel folgendes vermerkt:

Merle hat geschrieben:Bei diesem Buch darf man sich nicht an die Gebräuche kehren, auf die Weisheit kommt es an.


Auch wenn die einleitenden Kapitel sehr ausgedehnt sind, tragen sie doch entscheidend zur Vorbereitung der kommenden Katastrophe bei. Wenn im Jahre 1977 die Bombe fällt und alles Leben auf der Erde auslöscht, befindet sich Emmanuel mit einigen Freunden zufällig im Weinkeller der Burganlage. Sie erleben den Schnitt von einem Leben davor, welches unwiederbringlich verloren ist, und es beginnt für sie ein Leben, die Zeit nach dem Tag X, und als das Mädchen Miette, die auch überlebt hat, in Malevil einzieht, gibt es dort eine gebährfähige Frau, Grundvoraussetzung für das Überleben der Menschheit.

Emmanuel, der im Alter von 35 Jahren Malevil gekauft, die Burg für Touristen restauriert hat, das Leben dort sehr demokratisch führt und eine große Gabe für diplomatische Verhandlungen hat, sieht sich aber vor großen Problemen gestellt.

Da ist die Sache mit den Frauen, d.h. Es ist zu anfangs nur eine da, die gebährfähig ist. Miette. Allerdings habe ich den Eindruck, dass es eben die Männer sind, die ihre Begierden als Phallokraten befriedigen müssen, und die Frau ist das Sexobjekt. Ja, ganz banal. Mir ist ehrlich gesagt ziemlich unwohl, und ich kann mir nicht vorstellen, dass es lange auf diese Art und Weise gut gehen wird, dass sich etwa sechs Männer eine Frau teilen. In unserem mitteleuropäisch Kulturkreis, in dem immer noch das christliche Moralempfinden überwiegt, oder das Moralempfinden anerzogen worden ist, da kann ich mir doch nicht vorstellen, dass sich mehrere Männer eine Frau teilen. In anderen Kulturkreisen - es wird eine indische Kaste erwähnt, bei der sich mehrer Brüder aus existentiellen Gründen eine Frau teilen - mag das üblich sein, auch ein Moslem darf mehrere Frauen haben, muss aber für sie und für die Nachkommenschaft Sorge tragen, d.h. Verantwortung. Aber in Frankreich ist es eben nicht so . Kurz und gut. Ein Unding, was dort in Malevil passiert. Es ist eine Frage von Moral und Unmoral, mit der sich die Männer von Malevil auseinanderzusetzen haben. Moral ist, wie wir gesehen haben, kulturabhängig. Natürlich können wir sagen, durch die Bombe ist auch die christliche Obrigkeit abgeschafft und die Menschen in Malevil müssen sich ihre Moralvorstellungen neu erschaffen, was allerdings nicht geht, weil diese Menschen ihre Vorstellungen vom Leben von der Zeit davor in die Zeit danach weitertragen. Warum Miette sich für alle Männer entscheidet und sie im Wechsel der Liebe pflegen lässt, blieb mir ein Rätsel, bis ich auf den Hinweis gestoßen bin, Miette sei ein wenig debil. Jetzt erkennen wir, in was für Gedankenbisse der Leser hier kommen muss. Ein geistig etwas zurückgebliebendes Mädchen wird von einer Anzahl von Männern für sexuelle Befriedigungen ausgenutzt. Das ist schamlos und der Beginn von Barberei. Selbstverständlich habe ich gedacht, die Leute von Malevil werden in maßloser Barbarei verfallen. Dem ist aber nicht so. Auch als menschlich verwahrloste Plünderer ohne wenn und aber mit ihren Gewehren brutal niedergemetzelt werden, bleibt die Streitfrage, ob dieser Massenmord gerechtfertigt sei. Hier unsere Maßstäbe von Moral und Unmoral anzusetzen, halte ich für nicht richtig. Welcher Mensch möchte sich denn einfach umbringen lassen? - Keiner. Na also, dabei mir natürlich aus meiner Sicht völlig klar ist, all dieses ist völlig unmenschlich und so etwas kann nicht gutgeheißen werden. Die Maleviler leben aber in einer äußerst unmenschlichen Situation, die ums überleben kämpfen müssen, und zum Überleben brauchen sie eben das Getreidekorn, und wenn die Plünderer das Korn stehlen, müssen sie sterben, wenn diese nicht sterben, dann sterben die Menschen von Malevil. So eine einfache Rechnung ist das.

„Malevil“ entstand im Jahre 1972, als die Bedrohung eines Atomkrieges im Bewusstsein der Menschen akut war. Die siebziger Jahre, das war die Zeit großer Demonstrationen gegen die Atombombe, gegen Atomkraftwerke, die Zeit der großen Friedensbewegung, die sich gegen den Vietnamkrieg stark machte. Bei der Bombe in unserem Roman handelt es sich allerdings um eine Lithiumbombe, die keine Kernstrahlung freisetzt. Der Roman muss ein Schlag gegen die Friedensbewegung gewesen sein, macht der Mensch nach dem Tage X doch genauso weiter wie vor dem Tage X. Der Mensch ist zum Unfrieden verdammt. Die Leute von Malevil sehen sich gezwungen, sich kriegsmäßig zu rüsten. Es wird immer so gerissene Hunde wie den falschen Priester Fulbert geben, der auf La Roque eine egobesessene Diktatur führt, und Emmanuele Comte mit der Bibel in der Hand wird als Kulturbringer der Menschheit nach dem Tage X in die Geschichte eingehen.

Mein Hauptkritikpunkt an dem Roman ist, die Spannung wird nicht gehalten. Es gibt extrem spannende Stellen, so halte ich Diskussion zwischen Emmanuel Comte und Fulbert für den literarischen Höhepunkt des Romans, in dem Comte als hervorragener Diplomat agiert und Fulbert ein gerissener Hund im Schafspelz, der seinen Gegenspieler moralisch zu erpressen versucht, trotzdem, Spannungen ebben mehrmals wieder ab, flammen irgendwann wieder auf. Ich war auch überrascht, glaubte ich doch wegen einiger Anspielungen, der Roman ziele auf eine fürchterliche Barberei ab, in der der Mensch sich eher in Richtung Tier entwickelt, als zum Menschen. Soweit wollte Robert Merle nicht gehen, ist die Zeit vor dem Tage X doch noch präsent, schließlich haben sie noch die Heilige Schrift. Der Barbarismus ist der Krieg. Auch wenn mir "Die geschützten Männer" mehr gefallen haben, ist dieser Roman wegen dem Thema, welches dem Leser auch nach der Lektüre nicht loslassen mag, sehr zu empfehlen.

:stern: :stern: :stern:

Liebe Grüße
mombour
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