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Kaye, Mary M. - Palast der Winde




Kaye, Mary M. - Palast der Winde

Beitragvon marilu » 14.04.2007, 09:57

Inhalt:

"Palast der Winde" handelt von den Erlebnissen des Engländers Ash Pelham-Martyn, der in Indien geboren wurde, als Kind seine Eltern verliert und aufgrund des Sepoyaufstandes von seiner Ziehmutter als der indische Junge Ashok erzogen wird. Die beiden leben einige Jahre am Hof des Rana von Gulkote. Doch als Ash/Ashok hinter ein Mordkomplott kommt, flieht er nach England, wo er seine Pubertät verlebt.

Als junger Mann kehrt er nach Indien zurück, um bei den Kundschaftern zu arbeiten. Durch einen Zufall trifft er auf seine ehemalige Freundin Anjuli, Prinzessin am Hofe Gulkotes. Nun muss er sie und ihre Schwester Shushila auf ihrer Brautreise beschützen und sicher zu ihrem Ehemann geleiten. Diese Reise steckt voller Gefahren für Leib und Seele: denn Anjuli bedeutet ihm bald mehr als nur die gute Freundin von früher.

Er muss mitansehen, wie sie zur zweiten Frau des Rana von Bhitor wird und obwohl sein Herz förmlich zerbricht, gelingt es ihm, weiterzuleben. Doch wie es der Zufall will, wird er bald in die Nähe des Königreichs Bhitor versetzt und die Neuigkeiten, die über das Hofleben erfährt, beunruhigen ihn sehr. Ungeachtet der Gefahren für sein eigenes Leben, das aus diversen Gründen gefährdet ist, wenn er die Grenze des Königreichs überschreitet, eilt er Anjuli zu Hilfe. Wieso, wobei und welchen Ausgang das Abenteuer nimmt, verschweige ich an dieser Stelle. Selberlesen macht klug! :wink:

Im letzten Drittel des Buches wird über den 2. Afghanischen Krieg berichtet und der Schauplatz verschiebt sich in den Hindukusch, insbesondere nach Kabul. Es geht um die Gründe für den Krieg, seine Auswirkungen auf Afghanistan und England und bestimmte Einzelschicksale.

Meine Meinung:

Auf den ersten Blick stellt sich der Roman als Herausforderung dar: das Cover meiner Ausgabe (s. oben) lädt nicht wirklich zum lesen ein, 943 Seiten sind kein Pappenstiel und wenn man sich dann noch die Schriftgröße ansieht, stellt man es am liebsten zurück ins Regal.
Aus diesen Gründen habe ich den "Palast der Winde" für den SLW gewählt, um die Chance zu erhöhen, ihn tatsächlich zu lesen. Und über die Entscheidung freue ich mich sehr! Ein wirklich tolles, spannendes, abenteuerliches Buch mit einem gehörigen Spritzer Romantik. Einfach wunderbar!

Die bezaubernden Landschaftsbeschreibungen und Beobachtungen der indischen Gesellschaft sprechen mich sehr an. Die Liebesgeschichte war mitunter ziemlich schwülstig, aber dadurch halt echt toll fürs Herz! :love:

Am besten haben mir die ersten 2/3 des Romans gefallen. Im letzten Drittel verschiebt sich der Fokus von Ash zu dem Kundschafter Walter Hamilton (Wally), der als Teil der englischen Gesandschaft in Kabul stationiert ist. Ich mochte Wally seit seinem Auftreten im Buch, aber dass er zum Schluss eine so wichtige Rolle spielt und das Schicksal von Ash in den Hintergrund gerät, empfand ich als unnötigen Bruch, auch wenn es sicher sehr lehrreich war, um selbst die heutigen Konflikte in Afghanistan besser einzuordnen.

Schaut man sich die Widmung an, lässt sich das Motiv der Autorin erahnen:

"Gewidmet den Offizieren und Mannschaften unterschiedlicher Abstammung und unterschiedlichen Glaubens, die mit Stolz und Hingabe seit 1846 im Kundschafterkorps gedient haben, darunter Leutnant Walter Hamilton, Träger des Viktoriakreuzes, mein Mann, Generalmajor Goff Hamilton und dessen Vater, Oberst Bill Hamilton."

Daraus schließe ich, dass sie den Verwandten ihres Mannes einen Tribut zollen wollte.

Fazit:

"Palast der Winde" ist ein gelungener historischer Roman, den man kaum zur Seite legen kann. Mary M. Kaye vermittelt nebenbei sehr viel Historie und erklärt am Ende des Buches, was Wahrheit und was Dichtung im Roman ist. Viele Figuren wachsen einem ans Herz, wenngleich natürlich auch viele verbohrte Nationalisten auf allen Seiten auftreten, denen man ihre Blasiertheit und Dünkel am liebsten wegreden möchte - ich spreche hier nicht nur von den Engländern, sondern auch von den Indern und Bergstämmen. Die verschiedenen Religionen in der Region sind nicht zu vereinbaren und sind häufig der Grund für "Animositäten", um es vorsichtig auszudrücken. Ash, der immer zwischen den Fronten steht, bleibt in diesem religiösen Machtgewimmel immer ein Außenseiter: er, der nach Gerechtigkeit strebt (und den britischen Imperialismus immerfort hinterfragt) und nicht nach traditionell/kulturell bedingten Ergebnissen. Mein Rat: macht euch selber ein Bild und lest den Roman!

Trotz meiner Einschränkung bezüglich des letzten Drittels gebe ich :stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

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Zuletzt geändert von marilu am 14.04.2007, 16:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Karthause » 14.04.2007, 10:12

Wow, 5 Sterne. Da habe ich wohl noch was nettes im Regal stehen, das um Aufmerksamkeit bittet. Na, vielleicht für den SUB-Wettbewerb 2008. :lol:

Das dies ein so gutes Buch ist hätte ich nicht unbedingt erwartet. Ich hatte dieses Buch von meiner Schwiegermutter geschenkt bekommen. Anerkennung, dass es ein Buch und keine Pralinen waren. Aber da sie das Buch ausgesucht hat, hatte ich schon eine Schnulze im wahrsten Sinne des Wortes erwartet.
Viele Grüße
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Beitragvon marilu » 14.04.2007, 10:41

Ich hatte eigentlich auch gedacht, dass es sich hier um einen reinen Liebesroman mit einigen geschichtlichen Einsprengseln handelt, aber der Anteil an Liebe ist zwar intensiv, wenn er da ist (und wie gesagt, manchmal etwas blumig und kitschig), aber über große Strecken liegt der Schwerpunkt auf der Geschichte des Kundschafterkorps in Mardan (im Punschab). Gerade gegen Ende hin, erzählt das Buch die Erlebnisse in Kabul nach, die der 2. Afghanische Krieg hervorbrachte. Da geht es mehr um militärische Entscheidungen, persönlichen Mut und kulturelles Erbe als um Liebe.

So einfach nebenher zu lesen ist es sicher nicht, weil echt viel passiert. Ich habe in einigen Rezensionen gelesen, dass sie sich stellenweise gelangweilt haben. Ich kann das nicht ganz nachvollziehenhängt aber vielleicht auch mit der Erwartungshaltung zusammen.

Was mir auch gut gefiel, ist der Humor der Autorin, der immer wieder durchscheint. Die Geschichte ist einfach lebendig.

Falls du es liest, nimm dir Zeit dafür. Und wenn du es dann beurteilst, bin ich gespantnt auf deine Meinung!
:D
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