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Jones, Edward P. - Die bekannte Welt




Jones, Edward P. - Die bekannte Welt

Beitragvon marilu » 22.04.2007, 16:53

Ich möchte euch diesen überaus beeindruckenden Roman vorstellen und hoffe, dass meine Rezension diesem Werk gerecht werden kann!

Originaltitel: Unknown world

Inhalt:

Die "bekannte Welt" hier ist das fiktive Manchester County, Virginia zwischen 1830 und 1855.

Im Mittelpunkt des Romans steht der ehemalige Sklave Henry Townsend. Er wurde als Junge von seinem Vater freigekauft, sehnt sich aber sein ganzes Leben nach dem geregelten, hierarchischen Leben auf der Plantage seines ehemaligen Herren William Robbins. Als er genug gespart hat, kauft er auf Vermittlung von Robbins Land und seinen ersten Sklaven, Moses. Leben die beiden anfänglich freundschaftlich zusammen (balgen sich, teilen sich ein Zimmer im Rohbau des Herrenhauses etc.), wandelt sich Henrys Verhalten nach einer Strafpredigt seines Mentors zu dem eines weißen Sklavenhalters. Später führt dies dazu, dass er einen seiner Sklaven für einen Fluchtversuch damit bestraft, ihm ein Drittel des Ohres abzuschneiden.

Ausgangssituation der Handlung ist der Tag, an dem Henry Townsend stirbt. Ein Tag, der in der Folge zu schicksalshaften Ereignissen führt, aber auch dazu angetan ist, die Konstellationen rund um die Farm aufzuzeigen. So lernt der Leser viele wichtige Personen kennen:
den bereits erwähnten ergeizigen Aufseher Moses (inklusive seiner Frau Priscilla und seinem Sohn Jamie), die verwirrte Sklavin Alice, den rebellischen Elias und seine Familie, Henrys Witwe Caldonia (sowie ihre Mutter Maude, ihren Zwillingsbruder Calvin), die Erzieherin Fern, den Sheriff John Skiffington und viele andere...

Meine Meinung:

Wie aus der Aufzählung der oben beispielhaft Genannten ersichtlich wird, wird der Leser mit sehr vielen Einzelschicksalen vertraut gemacht. Neben den häufigen Perspektivwechseln gibt es zudem auch viele Vor- und Rückschauen, die mitunter bis ins Jahr 1994 reichen. Im Wesentlichen beschränken sich diese zeitlichen Vorschauen auf die Schicksale nach dem amerikanischen Bürgerkrieg.

Ich mag solche Zeit- und Perspektivwechsel, aber natürlich wird dadurch das Lesen anspruchsvoller. Deshalb solltet ihr euch viel Zeit nehmen, um den Roman zu lesen. Wer sich darauf einlässt, wird ein besonderes Highlight erleben!

Ich fand sowohl die Handlung als auch die Art, in der sie beschrieben wurde, sehr beeindruckend! Hier geht es um eine Minderheit, von der kaum jemand etwas ahnte. Der Fokus liegt auf den "priviligierten" Schwarzen, die über ihre Freiheit, Bildung und einigen Reichtum verfügt und dennoch in der Gesellschaft unterhalb der "Hillbilles" angesiedelt ist. Eine wichtige Rolle spielt der Glaube, sei es der christliche Glaube der Weißen oder der eher mythische Glaube der Schwarzen. Einige mystische Einschübe verleihen manchen Schlüsselszene einen speziellen Charakter.

Die Wünsche, Hoffnungen und Ideale der einzelnen Charaktere werden sehr deutlich. Mitunter glaubt man fast, jeder von ihnen hätte tatsächlich gelebt. Unterstrichen wird dieser Eindruck auch durch zahlreiche Fakten, Statistiken, historische Zeugnisse und Dollarangaben zum Wert einzelner Personen. Da es sich um ein fiktives Gebiet handelt, sind natürlich auch diese Angaben fiktionalisiert, aber ihr Einsatz at mir trotzdem sehr gut gefallen!

"Die bekannte Welt" gehört eindeutig zu meinen Jahreshöhepunkten!

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

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von Anzeige » 22.04.2007, 16:53

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Beitragvon Krümel » 22.04.2007, 17:04

Danke für diese gute Rezi marilu :D

Bei mir liegt das Buch ja auf dem SUB, auch noch für unseren Wettbewerb, und ich hatte es für Juli eingeplant.
BildLiebe Grüße,
Krümel



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Beitragvon Karthause » 22.04.2007, 17:37

Auch ich bedanke mich für diese schöne Rezi, marilu. Bei mir kommt dieses Buch auf den SUB, allerdings werde ich es dort nicht so sehr lange liegen lassen. Mal sehen wann, es klappen wird. Auf jeden Fall bin ich schon sehr gespannt. :D
Viele Grüße
Karthause

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Beitragvon marilu » 22.04.2007, 19:15

Ich hoffe sehr, dass es euch auch so gefallen wird!

@Kruemel:
Lass dich von den abrupten Spruengen nicht allzu frueh entmutigen (du magst das nicht so, ne?). Ab und zu gibt es Wechsel ohne Vorwarnung in einem Absatz. Probiere es einfach aus. Nach einigen Seiten gewoehnt man sich definitiv daran. Irgendwie macht es das Buch sehr lebendig.
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Beitragvon Krümel » 22.04.2007, 20:02

marilu hat geschrieben:Lass dich von den abrupten Spruengen nicht allzu frueh entmutigen (du magst das nicht so, ne?). Ab und zu gibt es Wechsel ohne Vorwarnung in einem Absatz. Probiere es einfach aus. Nach einigen Seiten gewoehnt man sich definitiv daran. Irgendwie macht es das Buch sehr lebendig.


Das kommt immer auf das Buch an, ob ich Sprünge mag. Manchmal stört es mich enorm, wenn es z. B. immer nur wenige Seiten sind, und dann wieder ein Sprung. Bei Arno Geiger mochte ich es sehr ...
BildLiebe Grüße,
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Beitragvon Krümel » 02.09.2007, 10:47

Meine Meinung:

Das falsche Buch zur gewählten Zeit! Und das ist eigentlich bedauerlich, da es sehr viel Informationen beinhaltet über die bekannte und unbekannte Welt. Ich konnte es nicht richtig aufnehmen, da mein Leben sich momentan umwälzt.

Man ist erschrocken über das Umgehen der Weißen mit ihren Sklaven, dass man Familien trennt, Ehepaare auseinander reißt, dass der Weiße Mann nur Dollarzeichen vor Augen hat und nicht den Menschen, der dahinter steht. Noch überraschender ist es, dass Schwarze ihre eigenen Sklaven halten, sich auf die gleiche Stufe stellen. Wie die Sklaven bestraft werden, und zur Gehorsamkeit gequält werden.
All dies löst ein ganz absurdes inneres Gefühl aus, das teils aus Ekel und auch aus Mitleid besteht.
Dieses Gefühl entsteht größtenteils durch die ganz sachliche, fast nichtssagende Sprache und Beschreibung. Denn all die Geschichten, Episoden, Schicksale werden nahtlos aneinandergereiht, als ob es das Normalste auf der Welt sei; eben die “bekannte Welt“.

Bewertung: :stern: :stern: :stern: :stern:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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