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Schneider, Robert - Schlafes Bruder

26.06.2007, 19:45

Titel: Schlafes Bruder
Autor: Schneider, Robert
Verlag: Reclam Leipzig Ausgabe 1994
ISBN: 978-3379015189
Preis: Angebote ab 0,24 EUR


Der Autor:

Robert Schneider (* 16. Juni 1961 in Bregenz, Österreich) lebt als freier Schriftsteller in Meschach, einem Bergdorf im vorarlbergischen Rheintal/Österreich.

Im Alter von zwei Jahren wurde er vom Bergbauernehepaar Schneider adoptiert und wuchs in Meschach auf. Von 1981 - 1986 studierte er Komposition, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte in Wien. Danach arbeitete er als Fremdenführer und Organist.
Seit 1984 ist er literarisch tätig.


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Robert Schneider siedelt seinen Roman über das verkannte musikalische Genie Johannes Elias Alder in dem rauhen, vorarlbergischen Bergdorf Eschberg an, dessen Einwohner nur über alltägliche Dinge sprechen, sich ansonsten in Andeutungen ergehen und im Zweifelsfall lieber schweigen als reden. Elias, der von Geburt an anders ist als die Bauern, wird von diesen Menschen gemieden und von seiner eigenen Mutter abgelehnt.

So wie die drei Feuer, die das Dorf nach und nach auslöschen, so löscht die Enttäuschung über drei wichtige Menschen (Mutter, Vater und die unerwiderte Liebe zu Elsbeth) schließlich das Leben des zweiundzwanzigjährigen Elias aus.

Dieser Roman, der vordergründig sehr nüchtern, ja fast wie eine Chronik erzählt ist, bezieht seine Atmosphäre aus winzigen Details –- der Hut des Vaters als einziger Trost für den kleinen Jungen, die sparsame, aber umso deutlicher entsetzte Reaktion des jugendlichen Elias, als er sieht wie sein Vater einen Menschen umbringt.

Das Buch hat mich von Anfang bis zum Ende in seinen Bann gezogen. Ich habe es nicht –- wie Elias Canetti schrieb –- mit Freude gelesen, sondern mit einer großen Beklemmung und gleichzeitiger Begeisterung für den einzigartigen Stil Schneiders. Die Geschichte des Musikers Johannes Elias Alder wird mich sicher immer begleiten. --Cornelia Rediger -- Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.


Meine Meinung:



Das Buch haben sehr viele Menschen gelesen und jede gelesene Rezi. stellt sich mir anders dar. Zweiter Punkt ist, dass es dazu einen gleichnamigen Film gibt, der ebenfalls beeindruckend ist. Sicher nicht um sich am Samstagabend so nebenbei zu unterhalten.

Aber zum Buch.
Es ist nicht leicht geschrieben, aber nach einer Zeit des "einlesens" sollte man Interesse an dem Inhalt gefunden haben, und mir ging es so, dann läßt einen das Buch nicht mehr los.
Man fühlt sich gedanklich in die harten Jahre des Elias Alder zurückversetzt, man friert mit ihm in der Kirche man spürt die Hitze bei den Dorfbränden, man ist dabei.
Für mich die am schwersten zu bewältigende Aufgabe des Autors: Wie beschreibe ich Orgelmusik?
An dieser Stelle, kommt mein großes Lob an den Autor. Er hat es geschafft die Musik des Elias zu beschreiben. Er hat es für mich geschafft, die Musik besser zu beschreiben als es der Film mit Ton wiedergegeben hat.
Ich habe beim lesen bessere Musik gehört als beim Film. Meisterlich.
Ich muss betonen, dass mir Kirchenorgel und damit verbunden, bestimmte Bachwerke, nicht fremd sind.
Ein wenig hatte ich hier das Gefühl bei "Parfüm" von Süßkind zu sein. Vom Genuss für die Nase, zum Genuss für die Ohren.
Ich fand das Buch um Längen besser als den Film. Wobei er immerhin auch noch so gut ist um einen schönen Abend zu füllen.

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:




Bild

26.06.2007, 19:45

27.06.2007, 08:42

Danke für deine Rezi, alwin03. "Schlafes Bruder" hatte ich direkt nach der Erscheinung 1994 gekauft und aus was weiß ich für Gründen bis jetzt noch nie gelesen.
Da birgt mein SUB ja noch ein paar tolle Schätzchen, auf die ich mich freuen kann.

Gehört "Schlafes Bruder" zu einer Trilogie?

27.06.2007, 12:57

Herrjeh, solche Euphorie! :P
Versuche mich gerade zu entsinnen...
Warum in aller Welt, hat mir dieses Buch überhaupt nicht zugesagt? :grübel
Wenn ich mich recht entsinne, konnte ich schon mal mit der Story an sich nicht viel anfangen, der tiefere Sinn blieb mir wohl verschlossen.
Aber so ist das mit dem Lesen, man kann nicht jedes Schatzkästchen knacken... :wink:

27.06.2007, 16:33

Wenn ich meinen SUB-Plan für heuer schaffe, dann werde ich spätestens am 31.12. eine Rezension zu diesem Buch schreiben. :wink:

Ich freue mich schon sehr darauf und habe schon eine Vorahnung, dass es mir gefallen könnte (bei der Lesung mit Robert Schneider, die ich voriges Jahr zu seinem Buch "Kristus" besuchte habe ich auch schon Bekanntschaft mit seinem Schreibstil gemacht)

26.12.2007, 10:52

Pippilotta hat geschrieben:Wenn ich meinen SUB-Plan für heuer schaffe, dann werde ich spätestens am 31.12. eine Rezension zu diesem Buch schreiben. :wink:





... hier ist wohl jemand von seinem Zeitplan abgekommen :mrgreen:

26.12.2007, 16:01

:oops: naja, es ist ja noch nicht aller Tage Abend :oops:

31.12.2007, 15:20

Sodale, habe diesbezüglich meine guten Vorsätze doch noch erfüllt! :mrgreen:

Das ist die Geschichte des Musikers Johannes Elias Alder, der zweiundzwanzigjährig sein Leben zu Tode brachte, nachdem er beschlossen hatte, nicht mehr zu schlafen.

Mit diesem Satz beginnt diese außergewöhnliche Erzählung über das kurze Leben des Elias Alder in einem kleinen vorarlbergerischen Bergdorf zu Beginn des 19. Jahrhunderts. In einer ganz beeindruckenden – betont altmodischen – Sprache und unter Einbindung des Lesers durch die direkte Anrede entführt der auktoriale Erzähler direkt in diese Zeit und an diesen Ort.

Johannes Elias ist von Geburt an ein sonderbares Kind, mit seiner hohen Stimme, seinen gelben Augen und seiner damit verbundenen Introvertiertheit ein Außenseiter in Verhalten und Aussehen und hat es somit in seiner engstirnigen, kleinkarierten Heimat nicht einfach.
Die Musik begleitet Elias von Anfang an und spielt eine große Rolle in seinem Leben. So überlebt der Junge nur, weil die Hebamme bei seiner Geburt das „Te Deum“ singt. Immer öfter fühlt er sich zur Orgel in der Kirche hingezogen um die in seiner Phantasie entstandenen Melodien genial zu Tone zu bringen ohne jemals das Orgelspielen oder Notenlesen gelernt zu haben.
Als 5-jähriger verliebt er sich in seine Cousine Elsbeth, welche Liebe ihm in der Folge auch das Leben kosten wird.

Das Herausragende an diesem Buch war für mich die Sprache. Man versinkt in dieser finsteren, dämonischen Welt und gibt sich ganz den Beschreibungen der Natur und der Orgelmelodien hin. Auch die Derbheit, die Intoleranz und die Selbstgerechtigkeit der Bevölkerung wird großartig beschrieben. Ein ganz außergewöhnliches Buch!

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

08.05.2008, 15:29

Ich muss hier mal ein Gedanke loslassen! Das läuft jetzt in eine freie Interpretation, aber es gibt etwas, das macht mich sehr wütend bei der Lektüre :motz:

Der Erzähler greift immer wieder Gott an, dass er den Mensch so leiden lässt, dass das Genie verkannt bleibt, alle Schuld auf Gottes Schultern UND das macht mich wütend :twisted:

In meinem Cocktail-Mix, ich überlasse mein Leben nicht in Gottes Händen, und empfinde auch nicht, dass das gewollt ist von Gott. Gott hat uns als eigenverantwortliche Persönlichkeiten auf die Welt geschickt, ich bin selbst mein Glücksschmied. Ich kann mit dieser Auffassung gar nichts anfangen :roll:

Woher entnehmen eigentlich diese Menschen diese Auffassung? Steht das irgendwo in der Bibel?

PS Diese Frage hat nichts damit zu tun, dass ich das Buch einfach nur genial finde :wink:

08.05.2008, 17:32

Krümel hat geschrieben:Der Erzähler greift immer wieder Gott an, dass er den Mensch so leiden lässt, dass das Genie verkannt bleibt, alle Schuld auf Gottes Schultern UND das macht mich wütend :twisted:
In meinem Cocktail-Mix, ich überlasse mein Leben nicht in Gottes Händen, und empfinde auch nicht, dass das gewollt ist von Gott. Gott hat uns als eigenverantwortliche Persönlichkeiten auf die Welt geschickt, ich bin selbst mein Glücksschmied. Ich kann mit dieser Auffassung gar nichts anfangen :roll:
Woher entnehmen eigentlich diese Menschen diese Auffassung? Steht das irgendwo in der Bibel?


Interessante Bemerkung..., über die man EVENTUELL in einem anderen Fred separat weiterdiskutieren KÖNNTE?

08.05.2008, 17:43

Ich weiß, hier gibt es kompetentere hier im Forum, die auf deinen Beitrag antworten können/könnten, aber ich maße mir hier einfach mal eine Meinung an.

Wenn ich hier mal den Elternkomplex anspreche.
Welche Eltern lassen ihre Kinder so im Regen stehen, wie Gott!
Wenn er denn unsere Vater ist, so ist es mir etwas viel Unheil auf der Welt!
Natürlich ist jeder seines Glückes Schmied, auch bei meinen Kindern ist das nicht anders. Ich forme sie nach meinem Gewissen, um bei ihnen Glück entstehen zu lassen und versuche alles Schlechte von ihnen fern zu halten.

... bei Schneider begründet sich das Unheil in Hunger, Feuer und Krankheit.
Wen sollen die "gläubigen" ungebildeten Bauern verantwortlich machen. Über ihnen steht nur der "Herr" und der hat alles Unheil zugelassen.

Ich fand gerade diese Denkweise dem Intelligenzgrad des Dorfes angebracht.

08.05.2008, 19:33

Ich mein, ich motz ja auch schon mal rum, erinnert euch an meinen Ausbruch, aber dann habe ich das heulende Elend, und könnte nur noch draufschlagen. Mir ist aber immer bewusst, dass nur ich alleine irgendetwas an der Sachlage ändern kann.

Reden zum Beispiel! :wink:

Übrigens hatte ich schon erwähnt, dass es ein großartiges Buch ist :lol:

19.05.2008, 14:24

Ein gewaltiges Werk, sprachlich, formal und von seiner Thematik her!

In einem vorarlbergischen Bergdorf wird 1803 Johannes Elias Alder geboren. Als der Junge fünf Jahre alt ist, mutiert er an einem kalten Dezembertag zum musikalischen Genie. Diese Verwandlung vollzieht sich in einem grauenhaften Akt, der sagenhaft beschrieben ist. Elias kann danach jedes kleinste Geräusch wahrnehmen, jeden Klang aus den unendlichen Weiten, selbst Schneeflocken erzeugen bei ihm gigantische Kompositionen. Er hat das universal Gehör, das Gehör Gottes, erlangt!
Doch diese Gnade wird ihm nicht umsonst geschenkt, der Protagonist hat nach dieser Verwandlung teuflische gelbe Pupillen und eine Stimme, die jeden erzittern lässt. Drum wird er eingesperrt, und von Öffentlichkeit fern gehalten.
Und so sehnt sich Elias nach der Liebe, die am Tag der Geburt von Elsbeth in sein Leben eindringt. Wieder ein Tag in seinem Leben, an dem das Göttliche über ihn einbricht, und er die Harmonie zweier Herzen bis ins tiefste Mark erfährt.

Was wird aus einem Genie, der keine Möglichkeit besitzt seine Talente zu schulen?
Was wird aus einem Menschen, dem die Liebe als einziges Mittel zum Leben gewahr wird, aber nicht geliebt wird? “Das ist die Geschichte des Musikers Johannes Elias Adler, der zweiundzwanzigjährig sein Leben zu Tode brachte, nachdem er beschlossen hatte, nicht mehr zu schlafen.”

Robert Schneider erzählt uns diese Geschichte so gewaltig und atemberaubend, dass man das Buch eigentlich nicht aus den Händen legen möchte. Doch man tut gut daran, wenn man sich kleine Atempausen gönnt, und dieses Feuerwerk an Sprache und Aussage in Etappen liest. Eins der besten Bücher, die ich bisher gelesen habe! :!:

Bewertung: :stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
Schwierigkeitsgrad: mittel

14.06.2008, 14:07

Holger hat es gelesen und würde es mit :stern: :stern: :stern: :stern: bewerten. Ihn hat der Anfang nicht so gut gefallen, den fand er zu "normal", eben nichts Besonderes: ein Dorf, deren Gewohnheiten und Ansichten, ein talentierter Junge ... Der Schluss war dann beeindruckend.
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